M&A boomt virtuell mit Drohnen
cru Frankfurt – Trotz der Coronakrise ist das Volumen der Fusionen und Übernahmen in Deutschland 2020 bis dato gegenüber dem gleichen Vorjahreszeitraum um 16 % auf 163 Mrd. Dollar gestiegen. Das ist schon jetzt etwa genauso viel wie im gesamten Vorjahr, wie aus Daten der Investmentbank Goldman Sachs hervorgeht.”Die M&A-Aktivität ist nach dem Einbruch im März und April kräftig nach oben geschnellt. 2020 ist ein sehr starkes M&A-Jahr mit steigenden Volumina in Europa und Deutschland. Der gegenwärtige Schwung lässt uns eine weitere starke Erholung im Jahr 2021 erwarten”, sagen Tibor Kossa und Christopher Droege, Co-Heads M&A Deutschland und Österreich von Goldman Sachs.Damit handele es sich um die bisher schnellste jemals erlebte Erholung nach einer Wirtschaftskrise. Das dritte Quartal war das beste für M&A in Europa, das es jemals gegeben hat. Die Auswirkungen der Covid-19-Pandemie mit einer beschleunigten Digitalisierung zwängen die Unternehmen zu aktivem Portfoliomanagement.Bewertungen und Kapitalkosten der Unternehmen und Sparten driften je nach Betroffenheit von den Covid-Auswirkungen stark auseinander, wie sich allein schon an den Aktienkursen ablesen lässt: Während Delivery Hero, Deutsche Bank und Infineon 2020 besonders stark zugelegt haben, liegen die Unternehmen Bayer, Fresenius und MTU besonders weit hinten. Weg vom KonglomeratKonzerne lösen deshalb Konglomeratsstrukturen auf, konzentrieren sich auf einzelne Geschäftsfelder und trennen Sparten ab, die einzeln besser bewertet werden. Beispiele dafür sind die Abtrennung der Thyssenkrupp-Aufzüge sowie der Kraftwerkssparte Siemens Energy und der Siemens-Windradgetriebeeinheit Flender.”Auch das Thema ESG (Umwelt, Soziales, Unternehmensführung) wird auf der M&A-Seite zunehmend relevant, weil Investoren mit stark wachsenden ESG-Fonds-Volumina in diese Richtung drängen”, sagt Kossa. Die Anzahl der dezidierten ESG-Fonds hat sich seit 2018 um ein Viertel auf rund 500 erhöht.Für die Unternehmen selbst zahlt sich die Ausrichtung auf ESG-Kriterien bereits finanziell aus. “Je höher der ESG-Score, desto niedriger die impliziten Kapitalkosten.” Manche Unternehmensteile würden abgespalten, weil sie beim ESG-Score schlecht abschneiden.Zu den aktivsten M&A-Akteuren gehören Finanzinvestoren, deren Anteil am M&A-Volumen sich in den letzten sieben Jahren von 20 % auf 30 % erhöht hat. Allein die noch nicht investierten Kapitalzusagen (Dry Powder) von den Investoren der Private-Equity-Häuser für Europa belaufen sich derzeit auf 192 Mrd. Dollar – fast so viel wie im Rekordjahr 2019 mit 198 Mrd. Dollar. Am größten sind die globalen Kriegskassen von Blackstone (138 Mrd. Dollar), KKR (49,6 Mrd. Dollar) und CVC (45,7 Mrd. Dollar).Da die Unternehmensbewertungen mit dem 12-Fachen des operativen Gewinns inzwischen im Durchschnitt sehr hoch sind – getrieben von billigem Notenbankgeld und staatlichen Konjunkturprogrammen -, ziehen viele Finanzinvestoren den Exit aus einigen ihrer Beteiligungen vor, um die gute Gelegenheit zu nutzen. Unternehmen, die erst vor ein oder zwei Jahren erworben wurden, stehen schon wieder auf der Verkaufsliste. “Dabei werden die Diskussionen aber komplexer. Häufiger werden auch Minderheitsbeteiligungen gehandelt, oder es kommt zu Pipe-Investments (Kapitalerhöhungen ohne Bezugsrecht)”, sagt Droege.Parallel dazu wird das gesamte M&A-Geschäft digitaler: “Die Virtualisierung der M&A-Deals hat die außergewöhnlich schnelle Erholung deutlich befördert”, berichtet Droege. “Fabrikbesichtigungen per Drohne oder Videoübertragung sind keine Seltenheit mehr. Das ersetzt den früher üblichen Rundgang vor Ort.” Ohne persönliche TreffenVieles von dem, was sich jetzt neu eingespielt habe, werde auch nach der Pandemie normal bleiben. Die Deals können ohne persönliche Treffen schneller abgewickelt werden, es wird das Zeitbudget der Topmanager geschont, und es werden Reisekosten eingespart. Zwei Drittel der von Goldman Sachs 2020 begleiteten Transaktionen seien vollständig virtuell ausgeführt worden.Durch die schnellere Umsetzung von Deals sei es einfacher geworden, das Timing zu verbessern, zum Beispiel, um Zeitfenster in der Marktstimmung zu nutzen. “Seltenere persönliche Treffen erleichtern zudem die Geheimhaltung von M&A-Vorbereitungen. Sie sehen nicht mehr viele Leute in den Konferenzräumen an Flughäfen ein- und ausgehen, wenn sich ein Deal anbahnt”, sagt Kossa.