Marktführerschaft um jeden Preis

Von Peter Olsen, Frankfurt Börsen-Zeitung, 17.8.2012 Tricksereien bei den BMW-Verkaufszahlen in den USA im Juli? "Davon kann nicht die Rede sein. Jedes Fahrzeug wird in der Statistik ein Mal erfasst", so ein Firmensprecher zu einen Bericht des...

Marktführerschaft um jeden Preis

Von Peter Olsen, FrankfurtTricksereien bei den BMW-Verkaufszahlen in den USA im Juli? “Davon kann nicht die Rede sein. Jedes Fahrzeug wird in der Statistik ein Mal erfasst”, so ein Firmensprecher zu einen Bericht des “Wall Street Journal”. Das US-Finanzblatt hatte davon berichtet, dass der bayerische Autobauer seinen US-Händlern für den 31. Juli, also für diesen einen Tag, einen Preisnachlass von 7 000 Dollar je Fahrzeug des Jahrgangs 2012 geboten haben soll, wenn die Karosse noch am selben Tag als verkauft gemeldet werden würde.Dass die veröffentlichten Zahlen zu den monatlichen Neuwagenverkäufen, in den USA wie auf allen anderen wichtigen Automärkten, mit Vorsicht zu genießen sind, ist nicht neu. Ein führender Marktanteil signalisiert unbedarften Käufern, dass ein Anbieter sehr erfolgreich sein muss, und Investoren gaukelt er eine gute Cash-flow-Entwicklung vor. Wenn aber “Verkaufserfolge” nur über Nullzinsfinanzierungen oder mit hohen Rabatten und Tageszulassungen sowie Flottenverkäufen dargestellt werden können, also über den Preis losgeschlagen werden, dann führt das am Ende in die Pleite – wie General Motors und Chrysler schon bewiesen haben.Die aktuellen Vorwürfe in Richtung BMW sind nicht neu. Schon zum Jahreswechsel schauten Marktbeobachter mit Argusaugen darauf, wie die beiden deutschen Premiumanbieter BMW und Mercedes um die US-Marktführerschaft 2011 – wegen des katastrophenbedingten Ausfalls des Wettbewerbers Lexus (aus dem Hause Toyota) – kämpften. Keiner wollte zu früh mit den Dezemberzahlen herausrücken, als Letzter meldete schließlich BMW die Zahlen – und lag im Gesamtjahr mit 247 907 Fahrzeugen um die Winzigkeit von 2 715 Fahrzeugen vor dem Stuttgarter Konkurrenten, berichtete Bloomberg.Auch Premium ist keine Garantie für stabil aufwärtsgerichteten Absatz, wie eine kurzzeitige Rabattschlacht zur Jahresbeginn in China zeigte. Dort hat traditionell die VW-Marke Audi die Nase vorn, BMW holt rasch auf, während Daimler mit Mercedes das Tempo der Konkurrenten bislang nicht mitgehen kann.Wer aber nicht hohe Wachstumsraten in Wachstumsmärkten wie China und den USA vorweisen kann, der fürchtet schnell um seine Attraktivität. Nicht nur gegenüber den immer weniger markenloyalen Autokäufern, sondern auch der Händlerorganisation, die natürlich vor allem Bestseller in den Schauräumen vorzeigen möchte. Kein Hersteller weltweit hat neueste und gut verkäufliche Ware im Angebot, und wenn wie in Europa der aktuelle VW Golf ausläuft und demnächst durch die siebte Generation ersetzt wird, dann ist klar, dass das “alte” Modell nicht mehr zum Listenpreis weggeht. Das von Fiat-Chef Sergio Marchionne in diesem Zusammenhang beklagte “Blutbad” bei den Konditionen lässt sich also erklären.In vielen Staaten, so auch in den USA, startet nach dem Sommer der 2013er Jahrgang. Neuwagen aus dem 2012er Jahrgang, bis Jahresmitte produziert, sind sogleich weniger “neu”. In Großbritannien wird dieser Rhythmus sogar noch mit entsprechenden Kennzeichen betont. in zwei Monaten des Jahres, wenn der Jahrescode wechselt, ist Großbritannien deshalb der größte europäische Automarkt. Dass in den USA wieder in die Mottenkiste der Verkaufsförderung gegriffen werden muss, obwohl der Markt wächst, ist gleichwohl kein gutes Zeichen. Angesichts des derzeit zum Dollar schwachen Euro ist das allerdings finanziell zu verkraften.—–“Premium” ist im Autogeschäft keine Erfolgsgarantie mehr. Der Preiskampf nimmt zu.—–