Maschinenbau will Fehlerkultur pflegen
Die deutschen Maschinenbauer wollen bei der Digitalisierung der Fabriken (“Industrie 4.0”) auf die Tube drücken. Um schneller zu werden, empfiehlt der Branchenverband VDMA anlässlich der Hannover Messe den Produktionstechnikherstellern, mehr zu experimentieren und an ihrer “Fehlerkultur” zu arbeiten. Ganz so weit wie die Protagonisten im Silicon Valley wollen die vorwiegend mittelständischen Maschinenbauer aber nicht gehen.ds Hannover – Mittelständische Maschinenbauer sind konservativ bis in die Knochen und nehmen sich gern mal ein paar Monate Zeit, um ein winziges Einzelteil zu optimieren. Doch nach Ansicht von Carl Martin Welcker, Präsident des Maschinenbau-Branchenverbandes VDMA (Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau), ist dieses Verhaltensmuster nicht zielführend, wenn es darum geht, die digitale Fabrik voranzutreiben, an der auch in Übersee gearbeitet wird. Von der IT-Industrie lernen”Die Maschinenbauer sollten sich die Vorgehensweisen der IT zu eigen machen hinsichtlich agiler Entwicklungsmethoden, Experimentierfreudigkeit oder Akzeptanz einer Fehlerkultur”, empfahl der Maschinenbau-Präsident zur Eröffnung der Hannover Messe am Montag. Die Hannover Messe ist die weltweit größte Leistungsschau der Investitionsgüterindustrie. Auch große amerikanische Industrie-Hardware und Softwarekonzerne wie General Electric oder Microsoft sind auf der Fachmesse präsent. Kultur des ScheiternsDie im Silicon Valley gepflegte Kultur des Scheiterns ist für Welcker allerdings nur eingeschränkt auf den Maschinenbau übertragbar: “Wenn deutsche Maschinen am Ende so viele Bugs hätten wie amerikanische Software, dann wäre ich entsetzt”, schob er schnell hinterher. “Deutschland ist nicht gemacht für disruptive Prozesse, wir sind mit unserem Perfektionsanspruch besonders stark in evolutionären Prozessen.” Welcker sagte weiter: “Mit unserem deutschen Perfektionismus lassen sich digitale Geschäftsmodelle nicht weiter vorantreiben.” In der digitalen Welt habe man nicht mehrere Monate Zeit, um Einzelheiten zu optimieren. Deshalb sollten die Maschinenbauer an ihrer Fehlerkultur arbeiten. “Wir müssen auch mal eine Ente aufs Wasser setzen, offen mit den Kunden über Neuerungen diskutieren, Resultate sammeln und dann ein digitales Produkt auf den Markt bringen”, so der Maschinenbau-Präsident.Nicht nur bei der Fehlerkultur, auch operativ geht der Blick im Maschinenbau stark in den wichtigsten Exportmarkt USA. Dort gehe es “schwungvoll” zu, so Welcker. In den Monaten Januar und Februar – neuere Daten liegen nicht vor – hätten die deutschen Maschinenexporte in die USA im Vergleich zur Vorjahreszeit um 4,8 % angezogen, sagte VDMA-Chefvolkswirt Ralph Wiechers. Die Deutschen profitierten von der Erholung des Ölpreises, was die Hersteller von Prozesstechnik stark beflügele. Für die Exporte nach Großbritannien sind die deutschen Anlagenhersteller nach dem Brexit-Entscheid, der zu Unsicherheit führe, “eher vorsichtig gestimmt”, so Welcker.Für Polen, das immerhin auf Rang 8 der Export-Länderrangliste liegt und dieses Jahr Gastland der Hannover Messe ist, verbreitet der deutsche Maschinenbau selbstredend Optimismus. Dank EU-Fördermitteln für Infrastrukturinvestitionen sollten sich auch die deutschen Maschinenexporte zum östlichen Nachbarn “wieder beschleunigen”, so Welcker.Der VDMA bekräftigte zum Messeauftakt am Montag die Prognose, die Produktion in diesem Jahr um real 1 % zu steigern. Im vergangenen Turnus hatte Deutschlands größte Industriebranche (gemessen an ihren gut 1 Million Beschäftigten) Maschinen im Wert von 203 Mrd. Euro gefertigt und damit das fünfte Stagnationsjahr in Folge hingelegt.Anlässlich der Hannover Messe, die wieder ganz im Zeichen der angeblich heranbrechenden vierten industriellen Revolution (“Industrie 4.0”) steht, treibt die Maschinenbaulobby das Thema digitale Fabrik und eine einheitliche Maschinensprache voran. Ziel ist, dass Maschinen und Anlagen unterschiedlicher Hersteller reibungslos miteinander kommunizieren können. “Der VDMA favorisiert aus heutiger Sicht den Schnittstellenstandard OPC UA”, sagte Welcker. Plug & ProduceOpen Platform Communications Unified Architecture, kurz OPC UA, ist ein industrielles Maschine-zu-Maschine-Kommunikationsprotokoll, das von der OPC Foundation entwickelt wurde und Maschinendaten wie Regelgrößen, Messwerte und Parameter nicht nur transportiert, sondern auch maschinenlesbar semantisch beschreibt.”Was im Büro mit dem USB-Standard hinsichtlich Plug & Play schon lange möglich ist, wird in Zukunft also auch in der Produktion in Form von Plug & Work Realität”, sagt Welcker, der bei seinem Vortrag in Hannover auffällig stark Anglizismen benutzte. Durch einheitliche Maschinenkommunikation soll etwa “predictive maintenance” (vorausschauende Wartung) in den “digital factories” (digitalen Fabriken) möglich werden, wobei allerdings die “industrial security” (industrielle Sicherheit) durch die übers Internet transportierten Daten im Blick bleiben sollte.