IM BLICKFELD

Maschinenbau wird mit Elektroautos nur langsam warm

Von Daniel Schauber, Berlin Börsen-Zeitung, 18.10.2017 Der Trend zum Elektroauto wirft die deutschen Maschinenbauer in ein Wechselbad der Gefühle. Wenn Verbrennungsmotor und Getriebe verschwinden und die Zahl der beweglichen Teile von 2 000 auf 600...

Maschinenbau wird mit Elektroautos nur langsam warm

Von Daniel Schauber, BerlinDer Trend zum Elektroauto wirft die deutschen Maschinenbauer in ein Wechselbad der Gefühle. Wenn Verbrennungsmotor und Getriebe verschwinden und die Zahl der beweglichen Teile von 2 000 auf 600 pro Fahrzeug schrumpft, wird die Welt für viele der deutschen Mittelständler weniger rosig aussehen.Dass viele Maschinenbauer mit der Zukunftstechnik nur langsam warm werden, war beim Gala-Empfang zum 125-jährigen Bestehen des Branchenverbands VDMA in Berlin zum Wochenauftakt zu spüren. Die Maschinenbauer hängen nicht nur geschäftlich am Verbrennungsmotor, sondern so mancher der knorrigen Unternehmer offenbar auch emotional. Dass der althergebrachte Motor nach dem Dieselskandal angeblich zu Unrecht verunglimpft wird, stört viele von ihnen.Von Fahrverboten für Verbrenner und festgelegten Quoten für Elektroautos hält man bei den Maschinenbauern genauso wenig wie bei den großen deutschen Autoproduzenten, an deren Tropf viele der Mittelständler hängen. Man setzt stattdessen auf “Technologieoffenheit” – mit anderen Worten: Die Politik soll sich nicht so stark in Details einmischen und die Industrie selbst entscheiden lassen, wie sie die Emissionsziele schafft. Das sieht auch VDMA-Präsident Carl Martin Welcker so, der am Dienstag vor der Presse in Berlin sagte: “Die Pariser Klimaziele werden nur mit Technologieoffenheit erreicht. Die besten und geeignetsten Technologien müssen sich am Markt bewähren können.”Welcker räumte zwar ein, dass Elektromobilität und E-Fuels zu den schadstoffreduzierenden Technologien gehörten. Aber Mobilität umfasse viel mehr, “denken Sie an die Schifffahrt, den Flugverkehr oder Schwerlasttransporte”. Viele Antriebstechnologien seien auf absehbare Zeit batteriegetrieben noch nicht wirtschaftlich darstellbar. “Deshalb müssen wir auch weiterhin an der Verbesserung des Verbrennungsmotors arbeiten, statt ihn verbieten zu wollen”, sagte Welcker, der im Hauptberuf alleiniger Geschäftsführer und Gesellschafter des Maschinenbauers Schütte ist. Dieser hängt mit seinen Mehrspindeldrehautomaten, mit denen auch Zündkerzen gefertigt werden, auch am Verbrennungsmotor.Dass sich die Begeisterung für E-Mobilität hierzulande in Grenzen hält, könnte auch daher kommen, dass die Musik bei dem Thema längst abseits von Deutschland spielt. Unter den Herstellern elektrisiert Tesla aus den USA die Kunden mit ihren Produkten am meisten, die Norweger haben die stärkste Durchdringung mit Stromautos erreicht und die Chinesen, die wenig Kompetenz bei Otto- und Dieselmotoren haben und auch aus industriepolitischen Gründen stark auf E-Autos setzen, werden wohl mittelfristig die größten Stückzahlen produzieren (siehe Grafiken). Die Batterietechnik dominieren Ostasiaten. Und außerdem ist der Markt für Elektrofahrzeuge noch winzig: Im Jahr 2016 lag der Anteil an den Neuzulassungen weltweit nur bei 0,2 %.Trotzdem treibt das Thema Elektromobilität die Maschinenbauer um. Das wurde auf dem Maschinenbau-Gipfel in Berlin deutlich. In einer Schnellumfrage wurde auf dem Branchentreffen ermittelt, dass 33 % der Teilnehmer die eigenen Produkte direkt und 42 % indirekt betroffen sehen vom Wandel der Antriebstechnologie. Nur 25 % der 127 Umfrage-Teilnehmer sehen keine Auswirkungen auf sich.Der Autozulieferer Mahle gehört zweifellos zur Gruppe derer, für die die Anpassung an die Technologiewende überlebensnotwendig ist. “Dass die Transformation kommt, ist klar. Aber keiner weiß, wann”, sagt Wolf-Henning Scheider, CEO des Stuttgarter Kolbenherstellers. Mahle geht im Basisszenario davon aus, dass bis 2030 rund 34 % auf Elektromobilität weltweit entfallen. Im Extremszenario (Scheider: “Wir glauben nicht daran, aber wir bereiten uns auch darauf vor”) läge die Quote bei 67 %.Vor sieben Jahren sei Mahle noch zu 100 % abhängig vom Verbrennungsmotor gewesen, inzwischen sei man deutlich unabhängiger von der alten Technik. Solange es geht, wollen die Stuttgarter das Geschäft verteidigen. Derzeit machten allein Kolben ein Zehntel des Geschäfts aus. “Der letzte Kolben, der verkauft wird, kommt von Mahle”, sagte Scheider halb trotzig, halb im Scherz. Unterdessen, so fügte er schmunzelnd hinzu, habe er aus Zuffenhausen und Maranello gehört, dass man dort schwöre, die letzten Verbrenner zu bauen.”Wie umweltschonend sind Elektrofahrzeuge wirklich, inklusive Herstellung von Kraftstoffen, Batterien und des gesamten Fahrzeugs?”, fragte der Mahle-Chef rhetorisch und gab Folgendes zu bedenken: Bei großen Elektrofahrzeugen mit 75-Kilowattstunden-Batterie, wie sie etwa Tesla fertigt, sei die CO2-Bilanz erst nach knapp 8 Jahren besser als beim Verbrenner. Auf Feinstoffbelastung und giftige Gase von Verbrennern ging der Manager nicht ein. Bei einem kleinen Elektroauto mit 20-Kilowattstunden-Batterie sei aber schon nach zwei Jahren der Elektromotor in der CO2-Bilanz gegenüber dem Verbrenner im Vorteil, wenn man mit dem aktuellen Strommix rechne. Deshalb setze Mahle auf kleine Elektrofahrzeuge. Daneben glaube Mahle weiter an hocheffiziente Verbrennungsmotoren. Für sie gebe es in Schwellenländern wie Indien und Brasilien noch eine große Zukunft.