MDax-Konzerne hinken beim Kodex hinterher

Center for Corporate Governance in Leipzig bescheinigt großen Firmen hohe Akzeptanz der Regeln - Schlusslicht Heidelberg Cement

MDax-Konzerne hinken beim Kodex hinterher

Zehn Jahre, nachdem der Deutsche Corporate Governance Kodex aus der Taufe gehoben wurde, zeigt sich eine hohe Akzeptanz des Regelwerks für gute Unternehmensführung. Nach einer Studie des Center for Corporate Governance an der Handelshochschule Leipzig erfüllen die großen Konzerne die Kodexempfehlungen mit wenigen Ausnahmen. Mustergültig sind vor allem große Firmenmit hohem Streubesitz.Von Sabine Wadewitz, FrankfurtNach der jüngsten Analyse des Center for Corporate Governance ist die Akzeptanzquote für den Kodex im Dax weiter gestiegen. Die Blue-Chip-Unternehmen erfüllten im Durchschnitt 98,1 % der Empfehlungen des Regelwerks – dies ist ein leichter Anstieg (vgl. Grafik). Im MDax ist die Quote 2012 allerdings im Vergleich zum Vorjahr von 96,3 auf 95,5 % rückläufig.Während viele Gesellschaften Entsprechensquoten von 100 % aufweisen, lehnt nur eine Minderheit von 6,6 % der Unternehmen mehr als 10 % der Kodexempfehlungen ab.Die Studie des Center for Corporate Governance an der Handelshochschule Leipzig hat die bis März 2012 veröffentlichten Entsprechenserklärungen der größten börsennotierten Gesellschaften zum Kodex ausgewertet. Corporate Governance und Unternehmensperformance sind die Forschungsschwerpunkte des Center for Corporate Governance, das von DWS Investments, Bertelsmann Business Consulting und KPMG gesponsert wird.Ein Drittel der Dax 30-Gesellschaften hat den Kodex unterdessen der Studie zufolge vollständig erfüllt, zeigt also eine Entsprechensquote von 100 %. Im Jahr 2010 habe dieser Anteil lediglich 18 % erreicht. Im Dax 30 seien es nun BASF, BMW, Deutsche Post, Deutsche Telekom, Infineon, Linde, MAN, Metro, Münchner Rück und ThyssenKrupp. Im MDax liege diese Quote mit 11 % deutlich niedriger. Bei 100 % sind Leoni, Rheinmetall, Vossloh, Symrise und Brenntag. Die MDax-Quote habe sich verglichen mit dem Vorjahreswert von 21 % nahezu halbiert. ElringKlinger unterm SchnittEinige Unternehmen weichen deutlich vom Durchschnitt ab. Schlusslicht mit der niedrigsten Entsprechensquote im Dax 30 ist laut Studie der Baustoffkonzern Heidelberg Cement (94 %), im MDax der Zulieferer ElringKlinger (83 %). Heidelberg Cement weicht zum Beispiel vom Kodex ab, indem ein Teil der Vorstandsverträge – noch – keine Begrenzung für Abfindungen vorsieht, die bei vorzeitigem Ausscheiden ohne wichtigen Grund bzw. infolge eines Kontrollwechsels gezahlt werden. Dies begründet der Aufsichtsrat mit dem Bestandsschutz; bei künftigen Neuabschlüssen und Vertragsverlängerungen will sich das Unternehmen an den Kodex halten. Heidelberg Cement weicht auch in dem Punkt ab, dass der Aufsichtsratsvorsitzende nicht den Vorsitz im Personalausschuss hat, was mit der Aktionärsstruktur begründet wird. Auch nennt der Aufsichtsrat keine konkreten Zielsetzungen und Quoten für seine Zusammensetzung und legt den Anteilsbesitz von Mitgliedern des Gremiums nicht offen.Nach Erkenntnissen der Studie spielen sich die Abweichungen generell insbesondere in den Passagen des Kodex ab, die sich um Vorstand und Aufsichtsrat drehen. Abgelehnt werden insbesondere Empfehlungen zum Selbstbehalt bei der Managerhaftpflicht, der D & O-Versicherung, was Konzerne oft mit internationalen Usancen begründen. Nicht oder noch nicht goutiert wird oft auch ein Abfindungs-Cap in Vorstandsverträgen, die individualisierte Offenlegung der Vergütung, eine variable Aufsichtsratsvergütung sowie Fragen der Vielfalt im Aufsichtsrat.Die Kodexziffer zur Aufsichtsratsvergütung weise mit einer Entsprechensquote von 61,3 % die höchste Abweichungsquote über alle Firmen auf. Nachdem zahlreiche Konzerne eine reine Festvergütung für die Mitglieder des Kontrollgremiums bevorzugen, will die Kodex-Kommission künftig mehr Freiraum lassen und eine variable, erfolgsabhängige Entlohnung zusätzlich zum Fixum auch nicht mehr empfehlen. DetailfragenDie Autoren der Studie, Marc Steffen Rapp (vgl. Interview), Michael Wolff und Christian Kohl, betonen, dass oftmals für die Nichtentsprechung einer Kodexziffer nur eine einzelne Empfehlung missachtet wird. Besonders ausgeprägt sei dies bei der Wahrnehmung der Aktionärsrechte und der D & O-Versicherung. Untersucht wurde auch die Kodex-Akzeptanz in Abhängigkeit von der Unternehmensgröße bzw. der Eignerstruktur. Dabei trat zutage, dass der Kodex in großen Unternehmen und Gesellschaften mit hohem Streubesitz das größte Echo findet.Die Studie lenkt den Blick auch in die Zukunft und analysiert die in den Entsprechenserklärungen gelieferten Erläuterungen hinsichtlich einer zukünftigen Akzeptanz von aktuell nicht erfüllten Empfehlungen. Die Gesellschaften prognostizierten bei 18 % aller Abweichungen Veränderungen dergestalt, dass die entsprechenden Ziffern zukünftig vollständig erfüllt werden oder aber zumindest eine weitere Annäherung stattfinden wird. Anregungen außen vorAuf wenig Transparenz stoßen die bloßen Anregungen des Kodex: Nur 10 % der Dax 30-Gesellschaften und 9 % der MDax-Werte nehmen im Rahmen ihrer jährlichen Entsprechenserklärung Stellung zu den “Sollte- bzw. Kann-Regelungen”.In der Analyse der Ablehnungsgründe werden laut Studie spezifische Eigenheiten erkennbar. Es zeige sich beispielsweise für den Passus “Wahrnehmung von Aktionärsrechten”, dass über alle Unternehmen gesehen die Ablehnung der Ziffer zu 80 % die Unterstützung der Aktionäre bei Briefwahl und die Stimmrechtsvertretung durch die Gesellschaft betrifft. Und hier zeigen sich allein die MDax-Firmen renitent, während diesen Service keine der Dax 30-Gesellschaften ablehnt.Beim Selbstbehalt im Rahmen einer D & O-Versicherung wiederum stoßen vor allem Regelungen für den Aufsichtsrat auf Widerstand.Ursächlich für die Ablehnung der Empfehlungen zur Vorstandsvergütung sind der Untersuchung zufolge primär die Modalitäten des Abfindungs-Caps, gefolgt von Leistungsbegrenzungen anlässlich eines Kontrollwechsels. Altersgrenze stößt auf KritikBei der Kodexziffer “Aufgaben des Aufsichtsrats” entfallen die Hälfte der Ablehnungen auf die Vorgabe einer Altersgrenze und 43 % auf den Satz: “Bei der Zusammensetzung des Vorstands soll der Aufsichtsrat auch auf Vielfalt (Diversity) achten und dabei insbesondere eine angemessene Berücksichtigung von Frauen anstreben.”Schaue man ins Kleingedruckte, sei festzustellen, dass die Unternehmen durchweg erklärten, die Empfehlungen zu den Aufsichtsratsaufgaben grundsätzlich anzuerkennen, sich jedoch nicht durch starre Regeln einengen möchten. Angesichts der im Kodex gewählten Formulierungen, die hier eine hohe Flexibilität erlaubten, erscheine dies durchaus überraschend. Nach Einschätzung der Verfasser der Studie könnte dies ein Fingerzeig dahingehend sein, dass Unternehmen im Zweifel den Wortlaut des Kodex eher restriktiv auslegten.