Megaprojekt Wasserstoffwirtschaft startet

Milliarden-Förderprogramm erreicht auch kleinere Firmen wie SFC Energy - 10 Gigawatt Elektrolysekapazitäten bis 2040 geplant

Megaprojekt Wasserstoffwirtschaft startet

Mit Hilfe von Wind- oder Sonnenstrom erzeugter Wasserstoff gilt als zentraler klimafreundlicher Brennstoff gerade für die Industrie. Vom Milliardenprogramm der Bundesregierung profitieren nicht nur große Konzerne wie Thyssenkrupp oder Daimler, sondern auch kleinere Firmen wie SFC Energy.cru Frankfurt – Einer der vielen kleineren Profiteure der Wasserstoffstrategie des Bundes ist die börsennotierte SFC Energy AG aus Gräfelfing bei München, einer der weltweit ersten profitablen Brennstoffzellenhersteller. Gerade hat das Unternehmen einen Abrufauftrag über Wasserstoff-Brennstoffzellen für das Digitalfunknetzwerk der Behörden (BOSNet) erhalten. Mehr als 100 Mobilfunkstandorte werden nun von Dieselgeneratoren auf die umweltfreundliche Technologie umgerüstet. “Das noch weitaus größere Potenzial sehen wir im Bereich umweltfreundlicher und verlässlicher Stromversorgung für Telekommunikation und kritische Infrastruktur”, sagt SFC-Energy-Chef Peter Podesser.Mit Hilfe von Wind- oder Sonnenstrom erzeugter Wasserstoff gilt als zentraler klimafreundlicher Brennstoff gerade für die Industrie. Während bei Autos der direkte elektrische Antrieb favorisiert wird, fehlen klimafreundliche Lösungen für Schwerlaster, die Schifffahrt sowie Chemie- und Stahlindustrie. Klar ist, dass mittelfristig Wasserstoff etwa aus sonnen- und windreichen Gegenden Südeuropas oder Afrikas importiert werden muss. Wind- und Sonnenstrom aus Deutschland werden dies allein nicht leisten können. 100 TWh Bedarf bis 2030Die Bundesregierung sieht bis 2030 einen Wasserstoffbedarf von circa 90 bis 110 Terawattstunden (TWh). “Um einen Teil dieses Bedarfs zu decken, sollen bis zum Jahr 2030 in Deutschland Erzeugungsanlagen von bis zu 5 Gigawatt (GW) Gesamtleistung einschließlich der dafür erforderlichen Offshore- und Onshore-Energiegewinnung entstehen”, heißt es in der Wasserstoffstrategie. Dies entspreche einer grünen Wasserstoffproduktion von bis zu 14 TWh und einer benötigten erneuerbaren Strommenge von bis zu 20 TWh.Deutschland setzt wegen des Klimaschutzes vor allem auf grünen Strom aus Wind und Sonne. Dieser lässt sich in Autos bereits vergleichsweise effektiv einsetzen. Weit schwieriger ist dies in der Industrie: Brennstoffe wie Öl, Koks oder Gas sollen daher in der Stahl-, Chemie- oder Zementproduktion durch Wasserstoff ersetzt werden. Ähnliches gilt für den Schiffs-, Flug- und Schwerlastverkehr, der nur schwer elektrisch betrieben werden kann.Dabei soll sichergestellt werden, dass die durch die Elektrolyseanlagen induzierte Nachfrage nach Strom im Ergebnis nicht zur Erhöhung der CO2-Emissionen führt. “Im Monitoring der nationalen Wasserstoffstrategie wird die Bundesregierung zudem die Bedarfsentwicklung für grünen Wasserstoff detailliert erfassen”, heißt es in der Wasserstoffstrategie. Für den Zeitraum bis 2035 werden nach Möglichkeit weitere 5 GW zugebaut, spätestens bis 2040.Bisher beschränkt sich die geringe Wasserstoffproduktion auf eine wenig klimafreundliche Erzeugung mit Erdgas. Jetzt soll ohne CO2-Ausstoß vor allem mit grünem Strom eine industrielle Elektrolysekapazität aufgebaut werden. Auch damit werden wohl nicht einmal 20 % des Bedarfs gedeckt werden können. Große Mengen müssen also importiert werden, weshalb man Projekte im europäischen Ausland oder auch in Afrika fördern will.Die EU insgesamt verfügt über einige ertragreiche Standorte für Strom aus erneuerbaren Energien und damit auch ein großes Erzeugungspotenzial für grünen Wasserstoff. “Die Bundesregierung wird sich dafür einsetzen, dieses Potenzial zu erschließen und weitere Erzeugungskapazitäten aufzubauen”, heißt es im Strategiepapier. “Dazu wird sie die Zusammenarbeit mit anderen EU-Mitgliedstaaten intensivieren, insbesondere im Bereich der Nord- und Ostsee, aber auch in Südeuropa.” Dabei komme unter anderem der Offshore-Windenergienutzung eine besondere Rolle zu. Die Bundesregierung will gemeinsam mit den Anrainerstaaten der Nord- und Ostsee die Wasserstoffproduktion mithilfe eines verlässlichen Regulierungsrahmens für Offshore-Windenergie forcieren.Wasserstoff soll auch zur Reduzierung des CO2 aus dem Verkehr beitragen. “Es braucht Elektromobilität, Wasserstoff und Brennstoffzelle sowie alternative Kraftstoffe im Straßenverkehr mit Pkw und Lkw, da dort aktuell rund 95 % der Verkehrsemissionen entstehen”, sagt die Leiterin der AG 2 der Nationalen Plattform Zukunft der Mobilität, Prof. Dr. Barbara Lenz vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt. Grün ist teurerDoch gerade grüner Wasserstoff ist deutlich teurer als fossile Brennstoffe. Daher plant oder prüft die Regierung eine Reihe Instrumente, um die Produktion in Schwung zu bringen: So soll die Umlage zur Ökostrom-Förderung auf den eingesetzten Strom entfallen. Auch Ausschreibungen werden geprüft. Dabei kommen solche Produzenten zum Zuge, die die geringsten Subventionen verlangen. Dazu kommen Investitionszuschüsse. Um auf der anderen Seite auch die Nachfrage anzuheizen, will man sich höhere Ziele als die EU beim Einsatz von Wasserstoff und anderen Erneuerbaren in den Kraftstoffen setzen. Eine Quote von mindestens 2 % Beimischung im Flugbenzin bis 2030 “erscheint grundsätzlich sinnvoll”, heißt es im Konzept. Eine Nachfragequote für mit Wasserstoff erzeugten grünen Stahl soll auch auf EU-Ebene geprüft werden.Die Herstellung der Komponenten für die Erzeugung und Nutzung sowie die Versorgung von Wasserstoff soll zur regionalen Wertschöpfung beitragen und die in diesen Bereichen tätigen Unternehmen stärken. “Damit dies gelingt, wird bei der Umsetzung der Wasserstoffstrategie und insbesondere bei Fördermaßnahmen darauf geachtet, dass alle Regionen Deutschlands von den neuen Wertschöpfungspotenzialen der Wasserstoffwirtschaft profitieren”, kündigt das Strategiepapier an. Die Beförderung des Markthochlaufs von Wasserstofftechnologien leiste auch einen “wichtigen Beitrag bei der Bewältigung der wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie” und lege einen “weiteren Grundstein” für eine nachhaltige Ausrichtung der deutschen Wirtschaft.Als Pilotprojekte werden sogenannte “Carbon Contracts for Difference (CFD)” vergeben. Diese Zertifikate sollen höhere Kosten beim Einsatz von Wasserstoff vor allem in der Chemie- oder Stahlindustrie teilweise ausgleichen. Abgezogen werden dabei die Kosten für die Rechte zum CO2-Ausstoß, die die Betriebe sonst hätten kaufen müssen.Die Bundesregierung will über die im Klimapaket beschlossenen Maßnahmen hinaus Reformen der staatlich induzierten Preisbestandteile prüfen und gleichzeitig die CO2-Bepreisung weiter als zentrales Leitinstrument etablieren. “Diese Prüfung wird auch die Frage umfassen, ob zur Herstellung von grünem Wasserstoff verwendeter Strom weitgehend von Steuern, Abgaben und Umlagen befreit werden kann.” Insbesondere strebe man die Befreiung der Produktion von grünem Wasserstoff von der EEG-Umlage an. Man werde dabei sicherstellen, dass dadurch die EEG-Umlage nicht steigt.Zwischen den Ministerien waren mehrere Kernfragen strittig, die mit Kompromissen gelöst wurden: So soll zwar in Deutschland nur grüner Wasserstoff gefördert werden, was BASF enttäuscht hat. Bei Importen könne aber auch CO2-neutraler Wasserstoff genutzt werden. Das heißt, wenn das etwa durch den Einsatz von Erdgas freigewordene CO2 unterirdisch gespeichert wird. Geld für ElektrolyseureIn der Industrie unterstützt das Förderprogramm unter anderem im Rahmen des Innovationspakts Klimaschutz auch die Umstellung auf Wasserstoff mit einer Förderung für Elektrolyseure ab 2020. “Auch Ausschreibungsmodelle für die Herstellung von grünem Wasserstoff, zum Beispiel zur Dekarbonisierung der Stahl- und Chemieindustrie, werden geprüft.” Sofern erforderlich werden dafür die Mittel des Nationalen Dekarbonisierungsprogramms entsprechend aufgestockt.Vonseiten der SPD und des Finanzministeriums wurde zudem eine höhere Elektrolyseleistung als Ziel gefordert. Dagegen wurde argumentiert, dass erneuerbarer Strom in Deutschland knapp ist und besser zunächst für direkten Einsatz etwa in Autos genutzt werden solle.Eine zeitnahe und ambitionierte Umsetzung der EU-Erneuerbare-Energien-Richtlinie (RED II) soll den Einsatz von grünem Wasserstoff bei der Kraftstoffherstellung und als Alternative zu konventionellen Kraftstoffen ab 2020 verankern. “Wesentliche Hebel sind hier: Eine ambitionierte THG-Quote steigert den Anteil für erneuerbare Energien im Verkehr und kann in Kombination mit spezifischen Maßnahmen Anreize für Wasserstoff oder dessen Folgeprodukte als Kraftstoffalternativen im Verkehr schaffen.” Die Bundesregierung setzt sich daher zum Ziel, den Mindestanteil erneuerbarer Energie am Endenergieverbrauch des Verkehrssektors im Jahr 2030 signifikant über die EU-Vorgaben hinaus zu erhöhen.Das Umweltressort wollte zudem, dass Wasserstoff in erster Linie für Industrie sowie Schwer- und Luftverkehr reserviert wird. Im Konzept heißt es jetzt auf erhebliches Drängen von Wirtschafts- und Verkehrsministerium: “Auch in bestimmten Bereichen bei Pkw kann der Einsatz von Wasserstoff eine Alternative sein.”