Mehr Kapitalspritzen für Start-ups

Gesamtvolumen der Finanzierungsrunden für deutsche Jungunternehmen nimmt jedoch ab

Mehr Kapitalspritzen für Start-ups

Wagniskapitalgeber unterstützen mehr verschiedene deutsche Start-ups als bisher, aber die insgesamt investierte Summe geht zurück. Die Investoren achten jetzt laut Beratungsunternehmen EY mehr auf Qualität, die Bewertungen rücken sich zurecht, einige Hype-Themen sind in der Realität angekommen. cru Frankfurt – Trotz der Coronakrise sind im ersten Halbjahr 2020 mehr Start-ups in Deutschland finanziert worden, die investierte Summe ist jedoch gesunken. Die Zahl der Finanzierungsrunden sei um 8 % auf 360 gestiegen, geht aus dem am Montag veröffentlichten Start-up-Barometer der Beratungsgesellschaft EY hervor. Das Investitionsvolumen sank im Vergleich jedoch um mehr als ein Fünftel auf 2,2 Mrd. Euro.So gab es kaum größere Transaktionen. Der größte Deal in Deutschland war eine Finanzspritze von 218 Mill. Euro für den Münchner Flugtaxi-Entwickler Lilium im März, die im Juni auf fast 250 Mill. Euro erweitert wurde. An zweiter Stelle steht eine 195-Mill.-Euro-Finanzierung für den Berliner Verleiher von Technikgeräten Grover, die schon im Januar über die Bühne ging. Die drittgrößte Transaktion konnte die Smartphone-Bank N26 vermelden, die im Mai 91 Mill. Euro erhielt.”Es gibt eindeutig einen Corona-Effekt bei den Risikokapitalinvestitionen. Die offensichtlichste Entwicklung ist der starke Rückgang bei sehr großen Deals”, sagte EY-Partner Thomas Prüver. Im ersten Halbjahr 2019 war das gesamte Investitionsvolumen noch mehr als 600 Mill. Euro höher. Gleichzeitig gab es allerdings mehr kleine Transaktionen. Damit falle der Corona-Effekt weniger stark aus als befürchtet.Die Zahl der Transaktionen mit einem Volumen von mehr als 100 Mill. Euro sei im Vergleich zum Vorjahreszeitraum von sieben auf zwei zurückgegangen. “Die Investoren sind eindeutig vorsichtiger geworden”, sagte Prüver. Dies könne sich in den kommenden Monaten zeigen. “Sie achten jetzt mehr auf Qualität, die Bewertungen rücken sich zurecht, einige Hype-Themen sind in der Realität angekommen – das muss keine schlechte Entwicklung sein.” Tech schlägt FintechIn der Krise veränderten sich auch die Investitionsschwerpunkte. Während Technologie- und Gesundheits-Start-ups in den Fokus rückten, ging das Interesse an Fintechs und Jungfirmen aus dem Mobilitätsbereich zurück: Im Mobilitätssegment ging das Finanzierungsvolumen um 34 % auf 434 Mill. Euro zurück, bei jungen Finanzunternehmen gab es sogar einen Rückgang um 55 % auf 313 Mill. Euro. Auf der anderen Seite konnte der Bereich Software & Analytics kräftig zulegen – um 12 % auf 112 Transaktionen und um 30 % auf 501 Mill. Euro.Zwar konnte Berlin im Halbjahr die Position als Deutschlands führender Start-up-Standort behaupten, allerdings verringerte Bayern den Abstand zur Hauptstadt deutlich. Während in der Hauptstadt die Finanzierungen für junge Unternehmen auf 149 angestiegen seien, sei das Investitionsvolumen um rund die Hälfte auf 1,1 Mrd. Euro eingebrochen. In Bayern hingegen sei die Anzahl der Finanzspritzen um 60 % auf 83 geklettert und das Investitionsvolumen von 204 auf 773 Mill. Euro gewachsen. Damit bleibe Berlin zwar Deutschlands Start-up-Hauptstadt, der Freistaat habe jedoch deutlich aufgeholt. “München bildet sich als zweiter großer Start-up-Standort heraus”, sagte Start-up-Experte Prüver. In anderen Bundesländern sehe die Lage nicht so rosig aus: Sowohl in Nordrhein-Westfalen als auch in Baden-Württemberg und Hamburg sei die Anzahl der Finanzierungen wie auch die investierte Geldmenge deutlich eingebrochen.Nach einem starken Jahresauftakt ist die Zahl der Finanzierungen im Verlauf spürbar gesunken: von 90 im Januar über 49 im März auf 34 im Juni. “Deals werden nicht von heute auf morgen umgesetzt, sondern erfordern eine ausführliche Vorbereitung und daher einen gewissen zeitlichen Vorlauf”, betont Prüver. “Transaktionen, die in der Vor-Corona-Zeit in Angriff genommen wurden, sind zum großen Teil auch abgeschlossen; nur relativ wenige Deals wurden abgesagt. Die mittelfristigen Folgen der Krise werden wir erst in den kommenden Monaten sehen. Dann zeigt sich, in welchem Umfang noch neue Transaktionen gestartet und zum Abschluss gebracht werden. Fest steht aber schon jetzt: Die Investoren sind eindeutig vorsichtiger geworden.” Die Analyse zeigt aber auch, dass große Transaktionen nach wie vor möglich sind: Im Juni wurden zwar nur 34 Transaktionen angekündigt, deren Gesamtvolumen lag aber immerhin bei 373 Mill. Euro. “Der Markt befindet sich im Umbruch – aber nicht in Schockstarre”, sagt Prüver. “Herausragende Geschäftsideen stoßen bei den Investoren nach wie vor auf großes Interesse. Zwar dürften Corporates angesichts der Wirtschaftslage vorübergehend weniger Geld in Jungunternehmen stecken. Aber die Risikokapitalgeber verfügen nach wie vor über erhebliche liquide Mittel, die angelegt werden wollen.”