Merck schlägt für 17 Mrd. Dollar in den USA zu
Die Darmstädter Merck steht vor der größten Übernahme der 340-jährigen Firmengeschichte. Akquiriert wird für 17 Mrd. Dollar der US-Konzern Sigma-Aldrich. Aus der Zusammenführung entstehe einer der führenden Anbieter in der 130 Mrd. Dollar schweren Life-Science-Industrie. Es ist die bisher größte M&A-Transaktion eines deutschen Unternehmens in diesem Jahr. Investoren finden den Deal gut, eine Kapitalerhöhung ist nicht vorgesehen. Die Aktie zog an die Dax-Spitze.wb Frankfurt – Nur wenige Tage nachdem Bayer angekündigt hatte, sich auf Life Sciences zu konzentrieren, schlägt Merck-Chef Karl-Ludwig Kley auf diesem Gebiet in den USA zu. Das Darmstädter Familienunternehmen kauft für 17 Mrd. Dollar (13,1 Mrd. Euro) in bar den LifeScience-Spezialisten Sigma-Aldrich und verdoppelt damit sein Geschäft in der Sparte. Anders als Bayer denkt Merck nicht daran, die Chemie von Pharma/Life Science abzuspalten. Ihre Chemiesparte hatten die Darmstädter gerade erst mit dem Erwerb von AZ Materials gestärkt.Da Kley eine Kapitalerhöhung ausschließt, haussierte die Aktie: Sie legte um bis zu 7,8 % zu und ging mit 72,608 Euro (+ 4,5 %) auf dem bisherigen Hoch aus dem Handel. Der Börsenwert steht damit bei 9,4 Mrd. Euro. 70 % des Kapitals sind nicht notiert und liegen bei der Familie.Der Dax-Konzern zahlt 140 Dollar je Sigma-Aldrich-Aktie. Merck erhofft sich von der Übernahme eine Stärkung der 2010 erworbenen US-Gruppe Millipore über Größen- und Einspareffekte von 260 Mill. Euro pro Jahr, die sich innerhalb von drei Jahren realisieren sollen. Der Preis von 140 Dollar je Aktie entspricht einem Aufschlag von 37 % auf den Schlusskurs am 19. September und einer Prämie von 36 % auf den durchschnittlichen Schlusskurs des vorherigen Monats. Die Transaktion soll sich sofort positiv auf das Ergebnis je Aktie vor Sondereinflüssen und die operative Marge auswirken. Starke DistributionLife Science soll künftig 40 % des Gruppenumsatzes ausmachen. Sigma-Aldrich gilt vor allem in der Distribution als stark, so dass Merck nun die ganze Wertschöpfungskette abdecke. Bezahlt wird das 5,9fache des für 2014 erwarteten Sigma-Umsatzes und 19,4-mal das prognostizierte operative Ergebnis (Ebitda). Inklusive Synergien sinke das Übernahme-Multiple auf 13,9. Da Sigma-Aldrich eine Nettocashposition von 360 Mill. Euro mitbringt, liegt der Unternehmenswert bei 12,7 Mrd. Euro.Merck hat sich bei Deutscher Bank, J.P. Morgan und Société Générale die Brückenfinanzierung gesichert. Die Deutsche Bank hatte erst am Freitag die Concur-Übernahme von SAP mit 7,3 Mrd. Dollar gesichert. Merck setzt auf eine Kombination von bestehenden Barmitteln, Bankkrediten und Anleihen. Die Finanzierungskosten sollen zwischen 2,5 % und 3 % liegen. Aus dem Cash-flow sollen die Schulden rasch reduziert werden. Obwohl Merck gerade 2 Mrd. Euro für AZ Electronics gezahlt hat, soll es keine Kapitalerhöhung geben.Merck wolle ein “solides Investment-Grade-Rating” behalten, betont Finanzchef Marcus Kuhnert, er rechnet aber mit einem Downgrade. Bisher wird die Bonität von S & P mit “A” und von Moody’s mit “A3″ eingestuft. Beide Agenturen gaben einen stabilen Ausblick. Sollte Merck von der Transaktion zurücktreten, müssten die Darmstädter laut Sigma-Aldrich bis zu 934 Mill. Dollar als Entschädigung nach St. Louis im Bundesstaat Missouri überweisen.Die Amerikaner produzieren und vertreiben Chemikalien, Biochemikalien und andere Produkte für Forschung, Entwicklung, Analytik und industrielle Märkte. Gut 9 000 Beschäftigte sorgten 2013 für einen Umsatz von 2,7 Mrd. Dollar. Größte Anteilseigener sind State Farm Insurance Companies mit 11,8 %, Vanguard mit 8,1 % und Stae Street mit 5,2 %. Guggenheim Securities und J.P. Morgan beraten Merck. Rechtlich ist Skadden, Arps, Slate, Meagher & Flom tätig. Morgan Stanley ist von Sigma mandatiert, die auf den Rechtsrat von Sidley Austin setzt.”Diese Transaktion markiert einen Meilenstein in unserem Transformationsprogramm, das darauf abzielt, unsere drei Geschäfte in den nächsten Jahren zu starken Wachstumsplattformen auszubauen”, sagte Kley. Für Life Science sei die Übernahme ein Quantensprung. “In einer globalen Schlüsselindustrie haben sich zwei Unternehmen gefunden, die perfekt zueinander passen und den Kunden in Forschung und Wissenschaft, Pharma- und Biopharmaherstellung, Diagnostik und Testlabors ein sehr viel breiteres Produktangebot anbieten können.”Auf Basis der Kennzahlen für 2013 würde der Umsatz des zusammengeführten Life-Science-Geschäfts um 79 % auf 4,7 Mrd Euro klettern. Das Ebitda vor Sondereinflüssen würde sich mit 139 % mehr als verdoppeln auf 1,5 Mrd Euro. Auf Konzernebene steigt der Umsatz um 19 % und das Ebitda um 24 %. Die Ebitda-Marge vor Sondereinflüssen des Konzerns würde von 30 % auf etwa 33 % inklusive der zu erwartenden Synergien steigen. Millipore komme bisher auf 25 %, Sigma-Aldrich auf 30 %.Die Führung von Sigma stimmt der Transaktion zu, heißt es weiter. Den Aktionären soll die Vereinbarung zum Zusammenschluss auf einer ao. Hauptversammlung vorgelegt werden. Die Transaktion werde von Merck KG einschließlich des Gesellschafterrats voll unterstützt. Eine Zustimmung der Aktionäre sei nicht erforderlich. Der Vollzug wird für Mitte nächsten Jahres erwartet.