IM INTERVIEW: MARCUS KUHNERT

Merck steht zu US-Investitionsplänen

Der Finanzchef über den Wechsel im Weißen Haus, den Ergebnisausblick und das Ratingmandat für Scope

Merck steht zu US-Investitionsplänen

Für das Pharma- und Chemieunternehmen Merck sind die USA ein wichtiger Standort. Die Wahl von Donald Trump zum neuen Präsidenten gibt dem Konzern keinen Anlass, Investitionsentscheidungen zu überdenken, wie Finanzchef Marcus Kuhnert im Interview erläutert.- Herr Kuhnert, Merck erhöht die Ergebnisprognose für 2016. Die Anhebung resultiert überwiegend aus der Auflösung von Rückstellungen sowie niedrigeren Forschungs- und Entwicklungskosten. Im operativen Geschäft allein ist die Zuversicht also im dritten Quartal nicht gewachsen?Operativ hat sich unser Geschäft seit dem letzten Guidance-Upgrade im August im Rahmen der Erwartungen entwickelt. Die Anhebung der Prognose resultiert aus der Auflösung der Rückstellung und der Erkenntnis, dass wir zu Beginn des Jahres bei der Kostenschätzung für Forschung und Entwicklung etwas zu konservativ unterwegs waren.- Kann man schon absehen, wo die Forschungs- und Entwicklungskosten am Jahresende landen?Wir haben die Prognose immer noch in einer Spannbreite von 150 Mill. Euro gelassen. Wir gehen davon aus, dass die F & E-Kosten leicht über Vorjahr liegen werden.- Wenn man sich an die Aussagen vom Kapitalmarkttag Mitte Oktober erinnert, dürfte die Entlastung bei den F & E-Kosten in diesem Jahr ein Luftholen für das nächste Jahr sein?Wir gehen weiterhin davon aus, dass die Forschungs- und Entwicklungskosten 2017 über dem Niveau von 2016 liegen werden. Die Planungsdiskussionen sind aber noch nicht abgeschlossen.- In der jungen Sparte Life Science ist die operative Marge im dritten Quartal auf 30,5 % gestiegen. Sind 30 % auch im Gesamtjahr machbar?Die Marge dürfte auch im Gesamtjahr auf einem Niveau von um die 30 % ankommen. Im Halbjahr lagen wir noch darunter, doch die Synergien aus dem Kauf von Sigma-Aldrich bauen sich weiter auf.- Der Clinton-Abschlag ist nach der US-Wahl aus der Aktie. Sind die Republikaner wirklich pharmafreundlicher als die Demokraten?Wir wissen es nicht. Die Clinton-Administration hatte schon in den neunziger Jahren beim Thema Pharmapreise einen relativ strikten Kurs gefahren. Bei einem Wahlsieg von Hillary Clinton hätte das Thema womöglich bei ihr weit oben auf der Agenda gestanden. Tendenziell scheuen die Republikaner ja eher davor zurück, in Marktmechanismen einzugreifen.- Stellen Sie sich auf einen stärkeren Protektionismus der USA ein? Merck ist ja dort stark vertreten.Die USA sind ein sehr wichtiges Land für uns. Merck erzielt rund ein Viertel des Umsatzes dort und hat ein Fünftel der Mitarbeiter in dem Markt. Es ist der größte Pharmamarkt der Welt. Wenn die USA sehr protektionistisch werden würden, wäre das nicht gut für die Weltwirtschaft und auch nicht für uns. Das muss man abwarten. Es wäre ja auch nicht im Interesse der USA, sich von Handelspartnern abzuschotten.- Überdenken Sie Investitionsentscheidungen in den USA?Klares Nein. Erst kürzlich haben wir ja bekannt gegeben, dass wir bei Boston für 115 Mill. Dollar ein Exzellenzzentrum für unser nordamerikanisches Life-Science-Geschäft bauen, das im nächsten Jahr fertiggestellt werden soll. Wir haben momentan keinen Grund zu glauben, dass sich Dinge fundamental zum Negativen verändern.- Zurück zum Quartal. Die Nettoverschuldung ist um 1 Mrd. Euro reduziert. Dem stehen jedoch deutlich gestiegene Pensionsrückstellungen gegenüber. Müssten Sie das nicht in der Nettoverschuldung berücksichtigen?In unserer Definition der Nettoverschuldung sind die Pensionsrückstellungen nicht enthalten. Das deckt sich mit der Sichtweise der Ratingagenturen. Die Pensionsschulden würden allenfalls stärker in den Fokus rücken, wenn Merck im operativen Geschäft in eine Krise geriete oder maßlos akquirieren würde.- Stichwort Rating. Mit Scope haben Sie jetzt die dritte Agentur an Bord geholt. Nun haben Sie auch drei Einstufungen in unterschiedlicher Höhe.Die liegen aber nicht weit auseinander.- Ist der Bondgläubiger denn jetzt schlauer?Mit der Mandatierung von Scope wollen auch wir ein Signal setzen. Man kann nicht nur bemängeln – wie nach der Finanzkrise -, dass wenige angloamerikanische Ratingagenturen den Markt dominieren. Nun haben wir die Chance, einer europäischen Ratingagentur in den Sattel zu helfen und mehr Wettbewerb zu bekommen. Damit wird die europäische Sichtweise auf Rating und Finanzkennzahlen gestärkt. Von daher war die Mandatierung von Scope eine bewusste Entscheidung.- Soll es bei drei Ratingagenturen bleiben?Dabei wird es erst mal bleiben.—-Das Interview führte Sabine Wadewitz.