Merz sucht ihr Heil in der Ästhetik
wb Frankfurt – Das für seine Spezialdragees bekannte Pharmaunternehmen Merz muss dem Konzernumbau Tribut zollen. Hatte der Blockbuster Memantine jahrelang für Wachstum und volle Kassen gesorgt, so sind die Versuche des Frankfurter Familienunternehmens gescheitert, für die Zeit nach dem Patentablauf des Mittels gegen Alzheimer und Demenz einen ähnlichen Umsatzrenner zu entwickeln. Philip Burchard, seit Juli 2012 CEO, richtet die Gruppe nun als Spezialanbieter in den Kerngebieten Ästhetik und Neurotoxine aus. Milliarden-InvestmentFür den Ausbau wurden “aus eigener Kraft” knapp 1 Mrd. Euro in die Hand genommen. Zunächst werde integriert und den beiden Familienstämmen, die Merz paritätisch halten, gezeigt, dass sich diese Strategie des ex- und internen Wachstums auszahlt. Insofern ist nach dem Ende Juni angekündigten 600 Mill. Dollar schweren Erwerb von Ulthera mit großen Deals zunächst Schluss. Ulthera biete die erste und einzige von der US-Behörde FDA zugelassene Ultraschall-Therapie zum Lifting von Augenbrauen, Hals und Dekolleté. Im vorigen Jahr wurden die Schweizer Unternehmen Neocutis (Hautpflege) und Anteis (Spritzen) übernommen. Merz bezeichnet sich als Nummer 3 in dem Gebiet und steht im Wettbewerb mit milliardenschweren US-Riesen wie Allergan, dem Erfinder von Botox, und dem Rivalen Valeant, der Allergan schlucken will, sowie der Nestlé-Tochter Galderma.Dass die Familie verkauft, muss das Management offenbar nicht befürchten. Die vierte Generation der Familie der von Friedrich Merz 1908 gegründeten Firma stehe zum Unternehmen, belasse den weit überwiegenden (aber nicht bezifferten) Teil des Gewinns dort und wolle das Unternehmen an die nächste Generation übergeben. Insofern sei auch die Börse derzeit kein Thema. Aber die nach IFRS berichtende schuldenfreie Merz steht bei hoher Liquidität und einer Eigenkapitalquote von 78 % im Kontakt mit Banken und wäre jederzeit für einen Schritt in Richtung Kapitalmarkt gerüstet. Derzeit aber bestehe auch für eine Anleiheemission kein Anlass.Zwar schaue Merz sich Akquisitionschancen an, doch geht es dabei nicht um weitere große Brocken, sondern darum, sich geografisch breiter aufzustellen und etwa mit Start-ups die Pipeline aufzufüllen.Bei der Bilanzvorlage geht Burchard gar nicht mehr auf die Sparte der OTC-Produkte ein, der er nur mehr regionale Bedeutung zuschreibt. Sie steht indes mit 305 (i.V. 295) Mill. Euro Umsatz für ein größeres Volumen als Aesthetics/Neurotoxins mit 283 Mill nach 231 Mill. Euro. Nach wie vor liegt die Neurologie mit Memantine mit einem Anteil von 41 (46) % im Produktmix vorne. Der Transformation fallen hierzulande im laufenden Turnus etwa 100 Stellen zum Opfer, wobei es auch betriebsbedingte Kündigungen geben werde. Auch in der Forschung werden Stellen gestrichen, nachdem die Versuche fruchtlos blieben, einen Memantine-Nachfolger zu finden.Mit der Ästhetik (bis hin zur plastischen Chirurgie) konzentriere sich Merz auf Geschäfte, bei denen der Arzt, aber nicht die Krankenkasse eingeschaltet ist. Das Marktvolumen beziffert Borchard auf 6 Mrd. Dollar im Jahr und 25 Mrd. Dollar inklusive der ärztlichen Vergütungen. Das Wachstum liege bei 10 % p. a. Die USA stünden für die Hälfte des Weltmarktes. Bei Neurotoxinen gehe es mit Plusraten von 8 % um 2 Mrd. Dollar bei nur wenigen Rivalen.