Mit Bravour
Im wahrsten Sinne des Wortes eine Schnellplatzierung ist RWE am Dienstagabend gelungen. Binnen 20 Minuten soll das Orderbuch für die 61,5 Millionen neuen Aktien – entsprechend 10 % des Grundkapitals – schon voll gewesen sein. Letztlich war die Emission dreifach überzeichnet, brutto wurden 2 Mrd. Euro eingespielt. Sicher, beim Preis musste ein Kursabschlag um fast 5 % akzeptiert werden. Zum Vergleich: Eon hatte im März 2017 bei einer vergleichbaren Transaktion nur einen Discount von 1,6 % verschmerzen müssen. Der Abschlag relativiert sich jedoch, wenn man berücksichtigt, dass RWE zuvor mit 34,24 Euro aus dem Handel gegangen war, dem höchsten Stand seit acht Jahren.Vor Augen muss man sich zudem halten, dass RWE vor wenigen Jahren von einer Kapitalerhöhung nicht zu träumen gewagt hätte. Viele Investoren hatten den behäbig wirkenden Energiekonzern, der von Altlasten erdrückt zu werden drohte, schon abgeschrieben. Zur Kapitalbeschaffung war RWE auf die Abtrennung von Innogy, dem Geschäft mit den Verteilnetzen und den erneuerbaren Energien, angewiesen gewesen.Zwar gehört diese Episode seit dem komplexen Assettausch mit Eon, der erst kürzlich finalisiert wurde, ein für alle Mal der Vergangenheit an. Auf die jetzige Entwicklung hätte aber wohl niemand gewettet. Zweifelsohne war dem Erfolg der Aktienplatzierung auch zuträglich, dass der in der vorigen Woche vorgestellte Halbjahresbericht von RWE überzeugte, zumal die Prognose an den oberen Rande der Spanne verschoben wurde.Mit der Kapitalerhöhung untermauert RWE den Wandel vom klimaschädlichen Kohleverstromer zum nachhaltigen Ökostromerzeuger. Denn das Geld soll vollumfänglich in den Ausbau des Projektgeschäfts mit erneuerbaren Energien fließen. In diesem Geschäft gibt es allerdings zunehmend Konkurrenz. Denn auch die Ölmultis befinden sich inzwischen auf der Suche nach Wegen zur Diversifizierung ihres – absehbar endlichen – Kerngeschäfts. Um den Zuschlag für attraktive Windparkprojekte zu erhalten, ist also nicht nur Expertise gefragt, sondern zunehmend auch tiefe Taschen.Dass die Kapitalerhöhung auf große Nachfrage stieß, spiegelt aber auch den Wandel im Anlageverhalten der Investoren. Mehr denn je kommt es gerade bei langfristigen Aktieninvestments auf Nachhaltigkeitsaspekte an. Erst im Mai hatte sich der weltgrößte Staatsfonds Norges öffentlichkeitswirksam von seinen RWE-Aktien getrennt. Wenn alles nach Plan läuft, könnte Norges dereinst reumütig in den Aktionärskreis zurückkehren.