"Mit Verschuldungsgrad von 5 fühlen wir uns sehr wohl"
– Herr Posnanski, Tele Columbus ist nun seit knapp einem Jahr an der Börse. Hat sich das für das Unternehmen gelohnt?Ich denke, auf jeden Fall. Ohne das IPO würden wir heute nicht da stehen, wo wir stehen. Es war allen in der Branche klar, dass sich einer der kleineren Kabelnetzbetreiber dem Kapitalmarkt öffnen muss, um die notwendige Konsolidierung im Markt einzuleiten.- Was waren die Altlasten?Eine aus der Not heraus geborene Gesellschafter- und Kapitalstruktur durch den “Debt-to-Equity Swap”, die für uns nun endgültig der Vergangenheit angehört. Mit der großen Anzahl der bei uns ehedem engagierten Investoren – von Hedgefonds über Pensionskassen bis hin zu sonstigen Finanzinvestoren – hatten wir keine ausreichende Flexibilität, um Kapitalmaßnahmen anzugehen. Wir hatten in Spitzenzeiten mehr als 100 verschiedene Gesellschaften als Eigentümer. Diese Vielzahl an unterschiedlichen Interessen hätten Sie nie unter einen gemeinsamen Hut bekommen. Eine Konsolidierung im Markt wäre unter diesen Bedingungen nicht möglich gewesen. Es war uns ja nicht einmal möglich, die notwendige 100-prozentige Zustimmung zur Verlängerung von Finanzierungen zu erreichen, weshalb wir mehrfach über den englischen High Court gehen mussten.- Eine ähnliche Situation galt auch für die vergleichbar großen Wettbewerber Primacom und Pepcom.Deswegen war es wichtig, dass wir den Schritt an die Börse gewagt und geschafft haben, um uns zu positionieren und alternative Kapitalgeber zu bekommen, die das Geschäftsmodell besser verstehen. Nur so können wir heute die Chancen des Geschäfts wahrnehmen.- Wie lautet das Geschäftsmodell?Durch die Integration von Primacom und Pepcom und den entsprechend größeren Footprint haben Sie Synergiepotenziale und Skaleneffekte sowohl im Netzbau als auch bei der Finanzierung. Denn dieses Geschäft ist nach wie vor kapitalintensiv. Mit einem Cash-flow von 50 Mill. Euro können Sie nicht die Sprünge machen, die mit 150 Mill. möglich sind. Deutschland hinkt immer noch hinterher beim Netzausbau, der hohe Investitionen erfordert.- Der Netzausbau ist streng genommen aber nicht das Geschäftsmodell, sondern nur das Werkzeug?Richtig. Unser Geschäftsmodell basiert im Wesentlichen darauf, unseren bestehenden Kunden über den Kabelanschluss nicht nur TV, sondern auch Mehrwertdienste wie Premium-TV, Telefonie, Internet oder auch Mobilfunk anzubieten. Dazu brauchen Sie aber ein integriertes, hochleistungsfähiges Kabelnetz.- Mit dem IPO sind Sie die unwilligen alten Eigentümer losgeworden. Was zeichnet die neuen aus?Unsere heutigen Aktionäre haben ein ziemlich klares Verständnis vom Geschäftsmodell. Gerade englische oder amerikanische Investoren kennen den deutschen Kabelmarkt sehr gut und stecken in den Geschäftsmodellen drin – wie wo welches Geld verdient wird und welches Potenzial im Kabelgeschäft steckt und welche Investitionen notwendig sind.- Ihre Aktionäre sind also auch bei Kabel Deutschland engagiert oder engagiert gewesen?Zum Teil waren sie bei Kabel Deutschland und sind bei anderen europäischen Gesellschaften engagiert. In Tele Columbus haben sie eine perfekte Investitionsmöglichkeit gesehen, weil sich an unserem Geschäftsmodell nichts geändert hat.- Wie viele Aktionäre haben Sie heute noch, von den gut 100 ehedem?Mit 40, 50 institutionellen Investoren haben Sie den allergrößten Teil unseres Aktionariats abgedeckt.- Für das Unternehmen hat sich der Börsengang also gelohnt. Aber auch für die Aktionäre? Die mussten inzwischen eine enorme Verwässerung ihres Anteils hinnehmen, und eine Dividende ist nicht in Sicht.Die Verwässerung ist sehr gut angekommen. Meines Wissens nach war unsere Kapitalerhöhung die mit der höchsten Annahmequote in diesem Jahr. Es ist nicht ein Bezugsrecht in den Markt gekommen. Unser Angebot an die bestehenden Aktionäre schien attraktiv gewesen zu sein.- Der Bezugspreis hatte einen Abschlag zum Kurs von über 50 % bei der Kapitalerhöhung, die Sie zur Finanzierung des Kaufs erst von Primacom, dann von Pepcom durchgeführt hatten. Dabei bekamen die Eigentümer für vier alte fünf neue Aktien. Der Aktienkurs war postwendend eingebrochen.Der Kurs gibt bei einer Kapitalerhöhung normalerweise immer nach, weil die bestehenden Investoren eine Verwässerung einpreisen. Unter Einbeziehung der Bezugsrechte war der Abschlag nicht 50 %, sondern 33 %. Es gab Tage, da wurden die Bezugsrechte mit 4 Euro gehandelt. Wenn Sie die auf den Kurs von 8,50 Euro draufrechnen, liegen Sie bei 12,50 Euro. Wir haben unsere Kapitalerhöhung bei 11,40 Euro gestartet – das ist also eine ziemlich gute Entwicklung. Es gab viele Shareholder, die gern mehr Rechte gekauft hätten.- Wie viele Aktionäre sind abgesprungen?Alle größeren Aktionäre sind an Bord geblieben. Einzelne haben nicht voll mitgezogen, weil sie interne Policy-Regeln haben, die ein stärkeres Engagement über bestimmte Beträge hinaus verhindern. Außerdem sind wir mit der Kapitalmaßnahme der breiten Forderung nachgekommen, die Liquidität zu erhöhen. In den vergangenen Tagen nach der Kapitalerhöhung wurden im Schnitt rund 100 000 Aktien am Tag gehandelt, statt 20 000 bis 30 000 zuvor.- So durchgehend positiv, wie Sie die jüngste Maßnahme beschreiben, klingt das, als ob Sie die nächste Kapitalerhöhung schon vorbereiten?Mit dem, was wir in den vergangenen Monaten gemacht haben, sind wir erst einmal gut beschäftigt. Die beiden Gesellschaften müssen bestmöglich, schnellstmöglich integriert werden. Und dann müssen wir uns auch auf unser Geschäft konzentrieren.- Na ja, das fällt ja künftig weniger an. Mit den Akquisitionen hatten Sie angekündigt, Ihr Investitionsbudget ins laufende Geschäft von 110 Mill. auf 80 Mill. Euro einzudampfen.Die 80 Mill. Euro für 2015 beziehen sich auf Tele Columbus ohne unsere beiden Akquisitionen. Wir haben zwei Investmentpfade, die wir gehen wollen: Der eine ist die Modernisierung, die Aufrüstung unseres Netzes. Der läuft unverändert weiter. Unser Ziel zum IPO war, mittelfristig 70 % unserer Haushalte mit einer eigenen Netzebene 3 anzubinden. Diese Ebene brauchen Sie, um als integrierter Kabelnetzbetreiber neben Fernsehen auch Internet, Telefonie oder Pay-TV anzubieten. Die Netzebene 3 sind die Kabel von Einspeisepunkt am Stadtrand bis zur Grundstücksgrenze.- Und hier wird nicht gekürzt, an Geld gespart?Nein. Wo wir vorübergehend etwas kürzer getreten sind, ist das M & A-Geschäft, also der Zukauf kleinerer Kabelgesellschaften und -netze. Es gibt noch sehr viele kleine Netzbetreiber mit 500 bis zu 20 000 Kunden, von denen einige für uns strategisch und wirtschaftlich interessant sind. Und für den weiteren Zukauf solcher kleinen Firmen hatten wir auch Investitionsmittel reserviert. Diese kleineren M & A-Aktivitäten haben wir jetzt mit dem Kauf von Primacom und Pepcom zurückgestellt. Das schaffen wir nicht gleichzeitig zur Integration der beiden großen Gesellschaften. Das sind die fehlenden 30 Mill. Euro.- Der Markt ist inzwischen also aufgeteilt zwischen den beiden großen Kabel Deutschland und Unity. Dann kommt lange nichts. Dann Tele Columbus. Und dann kommt wieder lange nichts bis zu den Hunderten von kleinen Firmen.Richtig ist, dass wir nun zu unseren Wettbewerbern erheblich aufgeschlossen haben und nun fast 10 % der deutschen Haushalte versorgen. Aber da gibt es noch City Carrier wie Net Cologne oder Wilhelm Tell im Norden. Die sind aber in aller Regel nicht unbedingt zu kaufen.- Im Gegensatz zu Tele Columbus.Wir wie auch Primacom und Pepcom sind fast durchgängig in der Wohnungswirtschaft vertreten und haben fast überhaupt keine Einzelverträge mit Einfamilienhäusern. In unserem Wohnungswirtschaftsmarkt haben Vodafone/Kabel Deutschland, Unitymedia und wir alle um die 30 % Marktanteil. Nach Net Cologne, Hamburg und Telekom bleiben vielleicht noch rund 7 %. Diesen Rest teilt sich eine Vielzahl kleinerer Firmen. Und an diese kleinen, dezentralen Firmen kommen Kabel Deutschland und Unity mit ihrem zentralen Netz schwer ran – und dann nur teuer. Wir nutzen dezentral und flexibel Satelliten als Signaleinspeiser.- Zurück zur Konsolidierung. Liegt es nicht nahe für die Großen, sich den letztverbliebenen Mittelgroßen, also Tele Columbus, einverleiben zu wollen?Eine gute Frage. In der Vergangenheit hat das Kartellamt solche Verlangen abgelehnt, weil mehrere Kabelnetzbetreiber nötig seien. Damals waren Kabelnetzbetreiber noch Fernsehanbieter. Da kommt Bewegung rein. Bei Unity kommt inzwischen mehr als die Hälfte der Erlöse aus Internet, Telefonie und anderen Diensten. Im Ausland und bei der EU wird gesagt: Wir brauchen nicht Wettbewerb beim Kabel, sondern in der Infrastruktur. Dazu brauchen Sie Größe und Kraft für Investitionen.- Also wird es zur Übernahme von Tele Columbus durch Unity kommen?Das liegt nicht mehr in unseren Händen. Das ist aber kein Szenario, das uns beschäftigt. Wir müssen unsere Hausaufgaben machen.- Das heißt, Sie warten auf Unity?Nein. Wir warten auf den Abschluss des Pepcom-Deals Ende November, damit wir Primacom und Pepcom beide gleichzeitig integrieren können. Das hatten wir immer gewollt, um nicht zwei Integrationsprozesse nacheinander, sondern möglichst gleichzeitig durchführen zu können. Da haben Sie nur Stillstand in der Organisation.- Wenn Sie beide Gesellschaften voll einrechnen würden, welchen Sprung macht Tele Columbus mit ihnen?Pro forma für das vergangene Jahr hätte die Kombination aller drei Gesellschaften knapp 435 Mill. Euro an Umsatz und fast 205 Mill. als Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (normalisiertes Ebitda) erzielt …- … also etwa das Doppelte wie Tele Columbus allein.Damit sind wir schon ein anderer Spieler im Markt.- Das gilt auch für die Zahl der Haushaltskunden?Das sind jetzt 3,6 Millionen.- Wann wird die Integration durch sein?Wir planen mit 18 bis 24 Monaten. Dann werden Sie auch die vollen Synergieeffekte sehen.- Um wie viele Prozentpunkte wird sich damit die Ebitda-Marge verbessern?Für die ersten neun Monate 2015 haben wir eine Marge von 48,9 % berichtet, und wir sehen noch Potenzial nach oben.- Bei den kleinen Akquisitionen gibt es aber nach wie vor eine Pause?Nein, wir machen da weiter, wo wir vor Primacom stehen geblieben sind. Im Oktober haben wir schon wieder zwei kleine Netzbetreiber zugekauft.- Zum Börsengang hatten Sie gesagt, die Zahl der Produkte je Haushalt sollte von 1,4 auf 1,7 steigen und der durchschnittliche Umsatz von 14,10 auf 17 Euro. Wann soll dieses Ziel erreicht sein?Bisher sind unsere Analysten davon ausgegangen, dass wir das irgendwann im Jahr 2017, vielleicht auch im ersten Quartal 2018 erreichen können. Mit den beiden Akquisitionen werden wir die Ziele sicherlich noch einmal neu formulieren. Deshalb haben wir für März/April 2016 einen ersten Kapitalmarkttag angekündigt, zu dem wir unsere neuen Ziele verkünden, die ähnlich gelagert sein werden wie die beim IPO.- Im zweiten Quartal konnte Tele Columbus zum ersten Mal seit Jahren schwarze Zahlen vorweisen. Wird das auch für das gesamte Jahr gelten?Das glaube ich nicht. Sowohl der Börsengang als auch die beiden Akquisitionen hatten eine ganze Menge an Nebenkosten. Und es wird wahrscheinlich noch ein bisschen dauern, bis der operative Cash-flow die Zinskosten sauber abdeckt – die Synergien kommen erst noch, die Zinskosten sind aber schon da. Wir werden wohl erst einmal für ein paar Quartale wieder rote Zahlen schreiben. Aber die werden nicht dramatisch sein.- Wann wird es eine erste Dividende geben? Das sollte man bei einer Ebitda-Marge von 55 % schon fragen können.Unser Geschäft generiert normalerweise einen hohen Cash-flow. In den kommenden Jahren werden wir aber weiterhin sehr stark in den Ausbau und die Integration unserer Kabelnetze investieren, so dass der Cash-flow schwächer ist. Spätestens dann, wenn sich unsere Investitionen wie im Kabelgeschäft üblich zwischen 22 und 25 % vom Umsatz einpendeln, sind wir dividendenfähig. Die Frage ist, wie lange werden wir in unsere Netze investieren, um ein möglichst hohes Wachstum zu erzielen?- Das heißt, es gibt keine Dividende?Für 2015 haben wir klar kommuniziert, dass wir keine Dividende zahlen werden.- Ihre Aktionäre kalkulieren also eher auf eine Übernahme durch Unity als auf eine Ausschüttung?Die kalkulieren, glaube ich, eher auf die Returns von Investitionen. Das ist im Moment der größte Hebel. Im Kabelgeschäft haben Sie üblicherweise einen Zyklus von acht bis zehn Jahren. Wenn Sie durch Aufrüstung der Netze Ihre Investitionen in vier bis sechs Jahren amortisieren, sind das super Renditen. Das interessiert unsere Eigentümer derzeit am meisten.- Sie haben Primacom und Pepcom für zusammen 1,3 Mrd. Euro gekauft. Mit der darauffolgenden Kapitalerhöhung haben Sie 363 Mill. eingenommen. Wie finanzieren Sie das Gap?Wir haben mit dem IPO die Verschuldung auf unter das Dreifache des normalisierten Ebitda reduziert und uns damit Spielraum für Akquisitionen geschaffen. Nun wurden die beiden Zukäufe mit einem Mix von neuen Darlehen und Eigenkapital finanziert. Neben den Nettoerlösen von 363 Mill. Euro haben wir 862 Mill. Euro aufgenommen. Damit hat sich unser Verschuldungsgrad zwar auf ungefähr das Fünffache erhöht, wir sind aber ein bedeutender Spieler auf den deutschen Kabelmarkt geworden. Mit dem Verschuldungsgrad fühlen wir uns sehr wohl, zumal unser normalisiertes Ebitda wächst.- Ich nehme den Pro-forma-Wert von 2014 von 205 Mill. Euro, lege ein Plus für 2015 drauf und komme dann auf 225, 230 Mill. Euro. Das mal fünf heißt Schulden von etwa 1,1 Mrd. Euro. Damit ist das Ziel, auf das Drei- bis Vierfache zurückzukommen, bis auf Weiteres vertagt?Wie gesagt, wir fühlen uns mit dem Fünffachen sehr wohl. Innerhalb der nächsten 18 bis 24 Monate wollen wir wieder in unseren Zielkorridor des Drei- bis Vierfachen kommen.- Wie viel Zinsen zahlen Sie momentan?Wir zahlen aktuell etwas mehr als 50 Mill. Euro Zinsen im Jahr bei der neuen Finanzierungsstruktur. Mit eher fallender Tendenz. Weil je mehr wir mit unserem Leverage runterkommen, desto weniger Zinsen haben wir zu zahlen.- 50 Mill. Euro Zinsen heißt über den dicken Daumen ein Zinssatz 4,5 bis 5 %. Das ist beachtlich im derzeitigen Niedrigzinsumfeld.Das zahlen Sie im Moment.Wir sind kein Investment Grade. Davon sind Kabelnetzbetreiber noch ein Stück weg.- Haben Sie ein Rating?Bei Standard & Poor’s haben wir ein “B” mit stabilem Ausblick, bei Moody’s ein “B2”, ebenfalls mit stabilem Ausblick.- Wie lauten Ihre Banken?Bei der Kapitalerhöhung waren das J.P. Morgan, BNP Paribas und Goldman Sachs. Bei der Finanzierung J.P. Morgan und Goldman Sachs.- Was spricht gegen eine Anleihe?Der Aufwand. Und die Zinsbelastung liegt dennoch nicht viel niedriger. Zudem haben wir bei den Krediten ganz gute Rückzahlungsmodalitäten, mit denen wir Zinsen langfristig einsparen können. Und wir haben Laufzeiten bis 2021, 2022, mit denen wir relativ sauber nach vorne planen können. Unsere Bankdarlehen sind wesentlich flexibler als eine Anleihe.- Die Politik fordert immer wieder höhere Leistungen im Netz. Gleichzeitig beklagen die Unternehmen, dass die Kunden diese teuren Aufrüstungen gar nicht abnehmen. Ist das so?Da entwickelt sich langsam etwas. Die Nachfrage nach Bandbreiten entwickelt sich stark. Viele Kunden kommen heute aus einer DSL-Umgebung mit gerade einmal 6 oder 16 Megabit pro Sekunde. Wenn diese dann im Kabel mit 100 oder 150 Mbit surfen können, gibt es einen Wow-Effekt. Einmal daran gewöhnt, möchte niemand mehr diese Surfgeschwindigkeit missen. Wir müssen mehr anbieten. Wo es mehr Dienste gibt, wird mehr nachgefragt.—-Das Interview führte Ulli Gericke.