Im Gespräch:Andreas Aufschnaiter

MS Industrie vertraut auf langfristige Kooperationen

Die Industriegruppe sieht sich vor einer Wachstumsphase. Mit Antriebstechnik und Ultraschallmaschinen verfügt MS Industrie über zwei unterschiedliche Geschäftsfelder, die eigenständig agieren. Eine Aufspaltung ist angedacht.

MS Industrie vertraut auf langfristige Kooperationen

Im Gespräch: Andreas Aufschnaiter

MS Industrie vertraut auf langfristige Kooperationen

Hohes Auftragsvolumen erhöht Planbarkeit – Abspaltung der Ultraschalltechnik angedacht – Wechsel vom regulierten Markt in den Freiverkehr

Von Helmut Kipp, Frankfurt

Die Technologiegruppe MS Industrie steht nach eigener Einschätzung vor einer längeren Wachstumsphase. Hintergrund ist das hohe Ordervolumen, das sich aus fortlaufend angelegten Geschäftsbeziehungen mit Großkunden ergibt. Allein in der Antriebstechnik, der größten der beiden Sparten des mittelständischen Unternehmens, soll das künftige Gesamtauftragsvolumen mehr als 1,3 Mrd. Euro betragen.

Der Liefervertrag mit einem Lkw-Großkunden – mutmaßlich Daimler Trucks – wurde im März um zehn Jahre bis Ende 2032 verlängert. Für den Abnehmer stellt MS Industrie Nutzfahrzeug-Ventiltriebsysteme her. Der Abschluss erhöht die Planbarkeit der künftigen Geschäftsentwicklung weiter. MS Industrie sieht sich als Single-Source-Supplier von Lkw- und Motorenherstellern wie Traton (MAN, Scania), Daimler Truck und Liebherr. „Der Kunde ist froh, einen zuverlässigen Lieferanten zu haben, der in Vorleistung geht. Solch einen Auftrag verliert man normalerweise nicht“, sagt Andreas Aufschnaiter, einer der beiden Vorstände, im Gespräch mit der Börsen-Zeitung.

Investitionszyklus vor Abschluss

Das zweite Segment Ultraschall stellt Sonder- und Serienmaschinen für das Schweißen von Kunststoffen her. Auch hier zählt die Fahrzeugindustrie zur Kernkundschaft, aber auch Branchen wie Verpackungsmaschinen, Medizintechnik und andere Kunststoffverarbeiter. Die Abnehmerbasis ist also breiter, sie umfasst laut Aufschnaiter 100 bis 150 Adressen. In der Antriebstechnik sind es etwa 20.

Für das laufende Jahr plant MS (die Buchstaben stehen für Maschinenfabrik Spaichingen, den Kern der heutigen Firma) mit 235 Mill. Euro Umsatz und einem deutlichen Anstieg des operativen Gewinns. 2022 erreichten die Erlöse 206,2 Mill. Euro, 2021 waren es infolge der Corona-Einbußen nur 164,7 Mill. Euro.

Der Investitionszyklus stehe vor dem Abschluss, erläutert Aufschnaiter. Nach insgesamt 57 Mill. Euro in den Jahren 2021 bis 2023 sollen die Ausgaben 2024 und 2025 jeweils zwischen 6 Mill. und 7 Mill. Euro liegen und im Folgejahr weiter auf 4 Mill. Euro sinken. Nach Einschätzung von Analysten trägt die stärkere Automatisierung zu höheren Margen bei, ebenso wie Skaleneffekte und Preiserhöhungen. So erwarten die Experten von GBC einen Renditeanstieg auf 9,6% im laufenden und 11,5% im kommenden Jahr (2022: 7,3%), bezogen auf das Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen.

Wasserstoff statt Diesel

Für die Verkehrs- und Energiewende sieht sich MS Industrie durchaus gewappnet. Aufschnaiter macht geltend, dass der batterieelektrische Antrieb für schwere Lastwagen zu schwach sei und auch der Einsatz von Brennstoffzellen Probleme aufwerfe. Sein Konzept läuft darauf hinaus, reinen Wasserstoff statt Diesel einzuspritzen: „Wenn es so kommt, sind wir dabei.“ Denn die von MS Industrie hergestellten Motorenkomponenten könnten baugleich in der Warmverbrennung von Wasserstoff eingesetzt werden.

An der Börse fristet MS Industrie ein Schattendasein, wie am seit längerem seitwärts tendierenden Aktienkurs und der überschaubaren Marktkapitalisierung von 48 Mill. Euro deutlich wird. Aufschnaiter führt das nicht zuletzt auf den Automotive-Stallgeruch zurück, den Investoren kritisch sähen. Inzwischen sei aber zu beobachten, dass der Kapitalmarkt stärker differenziere.

“Börse München kümmert sich”

Keinen ungeteilten Beifall unter Investoren dürfte der Wechsel vom regulierten Markt in den Freiverkehr finden, den MS mit den zunehmenden Regulierungen und Auflagen begründet. Der Schritt sei aber kein Börsenrückzug, versichert der Vorstand. Die Börsenpräsenz werde fortgeführt – mit dem m:Access der Börse München als neuem Leitsegment. Auch an der Quartalsberichterstattung will das Unternehmen festhalten.

Den Schritt nach München begründet Aufschnaiter nicht zuletzt auch mit regionaler Verbundenheit: MS Industrie ist in der bayerischen Metropole zuhause, wenige hundert Meter entfernt von der Börse. Man kennt sich also. Hinzu komme die Betreuung: „Die Börse kümmert sich viel um die notierten Unternehmen.“

Zwei Equity Stories in einer Aktie

An die Börse ging das Unternehmen bereits 2001, damals als GCI Management, die im Private-Equity-Geschäft tätig war. Mit der Übernahme der Maschinenfabrik Spaichingen wurde daraus eine Industriegruppe mit den Segmenten Motorentechnik und Schweißtechnik, die 2012 in MS Industrie umbenannt wurde. Größter Anteilseigner ist die MS Proactive Verwaltungs GmbH mit 15%, hinter der Aufschnaiter und Vorstandskollege Armin Distel stehen. Der Streubesitz wird mit 51% angegeben.

Die beiden Bereiche MS Xtec (früher MS Powertrain) und MS Ultraschall Technologie agieren laut Aufschnaiter „komplett eigenständig“. In der Mitte stehe eine kleine Shared-Service-Einheit. Es seien also zwei Firmen unter einem Dach und zwei Equity Stories in einer Aktie vereint. Der Idee, die beiden Einheiten auch am Kapitalmarkt eigenständig zu positionieren, steht Aufschnaiter wohlwollend gegenüber. Die Abspaltung des Ultraschalls sei vorbereitet, aber für diesen Schritt sei es zu früh. Ultrasonic hat nämlich zwei schwierige Jahre hinter sich, profitiert aber nun von Aufholeffekten und neuen Aufträgen. Auch ist das Segment mit 57 Mill. Euro Umsatz im vergangenen Jahr reichlich klein für ein eigenes Listing. 100 Mill. Euro sollten es schon sein, räumt Aufschnaiter ein und folgert: 2024 könne das Thema auf die Agenda kommen.

Kleine Firmenanleihe

Auch mit einer kleinen Firmenanleihe ist MS Industrie am Kapitalmarkt präsent. Sie wurde im vergangenen Herbst über eine Privatplatzierung bei Investoren untergebracht. Laut Aufschnaiter sind bisher erst 4 Mill. Euro ausgeschöpft, das Rahmenvolumen reicht bis 20 Mill. Euro. Die fünf Jahre laufende Anleihe ist mit einem Kupon von 6,25% ausgestattet. Das sei günstiger als eine Bankfinanzierung, die auf 8% hinauslaufe, sagt Aufschnaiter. Für MS Industrie sei der Bondmarkt kein Neuland: Man verfüge über eine längere Anleihen-Historie, allerdings seien die Schuldverschreibungen meist nicht börsennotiert gewesen.

Aufgrund des hohen Ordervolumens sieht sich die börsennotierte MS Industrie vor einer Wachstumsphase. Analysten rechnen mit deutlichen Margenausweitungen. Mit Antriebstechnik und Ultraschallmaschinen verfügt die Industriegruppe über zwei eigenständige Geschäftsfelder. Eine Aufspaltung ist angedacht.

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