PUSH-OUT SCORE

Nach Coronaschock stabilisiert sich die Lage für CEOs

Druck auf Bosse stagniert auf leicht erhöhtem Niveau - Ehrenhafter Abtritt bei Navistar - Wortloser Abgang bei Amkor - Mysteriöser Wechsel bei Waters

Nach Coronaschock stabilisiert sich die Lage für CEOs

Navistar, Amkor und Waters gehören zu den US-Unternehmen, die im Juni einen Chefwechsel angekündigt haben. Untersuchungen mit dem Analysemodell Push-out Score zeigen, dass sich die Lage nach der Welle erzwungener CEO-Wechsel im Zusammenhang mit der Covid-19-Pandemie stabilisiert.ds Frankfurt – Im Juni blieb der Druck auf CEOs konstant. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie des Forschungsdienstleisters Exechange*, der 317 CEO-Abgänge von börsennotierten Unternehmen im marktbreiten US-Aktienindex Russell 3000 aus den vergangenen zwölf Monaten mit dem Analysemodell Push-out Score (siehe Kasten) bewertet hat.Der CEO Push-out Index, der monatlich berechnet wird und den durchschnittlichen Push-out Score für CEO-Abgänge in den USA widerspiegelt, stagnierte im Juni bei 5,2 (siehe Grafik), also auf einem geringfügig erhöhten Niveau.Im Juni wurde das Barometer durch viele offensichtlich erzwungene Fluktuationen und Führungswechsel mit hohen Push-out Scores beeinflusst, darunter die angekündigten CEO-Abgänge bei Waters, Adverum Biotechnologies, Two Harbors, Inogen, Pacific Biosciences, CAI International und United Insurance. Freiwillige Führungswechsel und Ereignisse mit niedrigen bis mittleren Push-out Scores hatten im Juni einen etwas geringeren Einfluss auf den Index, darunter die CEO-Wechsel bei Amkor, United States Cellular, Vonage, Navistar und Worthington.Der Juni brachte eine weitere Stabilisierung nach einer Welle erzwungener CEO-Wechsel im Zusammenhang mit den Auswirkungen der Covid-19-Pandemie. Im Mai war diese Welle bereits abgeklungen. Die Pandemie, die im März die Aktienkurse in der ganzen Welt in den Keller stürzen ließ, hatte im April die Zahl erzwungener CEO-Wechsel kräftig in die Höhe getrieben. “Noch aufregender”Mit einem Push-out Score von 4 liegt der CEO-Abgang bei Navistar in der unteren Hälfte der Skala und sieht ehrenhaft aus. Wie am 26. Juni angekündigt, hat Troy A. Clarke seinen Posten als CEO bei dem Lkw-Hersteller zum 1. Juli abgegeben. Zunächst deuten die meisten Datenpunkte auf einen nahtlosen Wechsel hin. Erstens ist Clarke mit 65 Jahren im perfekten Ruhestandsalter, zweitens ist seine Amtszeit als CEO von sieben Jahren und drei Monaten tadellos, drittens scheint die Nachfolge geordnet. Clarkes Job als CEO wird von Persio V. Lisboa (54), derzeit Chief Operating Officer, übernommen. Clarke begleitet den Wechsel als Executive Chairman. Viertens ist die Form der Ankündigung kaum zu beanstanden. In der Mitteilung von Navistar aus Lisle, Illinois, erhält Clarke Lob und Dank. Fünftens erscheint auch die Sprache der Mitteilung angemessen. Clarke spricht in den höchsten Tönen von seinem Nachfolger: “Die Leistungsbilanz von Persio ist genau das, was von Navistar beim Übergang in unser nächstes Kapitel verlangt wird, eines, von dem ich überzeugt bin, dass es noch transformativer und aufregender sein wird als unser letztes.”Bei genauerem Hinsehen zeigt die glatte Oberfläche Kratzer. Die Ankündigungsfrist von fünf Tagen ist äußerst kurz. Das ist der erste Punkt für den Push-out Score. Der Navistar-Aktienkurs kam in den vergangenen fünf Jahren nicht vom Fleck. Punkt Nummer 2. Der Grund für den Führungswechsel ist nicht völlig transparent. Punkt 3. Clarke erklärte: “Jetzt ist ein idealer Zeitpunkt für Persio, Navistars nächster CEO zu werden.” VW-Chef Diess beobachtetEin idealer Zeitpunkt? Die Umstände des Führungswechsels sind herausfordernd. Punkt 4. Navistar kämpft mit operativen Schwierigkeiten und steckt mitten in einem schwebenden Übernahmeangebot. Traton, die Lkw-Sparte von Volkswagen, hatte am 30. Januar 2,9 Mrd. Dollar oder 35 Dollar pro Aktie in bar für die 83 % an Navistar geboten, die die Deutschen noch nicht besitzen. Im März hatte Volkswagen-CEO Herbert Diess laut Reuters angesichts der herben Rückschläge durch die Corona-Pandemie erklärt, man glaube immer noch, dass der Deal mit Navistar eine gute Idee sei, aber man werde mit Argusaugen die Liquiditätssituation und die Priorisierung aller Aktivitäten, die man in Betracht ziehe, beobachten. Am Tag der Bekanntgabe des Managementwechsels notierte die Navistar-Aktie mit 27,20 Dollar deutlich unter dem Gebotspreis von 35 Dollar. Navistars größter Aktionär ist der aktivistische Investor Carl Icahn. Fazit: Ankündigungsfrist, Aktienkursentwicklung, Begründung und die Umstände hissen vier rote Fahnen. Der Push-out Score trägt der Tatsache Rechnung, dass der Wechsel nicht makellos zu sein scheint.Mit einem Push-out Score von 5 liegt der CEO-Abgang bei Amkor genau in der Mitte der Skala und ist wortlos. Wie am 17. Juni angekündigt, verließ Stephen D. (Steve) Kelley seinen Chefposten bei dem Anbieter von Verpackungs- und Testdienstleistungen für Halbleiter. Oberflächlich gesehen deuten mehrere Aspekte auf einen reibungslosen Wechsel hin. “Wir waren uns einig”Erstens ist Kelleys Amtszeit als CEO von sieben Jahren und einem Monat tadellos. Zweitens folgt die Ankündigung auf eine Verdopplung des Aktienkurses seit Juni 2015. Drittens scheinen die Fundamentaldaten des Unternehmens solide zu sein. Viertens deutet die Nachfolgeregelung auf einen geordneten Abgang hin. Neuer CEO ist Giel Rutten, zuletzt Executive Vice President von Amkor. Rutten kam 2014 zu Amkor und hat mehr als 30 Jahre Erfahrung in der Halbleiterindustrie. Zugleich leuchten fünf Warnlampen auf. Kelley ist mit 57 Jahren relativ jung, und genaue Informationen über seine Zukunftspläne waren nicht sofort verfügbar. Das ist der erste Punkt für den Push-out Score. Der Chefwechsel ist sofort wirksam. Punkt Nummer 2. Der Grund ist nicht transparent. Punkt Nummer 3. Executive Chairman James J. Kim sagte lediglich: “Wir waren uns einig, dass jetzt die Zeit für einen Führungswechsel gekommen ist.” Im gegebenen Kontext lässt der Wortlaut den Schluss zu, dass der Board den Abgang Kelleys nicht nur gebilligt, geduldet oder akzeptiert, sondern ihn sogar befürwortet, betrieben oder erzwungen haben könnte. 37 abgedroschene WorteForm und Sprache der Ankündigung ergeben die Punkte 4 und 5. In der Mitteilung von Amkor aus Tempe, Arizona, erhält Kelley Lob, Dank und gute Wünsche, aber keine Anerkennung für konkrete und quantifizierte Erfolge und kein Wort des Bedauerns. James J. Kim verabschiedete Kelley mit 37 abgedroschenen Worten und dankt ihm “für seinen engagierten Einsatz und seine vielen Beiträge für das Unternehmen.” In der Ankündigung stellt James J. Kim den neuen CEO Giel Rutten mit 50 herzlichen Worten vor und erklärt, er sei “die richtige Person, um Amkor in die nächste Phase zu führen”. Steve Kelley schweigt dazu. Schlussfolgerung: Alter, Ankündigungsfrist, Grund, Form und Sprache der Mitteilung zeigen fünf rote Fahnen. Der Push-out Score von 5 deutet darauf hin, dass ein gewisser Druck zu Kelleys Schritt beigetragen haben könnte. Sechs rote FlaggenMit einem Push-out Score von 6 liegt der CEO-Abgang bei Waters in der oberen Hälfte der Skala und erscheint mysteriös. Wie am 17. Juni angekündigt, tritt Christopher J. (Chris) O’Connell bei der Ernennung eines Nachfolgers als President, CEO und Boardmitglied des Laboranalytikherstellers zurück. Viele Kriterien des Analysemodells deuten darauf hin, dass O’Connell Druck verspürt hat, seinen Platz zu räumen. Mit 53 Jahren ist er ziemlich jung, und präzise Angaben zu seinen Zukunftsplänen waren nicht sofort verfügbar. Das ist der erste Punkt für den Push-out Score. Der Grund für den Führungswechsel liegt im Dunkeln. Punkt Nummer 2. O’Connell sagte lediglich: “Der Board und ich sind uns einig, dass dies der richtige Zeitpunkt für diesen durchdachten Nachfolgeprozess ist.” Auch das ist wenig erhellend, und die Floskel “Der Board und ich sind uns einig” legt den Schluss nahe, dass der Board und nicht O’Connell bei dem Managementwechsel die Fäden zog. Headhunter muss ranDie Umstände sind problematisch. Punkt 3. Waters erwirtschaftet fast die Hälfte ihres Umsatzes mit diagnostischen Instrumenten, und Unternehmen der Diagnostikbranche kämpfen mit den Auswirkungen der Covid-19-Pandemie. O’Connell verwies in einer Analystenkonferenz am 12. Juni auf eine angespannte Situation in den USA, Indien und einigen Teilen Europas und warnte, dass das zweite Quartal noch schwieriger als das erste für Waters werde. Die Nachfolgeregelung wirft Fragen auf. Punkt 4. Ersatz für den scheidenden CEO, der zum Abschied Abfindungszahlungen erhält, ist nicht in Sicht, und es spricht Bände, dass der Board “aktiv mit einer führenden Personalberatung zusammenarbeitet, um den Prozess zu unterstützen”. Form und Sprache der Ankündigung führen zu den Punkten 5 und 6. In der Ankündigung von Waters aus Milford, Massachusetts, erhält O’Connell Lob und Dank, aber keine Auszeichnungen für konkrete und quantifizierte Erfolge und kein Wort des Bedauerns.Chairman Flemming Ornskov erklärte, man suche “die richtige Führungskraft für die nächste Wachstumsphase von Waters”. Das klingt, als ob ein CEO mit anderen Fähigkeiten gebraucht wird. Fazit: Alter, offizieller Grund, Umstände, Nachfolgeregelung, Form der Ankündigung und Sprache in der Meldung hissen sechs rote Flaggen. Nur die üppige Vorlaufzeit, O’Connells ausreichend lange Amtszeit als CEO von bislang vier Jahren und zehn Monaten und die zufriedenstellende Aktienkursentwicklung (plus 60 % in seiner Amtszeit) verhinderten eine höhere Punktzahl. *) Inhaber von Exechange ist Daniel Schauber, der auch Redakteur bei der Börsen-Zeitung ist. Börsen-Zeitung und Exechange sind voneinander unabhängig. Die Inhalte dieser Seite basieren auf einer Studie von Exechange (exechange.com/news).