"Nächste Akquisition steht vor der nächsten Dividende"
Heute jährt sich der Börsengang der Deag Deutsche Entertainment AG zum 20. Mal. Als Konzertveranstalter auf der Neuen-Markt-Welle gestartet , ist das Unternehmen als Unterhaltungskonzern heute breiter aufgestellt. Gründer und Vorstandschef Peter Schwenkow erläutert die Geschichte am Kapitalmarkt.- Herr Schwenkow, welche Gründe hatte der Börsengang der Deag am 14. September 1998?Der Börsengang hatte vor allem zwei Beweggründe. Mit dem Börsengang bestand zum einen die Chance, das damals 20 Jahre alte Unternehmen zu professionalisieren. Wir haben vor dem Börsengang zwar nicht aus Pappkartons und Schubladen gelebt, aber doch weitgehend ohne strategische Planung. Das hat sich mit dem Börsengang geändert. Der zweite Grund für den Börsengang war, einen Zugang zum Kapitalmarkt zu schaffen.- Wie wichtig ist die Börsennotierung für die Deag heute?Sie ist für die Deag, die heute viel größer ist als 1998, mindestens noch genauso wichtig wie damals. Die Börsennotierung zwingt zum einen das gesamte Unternehmen, Prognosen abzugeben, diese laufend zu überprüfen und gegebenenfalls anzupassen. Zum anderen bietet sie die Möglichkeit, sich an der Gesellschaft zu beteiligen.- Die Deag-Aktie ist 1998 zu 69 DM in den Handel gekommen, stürzte nach dem Ende des Neuen Marktes aber in die Tiefe. Viel Freude hatten Anleger mit der Aktie nicht.Wir sind wie alle anderen Neuer-Markt-Unternehmen auch von professionellen und semiprofessionellen Anlegern hochgejubelt worden. Wir waren aber keine Firma, die hinter einem blaugestrichenen Garagentor drei Computer zusammengebaut hat, sondern wir hatten richtiges, bestehendes Geschäft. Aber der Niedergang des Neuen Marktes hat uns auch getroffen.- War es im Nachhinein betrachtet der falsche Augenblick, um an die Börse zu kommen?Der Grundgedanke des Neuen Marktes, jungen Wachstumsunternehmen den Zugang zum Kapitalmarkt zu eröffnen und Anlegern die Möglichkeit zu bieten, davon zu profitieren, war richtig. Allerdings hat die Geschichte des Neuen Marktes auch gezeigt, dass die Deutschen zum Großteil nicht nur Börsen- und Aktienmuffel, sondern auch unerfahren im Umgang mit Aktien waren.- Vor zehn Jahren war die Deag-Aktie ein Penny Stock. Die Deutsche Entertainment stand mal kurz vor dem Aus.Nein, vor dem Aus nicht. Aber wir hatten gute und schlechte Zeiten. Wenn man in einem Markt, der sich konsolidiert, aktiv ist, muss man auch Risiken eingehen. Wir sind zweimal Risiken eingegangen – mit der Übernahme der insolventen Stella AG vor 17 Jahren und mit dem Einstieg in das Festival-Geschäft mit dem Nürburgring vor fünf Jahren. Aus diesem Grund haben wir die Deag jetzt breiter aufgestellt. Wir sind als reiner Konzertveranstalter an die Börse gegangen und verstehen uns heute als Entertainment-Dienstleister. Konzerte stehen höchstens noch für zwei Drittel unserer Umsätze, die anderen Segmente bauen wir stark aus.- Welche Bedeutung haben das Musical- und Festivalgeschäft heute?Mit Musicals beschäftigen wir uns gar nicht mehr, mit Festivals nur noch aus Opportunitätsgründen. Strategisch spielt das Festivalgeschäft für uns keine Rolle mehr.- Wenn die Deag heute breiter aufgestellt ist mit ihrem Geschäftsmodell als früher: Was bedeutet das für die Kursentwicklung?Ich bin davon überzeugt, dass die Kursentwicklung stetiger wird, da wir nicht mehr auf einem Bein, sondern auf vier Beinen stehen. Wir haben von Unternehmensseite viel getan, damit unsere Ergebnisse in den kommenden Jahren weniger schwanken als früher – weil wir mit Myticket ein eigenes Vertriebsunternehmen haben, weil wir im Family-Entertainment-Bereich wachsen und weil wir im Bereich Arts & Exhibitions unterwegs sind. Nicht beeinflussen können wir allerdings Marktentwicklungen, die in den vergangenen zwei Jahrzehnten unseren Kurs auch beeinflusst haben.- Im vergangenen Jahr haben Sie den britischen Veranstalter Flying Music übernommen. Kommt der größte Umsatzanteil inzwischen aus Großbritannien?In diesem Jahr kämpfen Großbritannien und der Rest der Welt um die 51 %. Ich könnte mir vorstellen, dass es genau fifty-fifty ausgeht.- Wächst die Bedeutung des britischen Marktes immer weiter?Ja. Obwohl Deutschland der zweitgrößte europäische Markt ist, ist der britische Markt noch 50 % größer.- Wie schätzen Sie vor diesem Hintergrund die Folgen des Brexit für Ihr Unternehmen ein?Wir transportieren – mit Ausnahme von einigen wenigen Künstlern – nichts über Grenzen, was Zollbeschränkungen unterliegen würde. Wir produzieren in Großbritannien nichts, wofür wir Teile benötigen, die geliefert werden müssten. Eine mögliche Konjunkturflaute in Großbritannien wäre für uns nicht notwendigerweise negativ. In Zeiten, in denen Menschen Unsicherheit verspüren, wächst die Relevanz von Brot und Spielen. Das habe ich seit Gründung der Deag vor 40 Jahren häufig erlebt. Die einzige Ergebnisauswirkung geht von der britischen Währung aus. Hier haben wir uns durch Hedging-Geschäfte abgesichert.- Um sichtbarer zu werden, um ihre Kommunikation mit dem Kapitalmarkt zu verstärken, verfolgen Sie in Großbritannien auch den Plan einer Zweitnotiz am Alternative Investment Market (AIM). Wie sieht es damit aus?Von den 100 Metern, die wir da laufen mussten, haben wir etwa 95 Meter zurückgelegt.- Das heißt: Das Listing steht noch 2018 an?Ich halte es für möglich, dass das in diesem Jahr gelingt. Es gibt noch technische Fragen zu lösen. Sollte es zum Brexit kommen, was aus meiner Sicht noch nicht entschieden ist, wären wir mit unserer Notiz am AIM für die in Großbritannien ansässigen Investoren sehr gut aufgestellt.- Welche Bedeutung könnte diese Zweitnotiz im Rahmen ihres Finanzierungsmixes bekommen? Was versprechen Sie für die Finanzierung Ihres Unternehmens durch das Zweitlisting?Kurzfristig spielt das Zweitlisting für unsere Finanzierung keine Rolle. Wir planen derzeit die Emission einer Anleihe. Wenn diese Emission im Herbst gelingt, sollten unsere Wachstumsplanungen für die nächsten zwei bis drei Jahre durchfinanziert sein. Insofern ist der Kapitalmarkt in Bezug auf eine mögliche Kapitalerhöhung in Großbritannien für uns erst mal irrelevant. Auch in Deutschland planen wir nicht mit einer Kapitalerhöhung.- Welche Bedeutung hat die Börsennotiz für die Anleiheemission?Es ist für uns von Vorteil, dass wir im Prime Standard gelistet sind und potenziellen Investoren viel mehr Informationen bieten als nur einige wenige Bilanzkennzahlen. Insofern ist die Börsennotierung weiter von hoher Relevanz.- Wie finanziert sich die Deag?Wir sind vergleichsweise gering kreditfinanziert. Kredite werden immer nur für externes Wachstum genutzt. Wir haben meistens mehr Einnahmen für künftige Veranstaltungen auf den Konten, als wir ausgeben müssen. Wir haben bislang auch noch keine Anleihen begeben. Die geplante Anleihe ist die erste in 40 Jahren seit Gründung des Unternehmens.- Was planen Sie bei der Anleiheemission, bei der Sie sich von der IKB Bank begleiten lassen, genau?Dazu darf ich nicht mehr sagen. Alle weiteren Details unterliegen der Ad-hoc-Pflicht.- Warum haben Sie sich dazu entschlossen, erstmals eine Anleihe zu begeben?Weil sie am Ende des Tages ein langfristiges Finanzierungsinstrument ist, das die einzelnen Anteile der Aktionäre nicht verwässert.- Werden weitere Anleihen folgen?Wenn die Anleihe in dem Volumen durchgeht, in dem wir sie planen, sehe ich im Moment keinen Bedarf für eine zweite Anleihe. Die Deag ist “back on track”. Wir haben eine positive Umsatz- und Ergebnisprognose für 2018 abgegeben. Die Halbjahreszahlen haben gezeigt, dass wir uns auf einem sehr guten Weg befinden, die Ziele zu erreichen. Wir fahren voll in der Spur. Die Gewinne sollen reinvestiert werden in weitere Akquisitionen. Für uns ist es wichtig zu sehen, dass wir das Altgeschäft, das heißt das sogenannte Geschäft mit Stimmbändern, bei geringerer Wachstumsquote stabil halten, dass wir aber die anderen Bereiche wie das Ausstellungsgeschäft, das Ticketing-Geschäft und das Family-Entertainment-Geschäft nach vorne bringen und stärken mit dem Ziel, mittelfristig einen Umsatzmix von 50:50 zu erreichen. Das heißt 50 % klassisches Konzertveranstalter-Geschäft, die anderen 50 % hochmargigeres weiteres Entertainment-Geschäft.- Trauen Sie sich eine mittelfristige Gewinnprognose zu?Nein. In diesem Jahr gehen wir davon aus, dass das Ergebnis überproportional zum Umsatz wachsen wird. Wir hatten im ersten Halbjahr ein Umsatzwachstum von 34 % und ein Ergebniswachstum weit darüber hinaus. Ich sehe im Moment keinerlei Einbußen im dritten und vierten Quartal. Wir werden in den kommenden Jahren ordentliche Steigerungen bei Umsatz und Ergebnis zeigen können.- Welche Bedeutung hat mit Blick auf das Ziel, den Gewinn je Aktie zu steigern, die Strategie, nur noch 100-Prozent-Beteiligungen zu halten?Wir wollen zu 100 % oder 75 % beteiligt sein. Ziel ist es, mehr Anteile an stabilem Geschäft zu halten, um das Ergebnis je Aktie zu steigern. Wir wollen mittel- bis langfristig wieder Dividenden zahlen können.- Wann ist es so weit, dass Sie wieder Dividende zahlen?Das kann man seriös nicht prognostizieren, nicht weil wir nicht wissen, wann wir sie erwirtschaften, sondern weil für uns in dem sich nochmals konsolidierenden Markt die nächste Akquisition vor der nächsten Dividende steht.- Wo wird die Deag zum 30-jährigen Börsenjubiläum 2028 stehen?Wenn man davon ausgeht, dass wir im Moment zu den führenden fünf Branchenunternehmen weltweit gehören, hoffe ich, dass wir 2028 die Leiter zwei oder drei Stufen höher geklettert sind.—-Das Interview führte Carsten Steevens.