Netflix nimmt Investoren ihre Lieblingskennzahl weg
Netflix nimmt Investoren ihre Lieblingskennzahl weg
Streaming-Vorreiter will Quartalsupdates zu Abonnements stoppen – Aktionäre zeigen sich trotz Nutzerwachstum und Gewinnsprung verstimmt
xaw New York
Netflix hat Aktionäre zuletzt mit einem starken Nutzerwachstum verwöhnt – nun nimmt sie ihnen aber eine Lieblingskennzahl weg. Denn der Plattformbetreiber will künftig nicht mehr quartalsweise über Abonnentenstand und Erlöse pro Nutzer informieren. Co-CEO Greg Peters betonte in einer Analystenschalte, das Unternehmen wolle sich „mehr auf die Schlüsselmesszahlen fokussieren, die am meisten zählen“. Schließlich biete Netflix inzwischen eine große Bandbreite an Preismodellen in unterschiedlichen Märkten an und sei profitabel, so dass das quartalsweise Nutzerwachstum als Erfolgsindikator nicht mehr so aussagekräftig sei wie einst.
Die Investoren reagierten darauf im frühen New Yorker Handel am Freitag allerdings verstimmt, die Aktie setzte zeitweise um nahezu 8% zurück. Dazu trug auch bei, dass die Umsatzprognose für das Gesamtjahr 2024 leicht enttäuschte: Netflix rechnet gegenüber 2023 mit einem Plus von 13 bis 15%, der Mittelpunkt der Spanne würde unter den Konsensprognosen von 14,4% liegen.
Starkes Nutzerwachstum
Ansonsten hatte Netflix jedoch alles für neuerliche Streicheleinheiten für die Anleger angerichtet: Im ersten Quartal gewann der Streaming-Vorreiter per saldo 9,33 Millionen Nutzer hinzu und damit mehr als fünfmal so viele wie im Vorjahreszeitraum. Gegenüber dem Schlussviertel 2023 verlangsamte sich das Wachstum damit zwar etwas, blieb aber deutlich über den an der Wall Street herumgereichten Prognosen – vom Datendienst Factset befragte Analysten hatten lediglich mit 5,11 Millionen Neuabonnenten gerechnet.
Global kommt das Unternehmen nun auf 269,9 Millionen zahlende Zuschauer. Für Netflix zahlt sich das Vorgehen gegen Trittbrettfahrer auf der Plattform aus. Seit Mai des vergangenen Jahres erschwert das Unternehmen das Teilen von Zugangsdaten für Accounts erheblich – die verbreitete Nutzung via „Password Sharing“ hatte den Streamingdienst zuvor hohe Einnahmen gekostet.
Der Umsatz legte nun um 14,8% auf 9,37 Mrd. Dollar zu und übertraf damit die Erwartungen der Analysten ebenso wie der Gewinn, der um 78,7% auf 2,33 Mrd. Dollar sprang. Für das laufende Quartal rechnet Netflix nun mit noch etwas kräftigeren Erlöszuwächsen und einem robusten Gewinnanstieg um 38,6%. Zugleich ringt die Konkurrenz um die in Fusionsverhandlungen mit Skydance Media steckende Paramount Global und Disney darum, ihre eigenen Streamingdienste profitabel zu machen.
Konkurrenz reduziert Verluste
Der Mickey-Mouse-Konzern hat in dem Geschäftszweig seit dem Start des Dienstes Disney Plus 2019 über 11 Mrd. Dollar verbrannt. Allerdings hat CEO Bob Iger zuletzt einschneidende Verbesserungen erzielt. Die Direct-to-Consumer-Sparte, in der die Video-on-Demand-Plattformen angesiedelt sind, reduzierte die Verluste im ersten Geschäftsquartal 2023/24 auf 138 Mill. Dollar, nachdem im Vorjahr noch ein Fehlbetrag von 984 Mill. Dollar zu Buche gestanden hatte.
Dabei wirkten sich sowohl Preisanhebungen bei Disney Plus und Hulu als auch ein Anstieg der Werbeerlöse positiv aus. Erstgenannter Dienst kam in den USA zuletzt auf 46,1 Millionen Abonnenten und hielt dabei mehr Zuschauer bei der Stange als erwartet. Bis Ende des laufenden Geschäftsjahres im September soll das Streaming-Geschäft endlich schwarze Zahlen schreiben.
Konzernchef Iger skizzierte Anfang April Pläne, ähnlich wie Netflix gegen das „Password Sharing“ vorzugehen. In ausgewählten Ländern will Disney ab Juni Maßnahmen gegen das Teilen von Accounts ergreifen, ab September sollen diese dann global wirksam sein. Analysten hatten Anti-Trittbrettfahrer-Kampagnen der Streamingdienste zunächst skeptisch beäugt, da sie fürchteten, dass Kunden sich eher ganz von den Plattformen verabschieden würden, als hohe Abonnementpreise zu bezahlen. Bei Netflix kostet das Standardpaket in den USA inzwischen 15,49 Dollar pro Monat, eine werbeunterstützte Variante ist für 6,99 Dollar verfügbar. Bewahrheitet hat sich die Sorge vor einer Nutzerabwanderung bei dem Vorreiter allerdings nicht.
Netflix zeigt sich indes stark von der eigenen Marktposition überzeugt. Das Unternehmen habe „eine schwer replizierbare Kombination“ aus einem starken inhaltlichen Angebot, „überlegenen“ Empfehlungsmechanismen, einer großen Reichweite und einer „intensiven“ Nutzerbindung aufgebaut, heißt es im Brief an die Aktionäre. Im laufenden Jahr hat Netflix bereits mehrere eigens produzierte Serien veröffentlicht, die beim Publikum eingeschlagen sind, darunter die Science-Fiction-Saga „3 Body Problem“.
Zuletzt sind dabei auch die Bemühungen von Netflix in den Fokus gerückt, die Präsenz im Live-Streaming-Markt zu erhöhen. Ende Januar verkündete das Unternehmen einen zehnjährigen Rechtedeal mit dem Medienkonglomerat TKO Holdings: Im Rahmen der auf 5 Mrd. Dollar bezifferten Vereinbarung wird die Wrestling-Show „WWE Raw“ ab Anfang 2025 exklusiv auf Netflix zu sehen sein. Zudem sichert sich der Streamingdienst internationale Vertriebsrechte für „Raw“ sowie andere WWE-Sendungen in ausgewählten Märkten. Das Netflix-Angebot erweitern bereits jetzt Live-Formate wie Kochshows.
Abgesehen davon schließen Unternehmen wie Warner Bros. Discovery und Disney zunehmend häufiger Rechtevereinbarungen für ihre einst eifersüchtig gehüteten Shows mit Netflix ab. So ist der Klassiker „Six Feet Under“ des Bezahlsenders HBO inzwischen auf der Plattform des Video-on-Demand-Vorreiters zu sehen – eine Verbindung, die in den Anfangstagen der „Streaming Wars“ kaum denkbar erschien.
Zugleich zeigt sich das kalifornische Unternehmen inzwischen kaum noch interessiert daran, die alten Assets von Kabelfernsehsendern aufzukaufen. „Es wird zunehmend klar, dass Netflix die Streaming-Kriege gewonnen hat“, betonten die Analysten von Bank of America bereits zu Jahresbeginn in einer Studie.