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Netflix schließt Milliardenwette auf Live-TV ab

Netflix unterstreicht im Schlussquartal 2023 die eigene Dominanz im Streaming-Markt. Nun will das Unternehmen mit Milliarden-Deals für neue Live-Formate zusätzliche Werbekunden anlocken.

Netflix schließt Milliardenwette auf Live-TV ab

Netflix schließt Milliardenwette auf Live-TV ab

Streamingdienst sichert sich Rechte an Wrestling-Events – Starker Abonnenten-Zuwachs im vierten Quartal – Aktie legt zu

xaw New York

Netflix wagt sich nach einem starken Nutzerwachstum in neue Geschäftsfelder vor. Im vierten Quartal 2023 gewann der Streamingdienst per saldo 13,12 Millionen neue zahlende Abonnenten hinzu und damit so viele wie noch nie in einem letzten Jahresviertel. Im Vorjahreszeitraum belief sich der Zugewinn auf 7,66 Millionen Nutzer. Global kommt die Videoplattform nun auf 260,28 Millionen Abonnenten. Analysten werten die Entwicklung als Signal dafür, dass Netflix mit dem härteren Vorgehen gegen das sogenannte Password Sharing erfolgreich ist. Seit Mai des vergangenen Jahres erschwert das Unternehmen das Teilen von Zugangsdaten für Accounts erheblich – die verbreitete Nutzung durch Trittbrettfahrer hatte den Dienstleister zuvor hohe Einnahmen gekostet.

Bei Anlegern sorgte das deutlich höher als erwartet ausgefallene Wachstum für Hochstimmung: Im nachbörslichen New Yorker Handel legte die Netflix-Aktie zeitweise um mehr als 8% zu. Auch, dass der Streamingdienst den Nettogewinn von 938 Mill. Dollar zwischen Oktober und Dezember zum Vorjahr zwar versiebzehnfachte, damit aber die eigene Zielmarke von 956 Mill. Dollar verfehlte, trübte die Feierlaune an der Wall Street kaum. Der Fokus lag vielmehr auf der operativen Marge, die nach 7% im vierten Quartal 2022 nun bei 16,9% lag, die Prognose des Managements hatte lediglich auf 13,3% gelautet.

Unternehmen zahlt 5 Mrd. Dollar

Vor allem aber rücken die Bemühungen von Netflix in den Fokus, die Präsenz im Live-Streaming-Markt zu erhöhen. Am Dienstagmorgen New Yorker Zeit verkündete das Unternehmen einen zehnjährigen Rechtedeal mit dem Medienkonglomerat TKO Holdings: Im Rahmen der auf 5 Mrd. Dollar bezifferten Vereinbarung wird die Wrestling-Show "WWE Raw" ab Anfang 2025 exklusiv auf Netflix zu sehen sein. Zudem sichert sich der Streamingdienst internationale Vertriebsrechte für "Raw" sowie andere WWE-Sendungen in ausgewählten Märkten.

Die Wrestler der WWE performen bei "Raw" in 52 Wochen im Jahr. Foto: Alejandro Salazar/PX Imagens via ZUMA Press Wire.

Die Formate des globalen Showkampf-Marktführers böten "das beste an Sportunterhaltung und verbinden großartige Charaktere und Storytelling 52 Wochen im Jahr mit Live-Action", teilte Bela Bajaria, Chief Content Officer von Netflix, mit. Bisher ist "Raw" gemessen an der Zahl der jährlichen "Unique Viewer" die meistgesehene Sendung des zu NBC Universal gehörenden USA Network. Durch den Deal mit Netflix verspricht sich TKO, unter deren Dach auch die Kampfsportliga UFC operiert, eine deutlich höhere globale Reichweite. Medienwirksam berief die Holding zudem Filmstar Dwayne "The Rock" Johnson in ihren Verwaltungsrat – der Ex-Wrestler läutete am Dienstagmorgen die Eröffnungsglocke an der New York Stock Exchange und tourte anschließend durch Börsen-TV-Formate wie die CNBC-Sendung "Squawk on the Street", um die Netflix-Vereinbarung zu bewerben.

Bereits am Montag hatte Netflix die Live-Show "Dinner Time" angekündigt, in der Starkoch David Chang Gerichte für Promis zubereiten soll. Das neue Format geht noch in der laufenden Woche an den Start. "Keine Unterhaltungsfirma hat je versucht, in diesem Maßstab und für so viele Geschmäcker und Kulturen zu programmieren", heißt es im vierteljährlichen Brief an die Netflix-Aktionäre.

Starkoch David Chang erhält eine neue Sendung bei Netflix. Foto: Amy Harris/Invision/AP.

Durch das Vordringen in den Markt für Live-Sendungen und das Abwerben bekannter Formate bei der Konkurrenz will das Unternehmen die Bindung der Abonnenten erhöhen und dafür sorgen, dass diese regelmäßiger zuschalten. Dies soll den Streamingdienst für Anzeigenkunden attraktiver machen. Netflix lancierte Ende 2022 eine werbeunterstützte Variante, die mit 6,99 Dollar pro Monat in den USA deutlich günstiger ist als das Standardabonnement für 15,49 Dollar.

Werbe-Abos gewinnen an Fahrt

Nach einem langsamen Start hat das neue Angebot deutlich an Fahrt gewonnen: Laut der Analysefirma Antenna entfielen Ende Dezember 9,42% aller US-amerikanischen Abonnenten von Netflix auf das werbeunterstützte Modell, zum Abschluss des dritten Quartals waren es lediglich 5,75%. In den Märkten, in denen die Variante verfügbar ist, kommen laut dem Streamingdienst inzwischen 40% aller Abschlüsse über sie zustande. Die Werbeeinnahmen sind nach Unternehmensangaben noch kein entscheidender Treiber des Umsatzwachstums, dies soll sich aber ab 2025 ändern.

Für das laufende Jahr rechnet Netflix mit "einem gesunden Erlöswachstum im zweistelligen Bereich", wobei sich dieses im ersten Quartal im Vergleich zu den vorangegangenen Vierteljahren beschleunigen soll. Die Konkurrenz um Warner Bros. Discovery und Disney ringt unterdessen mit strukturellen Problemen bei ihren traditionellen Kabelfernsehsendern, einem deutlich verschärften Wettbewerb und einem wankelmütigen Nutzerverhalten. Denn während Netflix als Vorreiter im Markt inzwischen wieder für eine höhere Abonnentenbindung gesorgt hat, zieht die Konkurrenz ihre Kunden häufig nur für einzelne Inhalte an – nachdem sie diese angesehen haben, kündigen sie ihre Abo-Verträge und ziehen zur nächsten Plattform weiter.

Abgesehen davon schließen Unternehmen wie Warner Bros. Discovery und Disney zunehmend häufiger Rechtevereinbarungen für ihre einst eifersüchtig gehüteten Shows mit Netflix ab. So ist der Klassiker "Six Feet Under" des Bezahlsenders HBO inzwischen auf der Plattform des Video-on-Demand-Vorreiters zu sehen – eine Verbindung, die in den Anfangstagen der "Streaming Wars" kaum denkbar erschien.

Zugleich zeigt sich das Unternehmen aus dem kalifornischen Los Gatos inzwischen kaum noch interessiert daran, die alten Assets von Kabelfernsehsendern aufzukaufen. "Es wird zunehmend klar, dass Netflix die Streaming-Kriege gewonnen hat", schreiben die Analysten von Bank of America in einer Studie.

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