Netzagentur warnt vor "kleinen Energieinseln"

Behördenchef Homann: Dezentrale Autarkie ist Illusion - Bis 2030 jährlich 4 Mrd. Euro für Stromnetze nötig

Netzagentur warnt vor "kleinen Energieinseln"

cru Bonn – Die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien ist nach Einschätzung von Jochen Homann, Präsident der Bundesnetzagentur, mit 30 % Marktanteil erfolgreich – und wird durch neue Auktionsverfahren billiger. “Jede durchgeführte Ausschreibung ist mit sinkender Förderung verbunden, zu der die Investoren bereit sind, eine Anlage anzubieten”, sagte Homann auf einer Konferenz der Kanzlei Freshfields in Bonn. Der Preis sei von 9,1 Cent je Kilowattstunde (kWh) im August 2015 auf 6,9 Cent im Dezember 2016 gefallen. Ausgeschrieben wurden bisher bestimmte Fotovoltaikanlagen, neuerdings auch Meereswindparks. Der Wettbewerb sei erfreulich groß.Künftig werde es für fast alle erneuerbaren Stromerzeugungsarten Ausschreibungen geben. Neben zunehmend günstigeren Ausschreibungsergebnissen ermögliche dies erstmals eine genauere Mengensteuerung des Ökostromausbaus. Diese Mengensteuerung sei auch für den Netzausbau wichtig, der nun aufholen könne. Zudem sei die Stabilität des Netzes zum zentralen Thema für die Bundesnetzagentur geworden. Auch wenn die Sicherungsmechanismen vorerst ausreichend seien, bleibe die Integration der dezentralen Ökostrom-Einspeisung durch Netzausbau die größte Herausforderung der kommenden Jahre.Es gebe die populäre Forderung, auf dezentrale Erzeugung und erzeugungsnahen Verbrauch zu setzen – also auf “viele kleine Energieinseln”. Auch im sogenannten EU-Winterpaket seien solche Ansätze enthalten. “Gegen kleine Stromerzeugungsanlagen und kleine Betreiber ist nichts einzuwenden – gegen kleinteilige Märkte hingegen sehr viel”, warnte Homann. Kleine Strommärkte seien illiquide, ineffizient – und es gebe keinen Einspareffekt für den Netzausbau. “Die vermeintliche Autarkie ist eine Illusion: Ohne Netz wäre eine gewaltige Back-up-Kapazität erforderlich”, sagte Homann.Die vier großen Übertragungsnetzbetreiber haben den Netzentwicklungsplanung bis 2030 fortgeschrieben und geben 50 Mrd. Euro für den Stromleitungsausbau aus – unter anderem wegen des Einsatzes der fünfmal so teuren Erdkabel. “Bis 2030 sind es noch 13 Jahre. Das bedeutet einen jährlichen Investitionsbedarf von fast 4 Mrd. Euro”, sagte Homann. Als Faustformel gelte: Die Annuität aus Abschreibung und Verzinsung betrage circa 10 % der Investitionssumme. Für den Onshore-Teil des Netzentwicklungsplans könne man diese auf 2,9 Mrd. Euro jährlich beim Ausbaustatus des Jahres 2030 schätzen. Auch der unterlassene Ausbau kann indes teuer werden: “Fehlende Netzkapazitäten hinterlassen deutliche Spuren im Geldbeutel.”Den Finanzierungskosten für den Netzausbau stünden Kosten gegenüber, um Netzengpässe zu überbrücken. “Die gäbe es nicht, wenn wir den geplanten Onshore-Netzausbau bereits hätten”, sagte Homann. Netzkunden hätten im Jahr 2015 gut 220 Mill. Euro für Netzreservekraftwerke im In- und Ausland zahlen müssen. 2014 waren es noch 66 Mill. Euro. Hinzu kommt der “Redispatch” – also das Anfahren und Herunterfahren von Kraftwerken, um Engpässe zu verhindern – sowie das Einspeisemanagement, also das Herunterfahren erneuerbarer Stromerzeugung. Im Jahr 2015 entstanden daraus allein Kosten von über 1,1 Mrd. Euro. Diese Kosten würden ohne Netzausbau weiter steigen. Einen Umkehrpunkt, an dem die Kosten eines unterlassenen Netzausbaus wieder sinken, gebe es nicht, so Homann.