Neubilanzierung der Atomlasten spart Eon Milliarden

Weniger Aufzinsung der Rückstellungen treibt laut Konzern den Nettogewinn jährlich um Hunderte Millionen Euro - Konkurrent RWE bestätigt ähnlichen Effekt

Neubilanzierung der Atomlasten spart Eon Milliarden

Der Freikauf aus der “ewigen” Haftung für Kostenrisiken der Atommüll-Lagerung kostet Eon und RWE zunächst viele Milliarden Euro. Er macht sich aber positiv bei den künftig zu erwartenden Nettogewinnen bemerkbar.Von Christoph Ruhkamp, DüsseldorfDie Aktionäre und der neue Finanzchef von Eon können sich nach dem Atom-Deal mit der Bundesregierung auf milliardenschwere Entlastungen freuen, die den Gewinn treiben. Der Grund sind Änderungen bei der bilanziellen Behandlung der Kosten für die Entsorgung des Atommülls, die den Nettogewinn um jährlich bis zu eine halbe Milliarde Euro erhöhen werden. Das geht aus der jüngst neu veröffentlichten Investorenpräsentation und aus ergänzenden Erläuterungen aus dem Umfeld des Essener Energiekonzerns hervor.Es geht dabei um eine wegfallende beziehungsweise verringerte Aufzinsung der Rückstellungen für die Atommüll-Kosten. Eon muss bis Jahresmitte 2017 gut 9,8 Mrd. Euro in bar an einen staatlichen Fonds überweisen, der dafür die Ewigkeitslasten der Endlagerung des Atommülls übernimmt. Der Betrag besteht aus den schon gebildeten Rückstellungen von rund 8 Mrd. Euro und einem Risikoaufschlag. Nach der Zahlung hat dies positive bilanzielle Effekte: Die an den staatlichen Fonds übertragenen Rückstellungen müssen nicht mehr jährlich aufgezinst werden. Dadurch werde der Nettogewinn um jährlich 200 Mill. Euro bis 250 Mill. Euro höher ausfallen, heißt es in der neuesten Investorenpräsentation auf Seite 5.Hinzu kommt noch ein weiterer positiver Effekt. Bei Eon verbleiben die Rückstellungen für den Abriss, der Atomkraftwerke und die Verpackung des Atommülls, die mit rund 9,7 Mrd. Euro in derselben Größenordnung wie für die Endlagerung liegen. Anders als bei den “ewig” andauernden Kosten für die Endlagerung, die jetzt der Staat übernommen hat, gilt für die Rückstellungen für die Stilllegung nun bei der Verzinsung beziehungsweise der Diskontierung ein wesentlich kürzerer, überschaubarerer Zeithorizont. Weniger KostenrisikenDas führt dazu, dass das Risiko von Kostensteigerungen neu – und voraussichtlich geringer – bewertet werden kann, wie aus dem Umfeld des Konzerns verlautet. Bisher mussten die Rückstellungen für die Stilllegung mit mehr als 4 % jährlich aufgezinst werden. Künftig dürfte dieser Zinssatz laut Konzernkreisen unter 1 % sinken. Die Folge: Eon spart noch einmal zusätzlich 200 Mill. bis 250 Mill. Euro im Jahr, die den Nettogewinn nach oben treiben. Auch bei RWE, die gut 6,8 Mrd. Euro an den staatlichen Atomfonds überweisen muss, wird sich künftig ein geringerer Finanzaufwand für die Atom-Rückstellungen ergeben, wie vom Konzern bestätigt wird.Die Neubilanzierung der Atom-Rückstellungen könnte nach den immensen Belastungen der Energiewende ein dringend benötigter Treiber für den Aktienkurs von Eon werden. Der Börsenwert des Konzerns hat sich seit November 2016 um rund 20 % erhöht auf 14,5 Mrd. Euro. Am Montag kletterte der Kurs um zeitweise 1 % auf 7,24 Euro.Dennoch bleiben die Herausforderungen für den neuen Eon-Finanzchef groß: Marc Spieker ist zu Jahresbeginn in den Vorstand eingetreten und übernimmt ab 1. April den Posten vom scheidenden Finanzvorstand Michael Sen, der zu Siemens zurückwechselt. Zu den großen Schwierigkeiten, die Spieker meistern muss, zählt unter anderem, wie der Konzern die Milliardenzahlung an den Atomfonds finanzieren wird.Diese Unsicherheit hat sich zuletzt zumindest teilweise verringert. Nach dem Bundestag hat auch der Bundesrat dem Gesetz zur Neuordnung der kerntechnischen Entsorgung zugestimmt. “Jetzt fehlen nur noch die öffentlich-rechtlichen Verträge zwischen den Unternehmen und der Bundesregierung”, sagt Analyst Werner Eisenmann von der DZ Bank. Die Bundesregierung dürfte nochmals auf die Rücknahme aller Klagen im Bereich der Kernenergie drängen, scheine aber kein richtiges Druckmittel zu besitzen. Chance aus Klagen bleibtBisher habe Eon zwar auf einige Klagen verzichtet, wolle aber die finanziell umfänglichsten Klagen, darunter die gegen die Brennelementesteuer mit einem Streitwert von rund 3 Mrd. Euro und die Ansprüche aus dem jüngsten Urteil des Bundesverfassungsgerichts von mehreren hundert Millionen Euro aufrechterhalten. Insbesondere ein positives Urteil bei der Brennelementesteuer würde die Finanzierung der zum 1. Juli fälligen Einzahlung in den Atomfonds von 9,8 Mrd. Euro erleichtern. Eine Bezugsrechtskapitalerhöhung hat Eon ausgeschlossen. Neben einer 10-prozentigen Kapitalerhöhung mit einem Umfang von 1,3 Mrd. Euro unter Ausschluss des Bezugsrechts könnte laut DZ Bank ein Finanzierungspaket geschnürt werden, das Pflichtwandelanleihen und den Verkauf von Kraftwerken aus dem Bereich erneuerbare Energien sowie Investitionskürzungen enthält.