AUTOMESSE SCHANGHAI

Neue Chancen auf Chinas Automarkt

Deutsche Marken können noch aufdrehen - Mercedes-Stern funkelt besonders hell - Aufholjagd bei Elektro

Neue Chancen auf Chinas Automarkt

Die globalen Autobauer stehen vor einer Bewährungsprobe im weltgrößten Pkw-Markt. Auslaufende Steuervorteile für Kleinwagen sorgen in diesem Jahr für einen geringeren Wachstumstrend. Bei den deutschen Herstellern überwiegt dennoch der Optimismus. Die Premiummarken BMW und Mercedes sind derzeit mit flotten Wachstumsraten in China unterwegs. Bei Audi gibt es heftige Schleifspuren, doch zeichnet sich eine Wende ab.Von Norbert Hellmann, SchanghaiAn der wachsenden Bedeutung des chinesischen Marktes für die globalen Autobauer gibt es keinen Zweifel. Nach einem extrem starken Jahr 2016 mit 18 % Wachstum im Pkw-Segment werden die Märkte in den USA und Westeuropa immer deutlicher abgehängt. Mittlerweile haben rund 28 % aller weltweit verkauften Pkw ihre Käufer im Reich der Mitte gefunden. Trotz eines voraussichtlich gedrosselten Wachstums im laufenden Jahr geht die Schere zu den USA und Europa immer weiter auseinander (siehe Grafik).Freilich sorgen Entwicklungen an der steuerlichen Front dafür, dass der Vergleich mit 2016 wenig schmeichelhaft auszufallen droht, weil eine von der chinesischen Regierung im Herbst 2015 eingeführte steuerliche Fördermaßnahme zur Beflügelung des Marktes schrittweise abgebaut wird. Nach einem Boom bei den kleinmotorigen Fahrzeugen mit Hubraum von bis zu 1,6 Litern im vergangenen Jahr sorgt die geänderte Steuersituation für geringere Umdrehungen im Gesamtabsatz. Verhaltene PrognoseBeim Verband der Automobilindustrie (VDA) setzt man eine konservative Prognose von 5 % Wachstum auf dann knapp 25 Millionen verkaufte Pkw für das Jahr 2017 an. VDA-Geschäftsführer Klaus Bräunig zeigte sich in Schanghai zuversichtlich, dass die deutschen Autobauer das Tempo und ihren Marktanteil von zuletzt 19 % halten können.Bei BMW rechnet man damit, das im vergangenen Jahr erzielte Absatzplus von 12 % auch in diesem Jahr halten zu können. Vertriebsvorstand Ian Robertson visiert ein niedriges zweistelliges Wachstum an. Im Hause Daimler wiederum kann man in jedem Fall davon ausgehen, das Tempo des Gesamtmarktes sehr deutlich zu übertreffen. Mercedes hat im ersten Quartal die weltweite Marktführerschaft im Premiumsegment an sich gerissen und auch in China dort erstmals Audi und BMW überholt. S-Klasse im BlickpunktDaimler profitiert derzeit vor allem von Erfolgen der E-Klasse und den ebenfalls in China produzierten SUV-Modellreihen GLA und GLC, aber auch der importierten S-Klasse. Für die Schanghai-Messe hat man sich auch die Weltpremiere der aufgefrischten S-Klasse aufgehoben. Wie Daimler-Chef Dieter Zetsche in Schanghai betonte, hat sich der Anteil Chinas am weltweiten Absatz bei der S-Klasse auf 30 % und beim Maybach auf 60 % geschraubt und dürfte weiter ansteigen.Eine in China lokalisierte Produktion ist für die S-Klasse auf absehbare Zeit denn auch nicht vorgesehen, zumal es auch darum geht, den impliziten Qualitätsnimbus des Made in Germany für die Flaggschiffmodelle zu wahren. Was den Joint-Venture-Betrieb von Mercedes mit der chinesischen BAIC angeht, versichert Daimler-Vorstand und China-Chef Hubertus Troska, dass man keinerlei limitierende Faktoren für die künftige Expansion mit diesem Partner sieht. Dies heißt im Klartext, dass Daimler keinen zweiten Joint-Venture-Partner in China sucht.Ganz anders sieht dies freilich beim Konkurrenten Audi aus, der nach Absatzeinbrüchen im ersten Quartal seine langjährige Marktführerschaft im chinesischen Premium-Automarkt einstweilen eingebüßt hat. Audi hat sich dazu entschieden, seine bislang exklusive Partnerschaft mit FAW durch ein zweites Joint Venture mit SAIC zu ergänzen. Obwohl man damit die gleiche Struktur wie bei der Konzernmutter VW anpeilt, die seit jeher in China mit zwei Joint Ventures bei FAW und SAIC unterwegs ist, sah man heftige Gegenreaktionen. So scheinen die Audi-Händler in China versucht zu haben, mit einer Drosselung der Verkäufe eine Absage an das SAIC-Projekt zu erzwingen. Audi setzt auf die lange FristWie Audi-Chef Rupert Stadler in Schanghai betonte, entspringt die Entscheidung für einen zweiten Audi-Partner einer klaren strategischen Logik zur Absicherung eines langfristigen Wachstums. Stadler ist optimistisch, dass sich die Situation beruhigt. Schon am Vortag hieß es bei Volkswagen, dass man in den Verhandlungen große Fortschritte erzielt hat und sich eine baldige friedliche Lösung abzeichnet. Wie schnell sich das Audi-Geschäft in China im weiteren Jahresverlauf dann wieder erholen kann, bleibt allerdings noch offen, so dass Stadler derzeit keine konkreten Prognosen für die diesjährige Absatzentwicklung geben mag. QuotengerangelIn der laufenden Diskussion über die von der chinesischen Regierung geplanten Auflagen beziehungsweise Produktionsquoten für Fahrzeuge mit Elektroantrieb hoffen die deutschen Autobauer auf mehr zeitlichen Vorlauf für technologische Anpassungen. Insgesamt aber sieht man bei den Herstellern die sich langfristig abzeichnenden Vorgaben aus Peking nicht als ernste Bedrohung für das Geschäftsmodell an.Im vergangenen Jahr sind die Zulassungen von rein batteriebetriebenen und hybriden Fahrzeugen um 64 % auf 338 400 geklettert. Damit hat China nun auch in diesem Bereich Westeuropa mit zuletzt 207 000 verkauften Elektrofahrzeugen im vergangenen Jahr klar überholt. Für deutsche Marken gibt es hier allerdings noch Aufholbedarf. Während sie im westeuropäischen Markt für Elektroautos einen Anteil von 50 % haben, liegen sie in China gegenwärtig nur bei 2 %.