RECHT UND KAPITALMARKT - IM INTERVIEW: MARK PAWLYTTA

Neue Erbrechtsverordnung erfordert Anpassungen im Testament

Lebensmittelpunkt und nicht mehr Wohnsitz des Erblassers entscheidend

Neue Erbrechtsverordnung erfordert Anpassungen im Testament

– Herr Pawlytta, am 17. August tritt die EU-Erbrechtsverordnung in Kraft. Was ändert sich für die Erblasser?Die EU regelt erstmalig das internationale Erbrecht und löst damit die nationalen Bestimmungen der EU-Mitgliedsländer ab. Stirbt zum Beispiel ein Deutscher ab dem 17.8.2015, so wird er regelmäßig nach dem Recht seines letzten gewöhnlichen Aufenthalts beerbt, auch wenn dieser Ort im Ausland liegt, und zwar gleichgültig, wo sich sein Vermögen befindet. Die neue EU-Erbrechtsverordnung wird auch gerichtliche Zuständigkeiten vereinheitlichen und erstmalig einen europäischen Erbschein einführen, der als Alternative zum Beispiel neben den deutschen Erbschein treten wird. Die nationalen Erbschaftsteuerrechte werden übrigens von der EU-Erbrechtsverordnung nicht berührt.- Skizzieren Sie bitte einen klassischen Fall der Betroffenen.Deutsche, die dauerhaft auf Mallorca leben und dort ihren Lebensmittelpunkt haben, werden zukünftig nach spanischem Recht und nicht mehr nach deutschem Recht beerbt. Spanier oder Italiener mit gewöhnlichem Aufenthalt in Deutschland werden hingegen nach deutschem Recht beerbt, auch wenn sie weiterhin ein Haus in Spanien oder Italien haben, für viele eine überraschende Folge. Ein in der Vergangenheit errichtetes Testament könnte aufgrund der neuen Regeln die ursprünglich gewünschte Wirkung verlieren.- Wie war die bisherige Rechtslage?In Europa galt bislang ein Flickenteppich, jeder Staat hatte eigene Regeln für internationale Erbfälle. Aus deutscher Sicht wurde zum Beispiel ein Deutscher regelmäßig nach deutschem Recht beerbt, auch wenn er im Ausland lebte und starb. Andere Staaten wie etwa Frankreich und Großbritannien haben auf den Wohnsitz des Verstorbenen und die Belegenheit von Immobilien abgestellt, so dass in ein und demselben Erbfall unterschiedliche nationale Erbrechte gleichzeitig zur Anwendung kommen konnten. Leider haben sich Großbritannien, Dänemark und Irland nicht an der neuen Erbrechtsverordnung beteiligt, sie halten an ihren nationalen Vorschriften fest.- Laut der Verordnung ist das Erbrecht des Landes anzuwenden, in dem der Erblasser zuletzt seinen “gewöhnlichen Aufenthalt” hatte. Was ist unter gewöhnlichem Aufenthalt zu verstehen?Die neue EU-Erbverordnung enthält hierzu wenig Konkretes, aber im Kern ist der letzte familiäre und soziale Lebensmittelpunkt des Verstorbenen gemeint, den ein Mensch nach Meinung der EU immer nur einmal haben kann. Die EU möchte den Gerichten die Bestimmung überlassen, was genau darunter zu verstehen ist, aber erste Anhaltspunkte gibt es bereits. Der gewöhnliche Aufenthalt ist übrigens nicht mit dem letzten Wohnsitz zu verwechseln, da man mehrere Wohnsitze haben kann, jedoch nach der neuen Verordnung nur einen Lebensmittelpunkt.- Sind die nationalen Erbrechtssysteme überhaupt so unterschiedlich?Ja, es gibt durchaus große Unterschiede. In Deutschland ist das Pflichtteilrecht zum Beispiel ein reiner Geldanspruch, in anderen Staaten wie etwa in Spanien oder Italien können enterbte Angehörige einen direkten Anteil am Haus oder der Firma erhalten. Ein Pflichtteilverzicht, der zum Beispiel in Deutschland geschlossen wurde, kann in anderen Staaten (zum Beispiel Italien) als unwirksam angesehen werden. Das bei Deutschen beliebte Berliner Testament ist im Ausland häufig verboten, und Testamentsvollstreckungen sind im Ausland oft nur eingeschränkt möglich, so gibt es in Frankreich anders als in Deutschland keine langfristige Dauervollstreckung.- Kann man im Testament künftig festlegen, welches Erbrecht gelten soll?Ja, man hat ein Wahlrecht. Wer nicht möchte, dass er nach dem Recht des letzten gewöhnlichen Aufenthalts beerbt wird, etwa weil er nicht genau weiß, wo dieser Ort zukünftig liegen wird, kann das Recht seiner Staatsangehörigkeit wählen, zum Beispiel ein Deutscher auf Mallorca das deutsche Erbrecht. Er muss nur einige erbrechtliche Vorgaben beachten.—-Mark Pawlytta ist Rechtsanwalt und Leiter der Praxisgruppe Familienunternehmen, Nachfolge & Stiftungen bei KPMG Law. Die Fragen stellte Sabine Wadewitz.