Neue Sterbetafeln treiben Altersvorsorge hoch
Mit der Veröffentlichung neuer Sterbetafeln zeichnen sich höhere Belastungen in der Altersvorsorge in Unternehmen ab. Philipp Schoepffer, Chefaktuar und Partner der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft EY, erläutert im Interview das Szenario.- Herr Schoepffer, Heubeck, der Spezialist für betriebliche Altersvorsorge, hat neue Sterbetafeln veröffentlicht. Danach ist die Lebenserwartung weiter gestiegen. Zudem werden erstmals sozioökonomische Faktoren berücksichtigt, wonach Arbeitnehmer mit höheren Alterseinkommen länger leben. Wie stark werden die Pensionsrückstellungen zunehmen?Deutschlandweit rechne ich mit einer Erhöhung der Pensionsrückstellung in der Größenordnung von circa 8 Mrd. Euro. Für einzelne Unternehmen dürfte der Effekt bei 1 bis 3 % der bilanzierten Pensionsverpflichtungen liegen. Im Einzelfall ist dies vor allen davon abhängig, in welchem Umfang die Altersvorsorge lebenslange Leistungen umfasst und vom Alter der Begünstigten. Am stärksten dürften junge Populationen betroffen sein.- Wirtschaftsprüfer und Unternehmen haben sich überrascht gezeigt über die Aktualisierung. Die letzte Anpassung liegt 13 Jahre zurück. War eine Neuauflage nicht angeraten?Wenn man sich im internationalen Umfeld umschaut, finden Aktualisierungen teilweise deutlich häufiger statt; 13 Jahre ist da schon ein sehr langer Zeitraum. Was genau der Auslöser für die Aktualisierung zu genau diesem Zeitpunkt ist, ist nicht ganz klar. Jedoch kam die Veröffentlichung auch für viele Unternehmen überraschend und bringt gerade diejenigen mit einem unterjährigen Bilanzstichtag in eine schwierige Lage. – Das Bundesfinanzministerium schreibt die Heubeck-Tafeln für die Steuerbilanz vor. Müssen Unternehmen auch in der HGB-Bilanzierung darauf zurückgreifen?Streng genommen nicht. Allerdings bilden die Heubeck-Tafeln auch hier fast ausnahmslos die Grundlage, da einzelnen Unternehmen nicht über hinreichend Daten verfügen, um ein komplettes Tafelwerk aufzubauen. Nicht selten werden die Standardtafeln jedoch in einzelnen Punkten modifiziert. – Wie sieht es in der IFRS-Welt aus?IFRS-Bilanzierer sind noch stärker verpflichtet zu prüfen, ob die Tafeln für die zu bewertenden Verpflichtungen angemessen sind. Dadurch werden hier die Tafeln häufiger modifiziert, als bei reinen HGB-Bilanzierern. – Wie stark wird in der Praxis modifiziert? Unternehmen haben ja heterogene Belegschaften.Eine sinnvolle Modifikation setzt große Datenmengen voraus, um statistisch valide Aussagen zu kommen. Typische Modifikation betrafen in der Vergangenheit die Erhöhung der Lebenserwartung um bis zu ein Jahr sowie eine Reduktion der Invalidisierungswahrscheinlichkeiten.- Wie transparent ist die Herleitung der neuen Heubeck-Tafeln?Bei der Anwendung statistischer Methoden gibt es sehr unterschiedliche anwendbare Techniken und Möglichkeiten, Ergebnisse zu interpretieren. In der Regel kann man mit demselben Datenmaterial zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen. Vor dem Hintergrund, dass Pensionsrückstellung bei einigen Unternehmen bis zu 90 % der Bilanzsumme ausmachen, wäre es daher für einige Unternehmen und auch aus Sicht der Prüfung zu begrüßen, auch Zugriff auf die Rohdaten und Zwischenergebnisse zu haben. Auch aus Gründen der Qualitätssicherung wäre dies wünschenswert. – In anderen Ländern sind typischerweise Aktuarvereinigungen für die Erstellung der Sterbetafeln zuständig. Wie kommt es, dass hierzulande ein privatwirtschaftlich geführtes Unternehmen diese Aufgabe übernommen hat?Die Gründe sind mir nicht bekannt, da ja auch eine deutsche Aktuarvereinigung existiert. – Hat es in Nachbarländern in der jüngeren Zeit ähnliche Anpassungen in der Schätzung der Lebenserwartung gegeben?In der Regel gibt es hier regelmäßige Überprüfungen. In Großbritannien zum Beispiel hat es in 2008 und 2014 Anpassungen gegeben. Eine weitere wird Ende 2018/Anfang 2019 erwartet. In den Niederlanden findet alle zwei Jahre eine Überprüfung und Aktualisierung statt.—- Die Fragen stellte Sabine Wadewitz.