GASTBEITRAG

Neuer IFRS-Leasingstandard für mehr Transparenz

Börsen-Zeitung, 5.2.2016 Knapp zehn Jahre hat es gedauert und mehrere Runden waren notwendig, um neue Leasingregelungen zu entwickeln - nun ist das Werk vollbracht. Der neue Standard zur Bilanzierung von Leasingverhältnissen (dies umfasst auch Miet-...

Neuer IFRS-Leasingstandard für mehr Transparenz

Knapp zehn Jahre hat es gedauert und mehrere Runden waren notwendig, um neue Leasingregelungen zu entwickeln – nun ist das Werk vollbracht. Der neue Standard zur Bilanzierung von Leasingverhältnissen (dies umfasst auch Miet- und Pachtverträge) nach internationalen Rechnungslegungsvorschriften (IFRS) ist durch den Standardsetter IASB in London veröffentlicht worden. Die alten Regelungen waren dem IASB schon lange ein Dorn im Auge, da sie zwischen Mietleasing und Finanzierungsleasing unterscheiden. Bei Mietleasing tauchen bislang beim Leasingnehmer nur die laufenden Leasingzahlungen in der GuV auf, in der Bilanz werden diese Verpflichtungen dagegen nicht erfasst. Nur bei einer Einstufung als Finanzierungsleasing zeigt die Bilanz den geleasten Vermögenswert und die korrespondierende Verpflichtung. Hinsichtlich der bilanziellen Behandlung gleicht das Leasingverhältnis dann einem kreditfinanzierten Erwerb. Alles in die BilanzDiese scharfe Trennlinie und das damit verbundene völlig unterschiedliche Bilanzbild laden aus Sicht der Standardsetzer dazu ein, eine Off-Balance-Behandlung von Leasingverträgen zu erreichen. Nach Ansicht des IASB hat der Abschlussleser damit jedoch nicht alle Informationen zur Beurteilung der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage. Zwar müssen die Verpflichtungen aus diesen Dauerschuldverhältnissen im Anhang angegeben werden, sie beeinflussen aber eben nicht die Bilanzkennzahlen wie den Verschuldungsgrad oder die Eigenkapitalquote. Die Vertragspartner versuchen bislang in der Regel, das Leasingverhältnis für den Leasingnehmer “off balance” auszugestalten, oftmals sehr eng im Grenzbereich einer Einstufung als Miet- oder Finanzierungsleasing. Mit KonsequenzDer neue Standard IFRS 16 soll nun die bilanzielle Transparenz von Leasingverhältnissen verbessern und gestalterische Möglichkeiten reduzieren. Grundsätzlich tauchen künftig alle Leasingverhältnisse im Anwendungsbereich des Standards in der Bilanz des Leasingnehmers auf. Bilanziert wird nunmehr das Nutzungsrecht über den geleasten Gegenstand. Gleichzeitig gibt es eine finanzielle Verbindlichkeit in Höhe der künftigen Leasingzahlungen. Ein Leasingverhältnis gilt somit konsequent als Finanzierungsvorgang.Das hat zwei bedeutende Konsequenzen: einerseits eine Bilanzverlängerung, die allein das Fremdkapital betrifft. Dadurch verändern sich die statischen Bilanzkennzahlen, insbesondere steigt der Verschuldungsgrad. Zum anderen verändern sich auch GuV-Größen wie das Betriebsergebnis, Ebit oder Ebitda. Während bislang beim Mietleasing die Leasingzahlungen in der Regel linear im operativen Ergebnis enthalten sind, muss zukünftig die Abschreibung des Leasinggegenstandes getrennt vom Zinsaufwand erfasst werden. Zudem ändert sich die Aufwandsverteilung, da die Summe aus linearer Abschreibung und im Zeitablauf sinkendem Zinsaufwand zunächst höher ist als die Leasingzahlungen. Damit werden frühere Perioden der Vertragslaufzeit GuV-seitig stärker belastet als spätere. Wenige AusnahmenAusnahmen von der grundsätzlichen Erfassung von Leasingverträgen “on balance” für Leasingnehmer sind nur in zwei Bereichen aus Kosten-Nutzen-Erwägungen vorgesehen. Zum einen kann sich ein Unternehmen dafür entscheiden, das neue Leasingnehmermodell nicht auf kurzlaufende Leasingverhältnisse anzuwenden, deren vertragliche Laufzeit zwölf Monate oder weniger beträgt. Zum anderen müssen geleaste Vermögenswerte von geringem Wert nicht nach den neuen Regeln bilanziert werden. Eine konkrete Wertgrenze gibt der IASB im Standardtext nicht vor. Allein in den erläuternden Grundlagen für Schlussfolgerungen, die jedoch nicht verbindlich sind, erwähnt der IASB eine absolute Grenze von 5 000 US-Dollar. Auch wenn dieser Wert einen aktuellen Anhaltspunkt dafür gibt, was der IASB für Zwecke von IFRS 16 als geringwertig ansieht, bleibt doch beispielsweise offen, ob, und wenn ja, welche Anpassungen im Zeitablauf zur Berücksichtigung von Inflation und Wechselkursänderungen erforderlich sind.Änderungen bei der Bilanzierung des Leasingnehmers betreffen vor allem Unternehmen, die in großem Ausmaß Mietleasingverträge abgeschlossen haben und die die damit verbundenen Verpflichtungen bislang allein außerbilanziell zeigen. Mit den im Anhang enthaltenen Angaben lässt sich auch heute schon überschlägig simulieren, welche Auswirkungen sich durch IFRS 16 für die Bilanzen der Unternehmen ergeben. Nach unseren überschlägigen Berechnungen anhand der Angaben in den Geschäftsberichten 2014 werden im Dax und MDax die größten absoluten Beträge bei der Deutschen Telekom (mehr als 14 Mrd. Euro), der Metro (mehr als 7 Mrd. Euro) und der Deutschen Post (mehr als 6 Mrd. Euro) auf die Bilanz kommen.Für die Bilanz der Leasinggeber sind die Auswirkungen weit weniger dramatisch. Bis auf Änderungen der Terminologie und im Anwendungsbereich gelten die bisherigen Regelungen grundsätzlich unverändert fort. Damit herrscht zukünftig keine Symmetrie mehr bei der Bilanzierung von Leasinggeber und -nehmer. Finanzdienstleister als typische Leasing- und Kreditgeber sollten sich dennoch auch aus anderen Gründen intensiv mit dem Thema beschäftigen. Wie bereits oben erwähnt, ändern sich Kennzahlen bei Leasingnehmern, welche häufig Basis für Kreditentscheidungen, -konditionen und Covenants sind. So kann der Fall eintreten, dass zum Beispiel durch die Erhöhung des Verschuldungsgrades ohne Änderung an den wirtschaftlichen Umständen die vereinbarten Covenants verletzt werden.Daneben behandelt IFRS 16 auch andere Fragestellungen der Leasingbilanzierung. Hier ist insbesondere die Abgrenzung eines Leasingverhältnisses eines Dienstleistungsvertrags, die Behandlung variabler Leasingzahlungen sowie die Bilanzierung von Sale-and-Lease-back-Transaktionen zu nennen.In zeitlicher Nähe zum IASB wird übrigens auch der US-amerikanische Standardsetter FASB eine Überarbeitung der Leasingvorschriften veröffentlichen. Anders als ursprünglich angestrebt, werden die Regelungen nicht gleichlautend sein. An einigen wichtigen Punkten haben sich die Standardsetter nicht einigen können, vor allem bei der Anwendung eines einheitlichen Bilanzierungsmodells für den Leasingnehmer. Es bleibt also – wie bislang – bei Unterschieden in der Bilanzierung von Leasingverhältnissen. Gegenwind drohtDie neuen Vorschriften sind vom 1. Januar 2019 an verpflichtend anzuwenden. Das Endorsement-Verfahren in der EU steht aber noch aus und dürfte kein leichter Gang werden. Nicht zuletzt von der Leasingindustrie ist Gegenwind zu erwarten, da die bisherige Möglichkeit zur Off-Balance-Behandlung beim Leasingnehmer oft ein wesentlicher Anreiz zum Abschluss von Leasingverhältnissen ist.Vor allem Unternehmen mit vielen Leasingverträgen sollten sich jedoch frühzeitig mit IFRS 16 befassen. Die Erfahrung zeigt, dass viele Unternehmen bislang keine Datenbank oder sonstige Informationsquellen über Leasingverträge vorhalten können, die vollständig ist. Die vorhandenen Systeme haben häufig keine ausreichende Qualität, die in einem ersten Schritt für die Betroffenheitsanalyse und darauf aufbauend für die korrekte Bilanzierung nach IFRS 16 erforderlich ist. Der Prozess der Datensammlung und -aufbereitung ist oftmals sehr aufwendig, und Zeit und Kosten hierfür sind nicht zu unterschätzen, um eine zuverlässige Lösung zu implementieren.Ergänzend sollte bei erwarteten größeren Auswirkungen frühzeitig eine Kommunikation an die relevanten Stakeholder angestoßen werden. Auch wenn das Jahr 2019 noch fern liegende Zukunft zu sein scheint, können wir nur raten, sich frühzeitig mit den neuen Leasingvorschriften zu beschäftigen.—-Jens Berger, Leiter IFRS Centre of Excellence, Deloitte —-Hendrik Nardmann, Leiter IFRS Advisor Services, Deloitte