Neuer Telekomriese in Großbritannien

Telefónica und Liberty Global legen britische Töchter zusammen - Spanier halten trotz Gewinnrückgang an Dividende fest

Neuer Telekomriese in Großbritannien

Die Fusion des Mobilfunkanbieters O2 und des Kabelbetreibers Virgin Media schafft einen Konkurrenten für den Platzhirsch BT. Mit einem Wert von 31 Mrd. Pfund ist es der größte Deal seit Ausbruch der Corona-Pandemie. Die Spanier können mit dem Erlös aus dem Deal ihren Schuldenabbau voranbringen.ths/hip Madrid/London – So eine Verhandlung habe er noch nie erlebt, erzählte der Vorsitzende von Telefónica, José María Alvarez-Pallete. In den vergangenen Wochen mussten die Teams von Telefónica und Liberty Global wegen der Coronavirus-Pandemie die Fusion ihrer Geschäfte in Großbritannien praktisch aus dem Homeoffice in die Wege leiten. Nun entsteht der nach Kunden – nicht nach Umsatz – führende Telekommunikationsanbieter auf den Inseln. Die Kombination des größten Mobilfunkanbieters O2 von Telefónica und Virgin Media des US-Konzerns Liberty Global macht dem Ex-Monopolisten BT das Leben schwer.Die Konzerne aus Spanien und den USA bestätigten am Donnerstag die Operation, die bereits in den letzten Tagen durchgesickert war. Der Zusammenschluss von O2, dem führenden Mobilfunkanbieter, und dem Kabelnetzbetreiber Virgin Media hat einen Wert von 31 Mrd. Pfund. Demnach wird O2 mit 12,7 Mrd. Pfund und Virgin Media mit 18,7 Mrd. Pfund bewertet. Die Liberty-Tochter bringt im Gegensatz zu O2 rund 11 Mrd. Pfund Schulden mit in die Ehe ein.Im Gegensatz zu anderen europäischen Ländern sind im Vereinigten Königreich die großen Breitband- und Mobilfunkanbieter nicht identisch. Deshalb könnte ein Zusammenschluss wie der nun verkündete weitere Konsolidierungsschritte nach sich ziehen. Der britische Regulierer Ofcom hatte in der Vergangenheit durchblicken lassen, dass ihm an der Existenz von mindestens vier Mobilfunkbetreibern gelegen ist. Die Zusammenführung von Mobilfunk- und Festnetzangeboten erwies sich dagegen als weniger problematisch.BT Group konnte der Deutschen Telekom und Orange den Mobilfunkbetreiber EE abnehmen, ohne sich dafür von Teilen des Geschäfts zu trennen. Kein Wunder, dass seit Jahren über einen möglichen Kauf von Virgin Media durch Vodafone spekuliert wurde. Der Telekom-Rivale arbeitet bereits in den Niederlanden erfolgreich mit Liberty Global zusammen. Er könnte immer noch dazwischenfunken.”Das ist ein Riesenschritt für uns”, erklärte Alvarez-Pallete auf einer virtuellen Pressekonferenz. Die Spanier stärken mit dem Deal ihre Position in Großbritannien, einem von vier Kernmärkten, auf welche sie sich neuerdings konzentrieren. Doch gibt Telefónica auch Kontrolle ab. Denn das Joint Venture ist absolut paritätisch ausgelegt. Der Aufsichtsrat wird mit jeweils vier Vertretern von Telefónica und Liberty Global besetzt und der Vorsitz wechselt alle zwei Jahre. Der Chef von Liberty Global, Mike Fries, beginnt den Turnus. Nach einem CEO werde derzeit noch gesucht, erklärte Alvarez-Pallete. Nach einer Frist von drei Jahren können beide Partner Anteile veräußern, unter Anwendung eines Vorkaufsrechts des anderen. Vollzug Frühjahr 2021Die Fusion soll im zweiten Quartal nächsten Jahres abgeschlossen sein. Probleme seitens der Aufsichtsbehörden erwartet Alvarez-Pallete nicht, da vor wenigen Jahren BT und EE einen ähnlichen Zusammenschluss vollziehen durften. Unter welcher Marke das Unternehmen zukünftig operiert, ist noch nicht klar. Bei Telefónica verwies man jedoch auf den Umstand, dass die Markenrechte für Virgin Media bei Richard Branson liegen, während O2 ihnen gehört. Das fusionierte Geschäft soll Synergien von 540 Mill. Pfund pro Jahr ergeben. Die Verschuldung wurde “langfristig” bei 18 Mrd. Pfund angesiedelt.Die in Worten von Alvarez-Pallete “größte Operation in der Geschichte von Telefónica” hat nicht nur strategischen Wert. Die Spanier können durch den Deal auch rund 6,5 Mrd. Euro einstreichen, die zur Tilgung der nach wie vor hohen Schulden dienen sollen. Die Verbindlichkeiten stiegen bis Ende März wieder leicht auf 38,2 Mrd. Euro, wie das Unternehmen im Rahmen seiner Quartalszahlen am Donnerstag vermeldete.Seit Jahren bemüht sich der Madrider Konzern, durch Veräußerungen und Kooperationen die Belastungen zu reduzieren. So wurden unter dem Strategieplan von November die Geschäfte in Lateinamerika, außer Brasilien, in einen neuen Bereich ausgegliedert und zum Verkauf freigegeben. “Der Deal in Großbritannien zeigt, dass wir auch in diesen schwierigen Zeiten unsere Strategie durchziehen können”, unterstrich der Telefónica-Chef.Die Coronaviruskrise habe “begrenzte Auswirkungen” auf das Ergebnis im ersten Quartal gehabt, da positive Entwicklungen die negativen weitgehend ausgeglichen hätten. Der Reingewinn sank gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 56 % auf 406 Mill. Euro, was jedoch auch an Sondereinnahmen von fast 200 Mill. Euro in 2019 lag. Der Umsatz ging um 5 % auf 11,3 Mrd. Euro zurück, wofür die Spanier die Abschwächung des brasilianischen Real verantwortlich machten. Alvarez-Pallete rechnet nach anhaltenden Problemen durch die Pandemie im zweiten Quartal mit einer “starken Erholung” in der zweiten Jahreshälfte.In den vier erklärten Kernmärkten, Spanien, Brasilien, Deutschland und Großbritannien lief es im ersten Jahresabschnitt im operativen Geschäft gut. Daher hält Telefónica im Gegensatz zu anderen Telekomriesen an der Dividende von 0,40 Euro für 2020 fest, die jedoch in Aktien angeboten wird.