PUSH-OUT SCORE

Neues Konsumverhalten sorgt für Druck auf CEOs

Chefs mit anderem Fähigkeitsprofil sind gefragt - Bittersüßer Abschied bei Lennar - Glorreicher Schritt bei Commerce Bancshares - Frostiger Abgang bei Mattel

Neues Konsumverhalten sorgt für Druck auf CEOs

Lennar Corp., Commerce Bancshares Inc. und Mattel Inc. gehören zu den US-Unternehmen, die im April einen Chefwechsel angekündigt haben. Untersuchungen mit dem Analysemodell Push-out Score zeigen, dass der Druck auf CEOs anhaltend hoch ist. Unternehmen, die durch verändertes Konsumverhalten der Verbraucher unter Stress stehen, suchen sich CEOs mit anderen Fähigkeiten.Der Abschied von Lennar-CEO Stuart Miller ist bittersüß, der Schritt von Commerce-Bancshares-CEO David Kemper scheint glorreich, und der Abgang von Mattel-CEO Margo Georgiadis ist frostig.Einen detaillierteren Einblick bietet der Forschungsdienstleister Exechange*, der mehr als 200 CEO-Abgänge von börsennotierten Unternehmen in den USA aus den vergangenen zwölf Monaten analysiert hat (siehe Tabelle). Exechange verwendet ein Scoring-System mit einer Skala von 0 bis 10, um den Druck auf die ausscheidenden Führungskräfte zu messen und die Wahrscheinlichkeit eines erzwungenen Wechsels zu ermitteln. Push-out Scores über 5 deuten auf starken Druck hin. 44 Prozent müssen gehenIm April blieb der Druck auf die CEOs hoch. Der CEO Push-out Index, der den durchschnittlichen Push-out Score für CEO-Abgänge in den USA widerspiegelt, erreichte im April 6,1 nach 5,8 im März (siehe Grafik). Damit lag er den sechsten Monat in Folge über dem kritischen Wert von 5. Der durchschnittliche Push-out Score für CEO-Abgänge in der Zeit von Mai 2017 bis April 2018 betrug 5,0. Rund 44 % der Push-out Scores der CEO-Abgänge in den USA in den vergangenen zwölf Monaten erreichten Werte zwischen 6 und 10, die auf starken Druck auf die scheidenden Führungskräfte hindeuten. Vier von zehn CEOs traten unter Druck zurück.Für einen Push-out Score von 6 müssen sechs der folgenden neun Kriterien erfüllt sein: auffälliges Alter, kurze Mitteilungsfrist, kurze Amtszeit, schwache Aktienkursentwicklung, undurchsichtiger Grund, kritische Zeit, Nachfolgeprobleme, formale Anomalien und sprachliche Besonderheiten in der Bekanntmachung. Wird der Manager offen hinausgedrängt (z. B. “aus wichtigem Grund abberufen”), so werden volle zehn Punkte vergeben.Mit einem Push-out Score von 5 erscheint der CEO-Wechsel bei Lennar Corp. bittersüß.Wie am 12. April angekündigt, verlässt Stuart A. Miller, 60 Jahre alt, nach 21 Jahren seinen CEO-Posten beim größten Hausbauer der USA. Seine Aufgaben werden von Richard (Rick) Beckwitt, 59 Jahre alt und zuletzt President von Lennar, übernommen. Stuart Miller, Sohn des Lennar-Mitgründers Leonard Miller, bleibt als Executive Chairman in Amt und Würden. So weit sind keine großen roten Fahnen zu erkennen.Miller verlässt seinen Posten mit sofortiger Wirkung. Das ist der erste Punkt für den Push-out Score. Sein Schritt folgt auf einen Rückgang des Aktienkurses von Lennar seit Januar 2018. Die Aktie ist in den drei Monaten zuvor um 16 % gefallen, während der S & P 500 um 5,2 % nachgegeben hat. Das ist der zweite Punkt. Viel Raum für SpekulationenIn der Ankündigung verzichtet Lennar darauf, den Grund für Millers plötzlichen Amtswechsel explizit zu nennen, was die Tür für Spekulationen öffnet. Punkt Nummer 3. Miller tritt zu einer kritischen Zeit zur Seite. Punkt 4. Wie die meisten Hausbauunternehmen steht Lennar vor der Herausforderung, einem veränderten Konsumverhalten Rechnung zu tragen. Lennar muss attraktiv für Millennials bleiben, die Häuser eher mieten als besitzen. Millers Schritt geht außerdem mit einem groß angelegten Managementumbau einher.Die Sprache in der Mitteilung sorgt schließlich für Punkt 5. Lennar sagt, dass das Revirement dazu diene, “die harte Arbeit, die effektive Führung, die Zusammenarbeit und den bedeutenden Beitrag anzuerkennen”, die die von dem Umbau betroffenen Führungskräfte erbracht haben. Der neue CEO ist ein Jahr jünger als der alte; ein Generationswechsel würde anders aussehen. Ist die Qualität des amtierenden CEO unter die eines Ersatzes gefallen? Lennar lässt Raum für Spekulationen.Mit einem Push-out Score von 0 scheint der CEO-Wechsel bei Commerce Bancshares Inc. glorreich. Es folgt dem typischen Muster gut vorbereiteter Chefwechsel: Form, Sprache, Alter, Mitteilungsfrist, Amtsdauer, Aktienkursentwicklung, offizielle Begründung, Umstände und Nachfolgeplan sind konsistent, angemessen und frei von roten Fahnen. Am 2. April kündigte David W. Kemper, 67 Jahre alt, “seine Absicht an, seinen CEO-Posten bei der Regionalbank-Holding nach rund 30 Jahren in dieser Funktion mit Wirkung zum 1. August niederzulegen”. Unter den 3 000 größten börsennotierten Unternehmen der USA haben nach Daten von Exechange nur 3 % der CEOs, die in den vergangenen zwölf Monaten ausgeschieden sind, ihre Position nach mehr als 30 Jahren verlassen.Die Vorlaufzeit beträgt 121 Tage, und Commerce Bancshares behält die Führung in der Familie. David Kemper übergibt den Stab an seinen Sohn John W. Kemper, 40 Jahre alt und derzeit Chief Operating Officer des Unternehmens. Es ist ein Generationswechsel im wahrsten Sinne des Wortes. John Kemper ist etwa 27 Jahre jünger als David Kemper.David Kemper bleibt als Executive Chairman an Bord. Sein Ausscheiden aus dem Amt des CEO wird wie folgt erläutert: Andy Taylor, Lead Director von Commerce Bancshares, sagt, der Schritt sichere Kontinuität. Außerdem erklärt er: “Diese Ankündigung spiegelt den Höhepunkt einer durchdachten und bewussten mehrjährigen Nachfolgeregelung wider.” Durchdachte und bewusste mehrjährige Nachfolgeregelung? Das klingt absolut plausibel. John Kemper ist seit 2007 bei der Bank und wurde 2013 zum President und COO ernannt. Der CEO-Wechsel läuft genau so, wie es Investoren gerne haben. Die Aktie notiert nun nahe an ihrem Rekordhoch, und die Gewinne boomen. Vater und Sohn loben sichForm und Sprache der Ankündigung sorgen für den letzten Schliff. Der scheidende CEO zeigt eine hohe Meinung von seinem Sohn und Nachfolger und sagt: “Ich freue mich sehr, dass John CEO wird und unseren starken Wachstums- und Expansionskurs fortsetzen wird.” In der Mitteilung von Commerce Bancshares aus Kansas City, Missouri, erhält der scheidende CEO David Kemper Lob, Ehr und Preis. Der Nachfolger und Sohn sagt über den Papa: “Als CEO von Commerce seit 30 Jahren hat David eine erstklassige Basis für unsere Bank geschaffen.”Mit einem Push-out Score von 9 liegt der CEO-Wechsel bei Mattel Inc. im oberen Bereich der Skala und wirkt frostig. Wie am 19. April angekündigt, verlässt Margaret H. (Margo) Georgiadis zum 26. April ihre Position als CEO der Spielwarenfirma. Ihre Aufgaben werden von Ynon Kreiz, einem ehemaligen CEO von Maker Studios Inc., übernommen. Georgiadis hat der Mitteilung zufolge den Board über “ihre Entscheidung” informiert, von ihren Posten im Management und Board von Mattel zurückzutreten, “um eine neue Chance im Technologiebereich zu ergreifen”. Kurz darauf wird bekannt, dass sie als CEO zur Genealogie-Website Ancestry.com geht.Ein Karrierewechsel also. Doch verschiedene Faktoren deuten darauf hin, dass sie unter immensem Druck stand, Mattel zu verlassen. Zu den roten Fahnen gehören ihr Alter (54 Jahre), die Tatsache, dass sie den Posten sehr kurzfristig verlässt (sieben Tage nach dem Ankündigungstermin), ihre kurze Amtszeit (ein Jahr und zwei Monate) und die Tatsache, dass ihr Nachfolger aus dem Board rekrutiert wird. Das sind die ersten vier Punkte auf der Skala.Die Begründung für den Wechsel ist nicht völlig nachvollziehbar. Das ist Punkt Nummer 5. Es ist fraglich, ob ihr Schritt als Karriereaufstieg gewertet werden kann, und eine sorgfältige Karriereplanung sähe ganz sicher anders aus. Ancestry hat am 12. September 2017 den angekündigten Börsengang verschoben. Zum Dank 28 schale Worte Georgiadis tritt zu einer kritischen Zeit zur Seite. Punkt 6. Mattel hat ein schweres Jahr hinter sich. Der Umsatz ging um 11 % zurück, das vierte Jahr mit einem Rückgang in Folge. Der Plastikspielzeughersteller hat Mühe, dem veränderten Konsumverhalten von Kindern Rechnung zu tragen, die online spielen. Die Pleite von Toys “R” Us, einem Top-Vertriebskanal von Mattel, war ein weiterer Schlag für das Unternehmen.Seit Georgiadis im Februar 2017 ihr Amt antrat, haben die Aktien von Mattel fast die Hälfte ihres Wertes verloren. Punkt Nummer 7.Form und Sprache ergeben weitere Warnsignale und zwei zusätzliche Punkte. In der Ankündigung aus El Segundo, Kalifornien, erhält die scheidende Mattel-Chefin kein Lob für konkrete Erfolge, und es fällt zu ihrem Abschied auch kein Wort des Bedauerns. Christopher A. Sinclair, Executive Chairman und ehemaliger CEO von Mattel, sagt 28 schale Worte mit Blick auf Georgiadis: “Im Namen des Boards und des Managementteams danken wir Margo für ihren Einsatz und ihre vielen Beiträge bei Mattel. Wir wünschen ihr alles Gute für ihre zukünftigen Pläne.” Salbungsvolle BegrüßungSinclair stellt den Nachfolger mit 98 salbungsvollen Worten vor. Er lobt Kreiz in den Himmel und sagt, dass er “sich darin ausgezeichnet hat, Branchentrends vorwegzunehmen” und “eine hervorragende Erfolgsbilanz” mit über 20 Jahren Erfahrung in der Medien- und Unterhaltungsindustrie mitbringe, darunter “besonders tiefe Erfahrung in der Kinderunterhaltung”. Ynon Kreiz wird der vierte CEO von Mattel in vier Jahren sein. Wie ihr Vorgänger hatte Georgiadis keine Erfahrung im Spielwarengeschäft, bevor sie den Job annahm. Von September 2011 bis Februar 2017 war sie als President für das Amerikageschäft bei Google Inc. tätig. Fazit: Auffälliges Alter, kurze Mitteilungsfrist, kurze Amtszeit, Nachfolgefragen, undurchsichtiger Grund, kritische Zeit, schwache Aktienkursentwicklung, formale Anomalien und sprachliche Besonderheiten in der Ankündigung sind neun rote Fahnen. Georgiadis` Schritt folgt dem typischen Muster holpriger CEO-Wechsel.In der Ankündigung ihres künftigen Arbeitgebers Ancestry sagt Georgiadis noch, dass sie “begeistert ist, zu Ancestry zu kommen in einer dynamischen Zeit des beschleunigten Wachstums und der Innovation”. Hat sie Mattel den Rücken gekehrt, weil sie anderswo bessere Möglichkeiten hat (“Ich habe Besseres verdient”)? Hat sie sich entschieden, in Zeiten hohen Drucks auf eigenen Wunsch zu gehen (“Das muss ich mir nicht mehr antun”)? Braucht Mattel einen CEO mit anderen Fähigkeiten? Alle drei Gründe könnten zutreffen. 246 Fälle untersuchtIn den USA betrug die durchschnittliche Amtszeit der ausscheidenden CEOs in der Zeit von Mai 2017 bis April 2018 rund 9,8 Jahre. Das durchschnittliche CEO-Ruhestandsalter betrug 61,7 Jahre. Diese Ergebnisse wurden aus 246 einzeln untersuchten Abgängen von CEOs in Unternehmen aus dem US-Index Russell 3000 ermittelt. In den vergangenen zwölf Monaten wies der Healthcare-Sektor mit 6,1 die höchsten durchschnittlichen Push-out Scores in den USA auf. Die niedrigsten Push-out Scores wurden im Finanzsektor mit 3,3 und im Industriegütersektor mit 3,3 ermittelt. Im Sektor Grundstoffe lag der durchschnittliche Push-out Score bei 5,4, im Sektor Konsumgüter bei 5,3, im Sektor Dienstleistungen bei 5,3 und im Sektor Technologie bei 5,8. Corporate-Governance-Experten der Universitäten Stanford (David F. Larcker und Brian Tayan) und Harvard (Ian D. Gow) haben das Analysemodell auf Kapitalmarktrelevanz untersucht und festgestellt, dass hohe Push-out Scores mit hoher Aktienkursvolatilität einhergehen. Mehr dazu unter https://ssrn.com/abstract=2975805.—-*) Der vorstehende Text ist die deutsche Kurzfassung einer Veröffentlichung des Forschungsdienstleisters Exechange. Inhaber von Exechange ist Daniel Schauber, der auch Redakteur bei der Börsen-Zeitung ist. Exechange und Börsen-Zeitung sind voneinander unabhängig.