LkSG

Neues Lieferketten­gesetz: Mehr als eine Pflichtübung

Der Countdown läuft: Nur noch wenige Monate bleiben deutschen Unternehmen, um sich auf das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) vorzubereiten.

Neues Lieferketten­gesetz: Mehr als eine Pflichtübung

Der Countdown läuft: Nur noch wenige Monate bleiben deutschen Unternehmen, um sich auf das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) vorzubereiten. Die neue Verordnung bringt Herausforderungen mit sich, aber verantwortungsbewusstes Handeln zahlt sich auch aus.

18000 Kilometer legt ein T-Shirt im Durchschnitt zurück, bis es in Deutschland im Laden liegt. Gesponnen in der Türkei, genäht in Bangladesch, gefärbt in China. Globale Lieferketten wie diese machen laut Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung rund 80 % des Welthandels aus. Was wirtschaftliche Vorteile mit sich bringt, geht jedoch häufig mit verheerenden Missständen einher: Kinder- und Zwangsarbeit, mangelnder Arbeits- und Gesundheitsschutz so­wie umweltbelastende Praktiken.

Kollektives Handeln gefragt

Einem Bericht der Bundesregierung vom Herbst 2021 zufolge kommen rund 80 % der in Deutschland ansässigen Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten ihrer Sorgfaltspflicht in puncto Lieferketten bisher unzureichend nach. Ob es am mangelnden Bewusstsein liegt?

Die Frage ist eher, ob Unternehmen ihren Handlungsspielraum auch richtig einschätzen. Die Steuerung der länderübergreifenden Lieferketten, Wertströme und finanziellen Strukturen liegen schließlich in ihrer Hand. Kein Unternehmen kann globale Probleme im Alleingang beseitigen – im Kollektiv hingegen schon. Und genau hier setzt das neue Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz an.

Mit dem im Juni 2021 verabschiedeten Gesetz verpflichtet die Bundesregierung ab Januar 2023 Unternehmen mit Sitz in Deutschland dazu, Transparenz in ihre Lieferketten zu bringen und ihren Teil zur Bekämpfung von Menschenrechtsverletzungen und zur Einhaltung des Umweltschutzes entlang der Lieferkette beizutragen. Das neue Gesetz nimmt zunächst Unternehmen mit mehr als 3000 Mitarbeitenden in die Pflicht, Unternehmen mit mehr als 1000 Mitarbeitenden haben noch ein Jahr länger Zeit. Auch EU-weite Regelungen werden nicht lange auf sich warten lassen, die Unternehmen mit mehr als 250 Mitarbeitenden einbeziehen: Im vergangenen Februar hat die EU-Kommission einen Vorschlag für eine vergleichbare Richtlinie vorgelegt. Am Ende ist durch die Betrachtung der gesamten Lieferketten fast jedes Unternehmen involviert.

Um Compliance- und Risikomanagement-Systeme rechtzeitig an die erhöhten Anforderungen anzupassen, müssen Unternehmen jetzt handeln. Der Maßnahmenkatalog ist lang: Neben der Entwicklung von Dokumentations-, Präventions- und Abhilferoutinen sollen Unternehmen schon im Vorfeld umfangreiche Risikoanalysen durchführen, um potenzielle Unstimmigkeiten zu identifizieren. Der Begriff der „Lieferkette“ ist weitgefasst: Er bezieht sich auf alle Produkte und Dienstleistungen eines Unternehmens und beinhaltet sämtliche Schritte im In- und Ausland, die zur Herstellung der Produkte und zur Erbringung der Dienstleistung erforderlich sind.

Die besondere Herausforderung: Betroffene Unternehmen müssen nicht nur ihre eigenen Lieferketten auf etwaige Risiken prüfen, sondern auch die Abläufe bei direkten Partnern wie zum Beispiel Lieferanten oder Logistik-Dienstleistern im Blick behalten.

Während die Gesetzgebung noch Interpretationsspielraum lässt – etwa bei der Frage „Dürfen Unternehmen Verpflichtungen vertraglich an Lieferanten weitergeben?“ –, sind die Folgen bei Verstößen so klar umrissen wie drakonisch. Es drohen Bußgelder von bis zu 800000 Euro. Unternehmen mit einem Umsatz von mehr als 400 Mill. Euro müssen sogar Strafzahlungen von 2 % ihres globalen Umsatzes fürchten. Ab einem Bußgeld von 175000 Euro können betroffene Unternehmen zudem bis zu drei Jahre von der Vergabe öffentlicher Aufträge ausgeschlossen werden. Empfindliche Strafen, die vor allem verhindern sollen, dass Unternehmen möglicherweise lieber die Zahlungen in Kauf nehmen, als entsprechende Maßnahmen zu realisieren.

Sind finanzielle Sanktionen bereits ein großes unternehmerisches Risiko, wiegt der mögliche Verlust der Reputation noch schwerer. Wird beispielsweise bekannt, dass ein Unternehmen unzureichenden Arbeitsschutz oder Umweltschäden in Kauf nimmt, werden wichtige Beziehungen zu Kunden, Lieferanten und Mitarbeitenden schnell auf die Probe gestellt. Kurz: Nachhaltige Lieferketten sind ein wichtiger Faktor für die Wettbewerbsfähigkeit und die Resilienz von Unternehmen.

Doch wie können sich Unternehmen bestmöglich auf das neue Gesetz vorbereiten? Wie kommt Transparenz in langjährig gewachsene Kunden-, Dienstleister- und Lieferantennetzwerke? Schritt eins ist hier die sogenannte Lückenanalyse: Sie identifiziert die Defizite zwischen den gesetzlichen Anforderungen und der gelebten Praxis. Gibt es Hinweise auf Risiken, müssen diese dokumentiert, priorisiert und über sogenannte Präventions- und Abhilfemaßnahmen adressiert werden.

Neben der initialen Analyse der Lieferkettenrisiken sollten Unternehmen die neuen Anforderungen auch langfristig in feste Strukturen überführen. Dafür braucht es nicht nur neue Prozesse und Technologien, sondern auch veränderte Verantwortlichkeiten. War etwa das Thema Menschenrechte in der Vergangenheit in erster Linie Angelegenheit der Personal- oder Compliance-Abteilung, sind mit dem neuen Gesetz nun auch Unternehmensbereiche wie etwa Einkauf, Logistik und Vertrieb in der Pflicht.

Externe Expertise nötig

Viele Unternehmen setzen daher auf externe Expertise und digitale Lösungen, die ihnen einen voll­umfänglichen Überblick über ihr Nachhaltigkeits-Ökosystem liefern, Schwachstellen schnell aufdecken und im Ernstfall einen wertvollen Beitrag zur Schadensbegrenzung leisten. Die Systeme und Lösungen entwickeln sich derzeit rasant weiter. Dieser Technologie-Schub ist ein wichtiges Zeichen dafür, wie viel die Gemeinschaftsleistung tatsächlich bewirken kann – ganz gleich an welcher Stelle der internationalen Lieferkette.