GASTBEITRAG

Neuregelung von Related Party Transactions - so bitte nicht!

Börsen-Zeitung, 16.10.2018 Die angemessene Regulierung von Geschäften von nahestehenden Personen (Blockaktionäre oder andere Insider) mit ihren Unternehmen steht seit Jahren im Governance-Fokus, da Vermögenstransfers zulasten der...

Neuregelung von Related Party Transactions - so bitte nicht!

Die angemessene Regulierung von Geschäften von nahestehenden Personen (Blockaktionäre oder andere Insider) mit ihren Unternehmen steht seit Jahren im Governance-Fokus, da Vermögenstransfers zulasten der Minderheitsaktionäre auch die Finanzierungsbereitschaft des Kapitalmarkts negativ beeinflussen können.Die 2017 verabschiedete Reform der EU-Aktionärsrechterichtlinie eröffnet vielfältige Gestaltungsspielräume für die lokale Umsetzung des Regimes für “Related Party Transactions”. Der soeben veröffentlichte Referentenentwurf des Bundesjustizministeriums schlägt nun eine deutsche Regelung vor, die klar hinter internationalen Governance-Standards für die faire Behandlung von Minderheitsaktionären zurückbleiben würde. Die Leitvorstellung der Entwurfsbegründung geht von einem hohen Schutzniveau des geltenden deutschen Aktienrechts gegenüber missbräuchlichen Geschäften aus, weshalb die Unternehmen nicht mit neuen Pflichten belastet werden sollten.Maßgebliche vergleichende Studien zur Höhe von Kontrollprämien zulasten von Minderheitsaktionären ziehen die Richtigkeit dieser Vorstellung zumindest in Zweifel. Durch die unternehmensfreundliche Disposition des Entwurfs dürften zudem legitime Schutzerwartungen gerade der internationalen Investoren (die regelmäßig die Mehrheit der großen Dax-Werte aufweisen) nicht erfüllt werden. Bedarf der ZustimmungDer Entwurf sieht vor, dass Related Party Transactions bei Überschreiten eines auf die Aktiva der Gesellschaft bezogenen Schwellenwerts der Zustimmung des Aufsichtsrats bedürfen. Die Entscheidung kann auch von einem fakultativen Ausschuss vorbereitet werden. Sowohl im Ausschuss als auch – mit Einschränkungen – im Plenum können die vom Kontrollaktionär abhängigen Aufsichtsratsmitglieder mitstimmen.Erteilung oder Verweigerung der Zustimmung sollen zudem keinen Einfluss auf die Wirksamkeit der Transaktion haben, die auch erst nach ihrem bindenden Abschluss transparent gemacht werden muss.Das Zustimmungserfordernis des Aufsichtsrats besteht allerdings nur dann, wenn die Related Party Transaction die Summe von 2,5 % der Summe des Anlage- und Umlaufvermögens der Gesellschaft bzw. des Konzerns übersteigt (§ 111b Abs. 1 und Abs. 3 AktG-RefE), d. h. regelmäßig also 2,5 % der Bilanzsumme. Schon bei mittelgroßen Unternehmen wäre das eine unverhältnismäßig hohe Aufgriffsschwelle (z. B. bei Dürr über 85 Mill. Euro, bei Hella über 150 Mill. Euro, bei Bayer sogar 2 Mrd. Euro). Nahezu alle Related Party Transactions (insbesondere auch persönliche Geschäfte) würden daher “unter dem Radar segeln”. Allein junge bzw. kleine Gesellschaften (z. B. der Technologiebranche) würden stärker betroffen sein mit entsprechend deutlich erhöhtem Compliance-Aufwand. Andere Rechtsordnungen, wie z. B. das Vereinigte Königreich, bedienen sich deshalb unterschiedlicher Bezugsgrößen, die der Referentenentwurf allein aus Gründen der Vereinfachung verwirft.Unmittelbar aus der Richtlinie (Art. 9c Abs. 5 ARRL) folgt, dass “im ordentlichen Geschäftsgang und zu marktüblichen Bedingungen” geschlossene Geschäfte (§111a Abs. 3 AktG-RefE) vom Zustimmungserfordernis befreit sind. Zwar entspricht dies einer auch international verbreiteten Regelung, ist aber auch notorisch missbrauchsanfällig. Der Referentenentwurf will darüber hinaus sämtliche in der Aktionärsrechterichtlinie eröffneten Optionen wahrnehmen, bestimmte Transaktionen vom Zustimmungserfordernis auszunehmen, so dass von der Schutzwirkung des Gesetzes nicht viel übrig bleibt. Kontrollaktionäre im Vorteil Problematisch ist weiterhin, dass der Entwurf alle Geschäfte vom Zustimmungserfordernis befreien will, die einer Zustimmung oder Ermächtigung der Hauptversammlung bedürfen oder eine solche vollziehen (§ 111a Abs. 5 AktG-RefE). Auf den ersten Blick könnte die direkte Aktionärsbeteiligung als Äquivalent für eine Zustimmung des Aufsichtsrats gesehen werden. Da aber kein Stimmverbot von Kontrollaktionären für solche HV-Beschlüsse vorgesehen ist, verstößt diese Entwurfsvorgabe gegen die Richtlinienvorstellungen, die fordern, dass ein Kontrollaktionär daran gehindert sein muss, seine Position im Rahmen des Zustimmungsverfahrens auszunutzen (analog zur Regelung bei Aufsichtsratsbeschlüssen). Durchgriff auf die TochterEin großes Defizit des Entwurfs liegt auch in dem fehlenden Zustimmungserfordernis für Geschäfte von Kontrollaktionären mit ihren nicht-börsennotierten Tochtergesellschaften. Solche Vermögenstransfers aufgrund des Einflusses eines dominierenden Anteilseigners werden daher nicht erfasst. Dies ist schon deshalb bedenklich, weil eine Übertragung von Vermögensgegenständen der Mutter auf die Tochter ebenfalls weitgehend vom Zustimmungserfordernis befreit sein soll (§ 111a Abs. 4 AktG-RefE). Im Ergebnis können daher bedeutende Vermögenswerte der Mutter ohne Einbeziehung des Aufsichtsrats übertragen werden.Auch die vom Referentenentwurf für ausreichend gehaltenen Transparenzanforderungen erscheinen ungenügend. Dies beginnt damit, dass die den Mitgliedstaaten durch die Richtlinie eröffnete Option, die Veröffentlichung einer “Fairness Opinion” vorzuschreiben, nicht umgesetzt werden soll. Während die zentralen Eckpunkte der Transaktion nach der Richtlinie spätestens zum Zeitpunkt des Abschlusses des Geschäfts veröffentlicht werden müssen, will der Referentenentwurf eine Veröffentlichung erst danach als ausreichend ansehen. Dass eine auf die wesentlichen Eckpunkte der Transaktion abstellende Publizität laut Referentenentwurf technisch nicht früher möglich sein soll, ist schon angesichts der UK-Praxis schlicht nicht einleuchtend.Sind schon der Anwendungsbereich und die Transparenzanforderungen unbefriedigend, gilt dies erst recht für das Zustimmungsverfahren, das nicht zu einer unabhängigen und unbeeinflussten Beurteilung der potenziellen Transaktion führt. So können Gesellschaften nach eigenem Ermessen darüber entscheiden, ob sie einen Aufsichtsratsausschuss einrichten, der die Entscheidung des Plenums über die Related Party Transaction durch eine Empfehlung vorbereitet (§ 107 Abs. 3 S. 4 AktG-RefE). Dieser Ausschuss muss lediglich mehrheitlich mit Mitgliedern besetzt sein, die weder selbst an der Transaktion beteiligt sind noch in einer Beziehung zur Related Party stehen, die die Besorgnis eines Interessenkonflikts begründet. Abgesehen vom möglichen psychologischen Druck einer Anwesenheit von Vertretern des Kontrollaktionärs können also deren Stimmen das “Zünglein an der Waage” sein: z. B. wenn sich die beiden unabhängigen Mitglieder in einem Dreierausschuss nicht einig sind und die Mehrheit von der Stimme des abhängigen Mitglieds abhängt. Hierdurch würde den Richtlinienanforderungen nicht genügt, die von den Mitgliedstaaten verlangen, dass der Kontrollaktionär seine Position im Rahmen der Zustimmungsentscheidung nicht ausnutzen kann (Art. 9c Abs. 4 Uabs. 1 ARRL). Abhängige AufsichtsräteDie Letztentscheidung über die Zustimmung soll stets beim gesamten Aufsichtsrat (§ 111b Abs. 1 AktG-RefE) liegen. Ist eine Beschlussempfehlung eines Ausschusses vorhanden, sollen im Plenum sämtliche, d. h. auch die vom Kontrollaktionär abhängigen Aufsichtsräte mitstim-men können, wenn sie nicht direkt selbst an dem Geschäft beteiligt sind (§ 111b Abs. 2 AktG). Eine Mehrheit abhängiger Aufsichtsräte kann sich folglich über eine ablehnende Empfehlung des mehrheitlich unabhängig besetzten Ausschusses hinwegsetzen, sofern ein Gutachten des Wirtschaftsprüfers die Angemessenheit der Related Party Transaction bestätigt (§ 111c Abs. 1 AktG-RefE).Hat die Gesellschaft keinen Ausschuss eingerichtet, greifen im Plenum Stimmverbote für alle Aufsichtsräte, die entweder selbst an der Transaktion beteiligt sind oder aber in einer Beziehung zur Related Party stehen, die die Besorgnis eines Interessenkonflikts begründet, ohne dass dem Aufsichtsrat ein Beurteilungsspielraum zukommen soll. Wenn das Kriterium der Unabhängigkeit ernst genommen wird, könnte dies eine sinnvolle Lösung sein, da die Entscheidungszuständigkeit ausschließlich in neutrale Hände gelegt wird.Die bessere Lösung: Ein die Interessen der Unternehmen und ihrer Aktionäre ausgewogen abbildender Weg wäre die Einrichtung eines ausschließlich mit von den Kontrollaktionären und den nahestehenden Parteien unabhängigen Mitgliedern besetzten beschließenden Ausschusses.Die Einrichtung eines solchen beschließenden Ausschusses (den § 107 Abs. 4 S. 5 AktG-RefE aber explizit untersagen will) wäre auch mit den europäischen Vorgaben vereinbar, da diese nicht zwingend eine Entscheidung des Gesamtorgans erfordern. Mit dieser Ausschusslösung würde nämlich das explizite Richtlinienziel, dass bei Related Party Transactions Kontrollaktionäre und die jeweils betroffenen Parteien die Entscheidung nicht beeinflussen können, deutlich besser verwirklicht. Verfehlt konzipiertFazit: Schon durch die verfehlt konzipierte Aufgriffsschwelle wird das Ansinnen deutlich, deutschen Aktiengesellschaften eine angemessen unabhängige Prüfung von Related Party Transactions weitgehend zu ersparen.Der deutsche Gesetzgeber sollte stattdessen eine Regelung schaffen, die nicht nur größenmäßig im wohlverstandenen Interesse der Unternehmen und ihrer Aktionäre liegt und schon im Ansatz eine Benachteiligung von Minderheitsaktionären ausschließt.—-Christian Strenger, Stellvertretender Vorsitzender der DVFA Kommission für Corporate Governance—-Tobias Tröger, Professor für Bürgerliches Recht, Handels- und Wirtschaftsrecht, Goethe-Universität Frankfurt