Kritische Mineralien

Nickel gerät nach Unruhen in Neukaledonien in den Fokus

Neukaledonien ist einer der wichtigsten Nickelproduzenten der Welt, doch der Preisverfall setzt der Branche nicht nur dort zu. Etliche Minenprojekte sind deshalb gefährdet.

Nickel gerät nach Unruhen in Neukaledonien in den Fokus

Kritische Mineralien

Unruhen rücken Nickel in den Fokus

Neukaledonien ist einer der wichtigsten Nickelproduzenten, verliert aber Investoren

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Gesche Wüpper, Paris

Es ist eine Krise hinter der Krise. Unruhen in Neukaledonien um eine geplante Wahlrechtsreform rücken die Nickelbranche in den Fokus und haben die Preise am Freitag auf ihren höchsten Stand seit fast neun Monaten getrieben. Immerhin ist das französische Überseegebiet einer der weltweit wichtigsten Produzenten des Metalls, das genau wie Lithium, Mangan und Kobalt für den Bau von Batterien für Elektro- und Hybrid-Fahrzeugen dient. Es wird zudem für Windkraftanlagen und rostfreien Stahl genutzt.

Mit 25% bis 30% der weltweiten Nickelvorkommen hat Neukaledonien beste Voraussetzungen, um von dem boomenden Markt zu profitieren. Eigentlich. Denn die dortige Nickelindustrie befindet sich am Rande der Pleite. Der starke Rückgang der Nickelpreise im letzten Jahr und die im Vergleich zur Konkurrenz deutlich höheren Lohn-, Energie- und Produktionskosten setzen ihr zu. So sind die Nickelpreise 2023 um mehr als 40% eingebrochen, nachdem sie im Jahr davor, getrieben von der gestiegenen Nachfrage, 54,4% zugelegt hatten.

Indonesien baut Produktion aus

Dieser Preiseinbruch erscheint auf den ersten Blick paradox, da der Einsatz von Nickel für grüne Technologien die weltweite Nachfrage stark hat steigen lassen. Blieb sie nach Angaben der Internationalen Energie Agentur (IEA) zwischen 2018 und 2020 mit 2,4 Megatonnen (Mt) stabil, legte sie danach kräftig zu, auf 3,1 Mt im letzten Jahr. Die Experten der IEA gehen in ihrem jüngst veröffentlichten Ausblick für kritische Mineralien davon aus, dass die Nachfrage bis 2030 auf 4,75 Mt steigen wird.

Dass der Nickelpreis 2023 trotz des stärkeren Bedarfs eingebrochen ist, liegt auch daran, dass in den letzten Jahren mehr Nickel produziert wurde. Vor allem Indonesien hat seine Produktionskapazitäten stark ausgebaut. Produzierte das Land 2016 nur 200.000 Tonnen Nickel, waren es letztes Jahr bereits 1,8 Mill. Tonnen. Dabei dürfte es nicht bleiben, denn Jakarta setzt auf die Branche, um Indonesien zu einem der wichtigsten Player Asiens für Batterien für E-Autos zu machen. So gehören fünf Parks für Nickelverarbeitung für umgerechnet fast 40 Mrd. Dollar zu der Liste strategischer Projekte der scheidenden Regierung, die staatlich gefördert werden sollen.

Indonesien werde den weltweiten Nickelmarkt maßgeblich prägen, meint denn auch die IEA. Das derzeitige Niedrigpreis-Umfeld sorge für Risiken bei der künftigen Nickelversorgung und für die Aussichten auf eine stärkere Diversifizierung der Produzenten in einem bereits geographisch sehr konzentrierten Markt, urteilen die Autoren des Global Critical Minerals Outlook 2024.

In der Studie warnen sie vor drohenden Engpässen bei der Versorgung mit auch anderen für die Energiewende kritischen Rohstoffen. Diese würden durch die starken Preisrückgänge für Nickel, Lithium, Kobalt und Grafit verdeckt. Um den Bedarf decken und Klimaschutz-Ziele erreichen zu können, seien zusätzliche Investitionen nötig, mahnt die IEA.

Weitere Nickelminen gefährdet

Zwar förderten niedrige Nickelpreise den Markt für Elektro-Fahrzeuge, da sie helfen, die Preise für Batterien niedrig zu halten. „Doch sie könnten zu weiteren Schließungen von Nickelminen und dem Stopp laufender Entwicklungen führen“, schreiben die IEA-Experten. Sie haben rund 25 aktive oder geplante Minen identifiziert, die anhaltend niedrige Preise gefährden könnten. Diese liegen vor allem in Kanada und Neukaledonien.

Angesichts des Preisverfalls haben bereits mehrere Nickelproduzenten Einsparungen bekanntgegeben. So hat First Quantum im Januar bekanntgegeben, seine Nickelmine im australischen Ravensthorpe für zwei Jahre stilllegen zu wollen. BHP Group wiederum hat die Belegschaft eines Projekts in West Musgrove in Australien um 25% reduziert.

Investoren ziehen sich aus Neukaledonien zurück

Und der Schweizer Rohstoffkonzern Glencore kündigte im Februar an, einen Käufer für seine Beteiligung an Koniambo Nickel Solutions (KNS) zu suchen und das Werk von KNS in Neukaledonien so lange still zu legen, bis ein neuer Investor gefunden ist. Glencore hält 49% der Betreibergemeinschaft des Minenprojekts, das es von Xstrata übernommen hatte. Die Mehrheit gehört der Société minière du Sud Pacifique aus dem Norden Neukaledoniens.

Mit Prony Resources sucht ein weiteres Nickelwerk der seit 1853 zu Frankreich gehörenden Inselgruppe einen neuen Partner, nachdem Minderheitsaktionär Trafigura aus der Schweiz das Handtuch geschmissen hat. Wie Prony Resources lebt auch die Eramet-Tochter SLN (Société Le Nickel) derzeit von Krediten, die der französische Staat ihr angesichts der angespannten finanziellen Lage gewährt hat. Im ersten Quartal ist die Nickelproduktion Neukaledoniens um 32% eingebrochen.

Die dortige Nickelindustrie riskiere den Verlust von Investoren, urteilt die IEA. Um sie zu sanieren, hat die französische Regierung einen Pakt mit Subventionen für Energiepreise vorgeschlagen. Nouméa hat jedoch noch nicht zugestimmt.

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