WENN KAPITAL WIEDER KOSTET

Niedrigzins macht Factoring attraktiv

Umsatz wächst seit Jahren stark - Margen aber unter Druck - Liquiditätsquelle vor allem für den Handel

Niedrigzins macht Factoring attraktiv

Von Martin Dunzendorfer, FrankfurtDie deutsche Factoring-Branche hat in den vergangenen Jahren starkes Wachstum verzeichnet. Seit 2010 ist der Umsatz gemäß Destatis um zwei Drittel auf knapp 217 Mrd. Euro (2016) gestiegen; die Branche hat dabei stark von den niedrigen Zinsen profitiert. 2010 markiert einen Einschnitt, weil in diesem Jahr erstmals der von der Bundesbank ermittelte Kapitalmarktzinssatz unter die Marke von 3 % rutschte und in der Folgezeit weiter sank. 2015 und 2016 lagen die Jahresdurchschnittswerte sogar deutlich unter 1 % (0,5 und 0,1 %). Doch das Niedrigzinsniveau hat auch seine Schattenseiten für das Factoring: Zum einen engen sich die Margen ein, zum anderen flaute das Wachstum zuletzt ab, weil die Kreditvergabe der Banken – zumindest für Unternehmen mit guter Bonität – expansiver wurde. Günstigere VorfinanzierungBeim Factoring verkauft ein Unternehmen seine Forderungen aus Warenlieferungen und Dienstleistungen gegen seine Kunden fortlaufend an ein Factoring-Institut. Auf diese Weise erhält die Firma sofort Liquidität aus den Außenständen. Der Käufer der Forderungen (Factor) prüft die Bonität der Abnehmer und übernimmt das Ausfallrisiko. Die “Vorschusszahlung” und die Übernahme des Forderungsausfallrisikos lässt sich der Factor bezahlen. Hier ist der Marktzinssatz von Bedeutung. Denn neben der Factoring-Gebühr, die auf den Umsatz erhoben wird und sich in der Regel in einer Größenordnung von bis zu 1 % bewegt, sowie der Delkredere-Prüfung – die Kreditprüfung der jeweiligen Debitoren -, die etwa zwischen 20 und 60 Euro pro Jahr kostet, wird ein Vorfinanzierungszinssatz auf den effektiven Vorfinanzierungszeitraum erhoben. Dieser Zinssatz, der eine der Stellschrauben im Wettbewerb ist, wird zum größeren Teil an einen Referenzzinssatz – etwa den Dreimonats-Euribor – gekoppelt. Tendenziell ist der Zins zwar umso niedriger, je besser die Bonität des Kunden ist, doch ein markanter Rutsch des Marktzinssatzes wie in den vergangenen zehn Jahren schlägt sich deutlich im Vorfinanzierungszinssatz nieder, der im Zeitablauf spürbar gesunken ist. Das erhöht ceteris paribus die Attraktivität des Factoring. Mit einem Anteil von 27 % (2016) ist der Handel der wichtigste Kunde der Factoring-Branche; es folgt der Maschinenbau mit 10 %. Typische Nutzer sind auch Unternehmen der Lebensmittelbranche.Neben dem anhaltenden Niedrigzinsumfeld, das den Vorfinanzierungszins drückt, und der Konkurrenz durch klassische Bankkredite stehen die Margen in der Factoring-Branche auch deshalb unter Druck, weil neue Anbieter auf den Markt drängen: Fintechs. Mit ihrer schlanken und mithin preisgünstigeren Aufstellung machen sie den etablierten Anbietern Konkurrenz. Gewinner des Preiskampfs sind die Kreditoren – mehrheitlich Mittelständler, deren Jahresumsatz laut dem Deutschen Factoring-Verband in neun von zehn Fällen nicht über 10 Mill. Euro liegt.Das positive wirtschaftliche Umfeld, dessen elementarer Bestandteil das niedrige Zinsniveau ist, begünstigt den Auftritt neuer Wettbewerber am Markt. Das Ende der ultralockeren Geldpolitik würde wohl auf der einen Seite die Kosten für die Kreditoren und auf der anderen die Margen der Factoren erhöhen. Der Factoring-Umsatz könnte dann nach vielen Jahren wieder einmal fallen.