IM BLICKFELD

Niedrigzinsen befeuern M & A am Immobilienmarkt

Von Annette Becker, Düsseldorf Börsen-Zeitung, 11.12.2014 Manchmal kommt es anders, als man denkt. Das dürfte sich dieser Tage auch Gerald Klinck, Finanzchef des Wohnimmobilienkonzerns Gagfah, gedacht haben. Hatte er vor einem Jahr noch im Brustton...

Niedrigzinsen befeuern M & A am Immobilienmarkt

Von Annette Becker, DüsseldorfManchmal kommt es anders, als man denkt. Das dürfte sich dieser Tage auch Gerald Klinck, Finanzchef des Wohnimmobilienkonzerns Gagfah, gedacht haben. Hatte er vor einem Jahr noch im Brustton der Überzeugung zu verstehen gegeben, dass Gagfah im Zuge der Konsolidierung eine aktive Rolle zufalle, lassen sich die Luxemburger nun vom Branchenprimus Deutsche Annington schlucken. Mit zusammen 350 000 Wohnungen schafft die neue Gesellschaft den Sprung auf Platz 2 unter den börsennotierten Immobilienkonzernen in Kontinentaleuropa.Bestätigt sehen sich damit all jene, die im Vorjahr bereits den Startschuss für die Konsolidierung unter den börsennotierten Wohnimmobilienkonzernen fallen hörten. Damals verleibte sich die Deutsche Wohnen den Berliner Rivalen GSW ein und machte mit einem Schlag zwei Plätze auf der Rangliste der deutschen Wohnimmobilienkonzerne gut.Die Frage, ob der angekündigte Zusammenschluss von Nr. 1 und Nr. 3 der Branche eine Fortsetzung der Konsolidierungsstory ist, wird von Analysten jedoch unterschiedlich beantwortet. Während Andre Remke von der Baader Bank fest davon ausgeht, dass es zu weiteren Übernahmen unter den börsennotierten Wohnimmobilienkonzernen kommt, ist Kai Klose von der Berenberg Bank entschieden anderer Ansicht: “Der Sektor braucht keine M & A-Fantasie, um attraktiv zu sein”, sagt Klose.Seiner Ansicht nach stecken hinter dem Zusammenschluss von Deutsche Annington und Gagfah ganz spezifische Gründe, allen voran die Komplementarität der Portfolios. Annington ist ebenso wie Gagfah bundesweit vertreten, so dass sich mit dem Zusammenschluss der Portfolios Synergien heben lassen.Hinzu kommt, dass die Luxemburger gerade jetzt, nach der milliardenschweren Refinanzierung im Vorjahr und dem Komplettausstieg des Finanzinvestors Fortress in diesem Sommer, am Anfang einer operativen Aufholjagd standen – aus Sicht der Bochumer ein idealer Einstiegszeitpunkt. Zwar bescheinigt Klose der Gagfah auch auf Stand-alone-Basis beachtliches Kurspotenzial, im Weg der Fusion lasse sich aber wohl mehr herausholen. Diese Ansicht vertreten offenbar auch die Investoren, haben beide Aktien seit der Ankündigung doch an Wert gewonnen. Während sich Gagfah auf Höhe des Übernahmepreises von 18 Euro bewegen, brauchte die Annington-Aktie nur einen Tag zur Verdauung der 9,4 Mrd. Euro schweren Übernahme.Für Remke sind dagegen die günstigen Finanzierungskonditionen – auf Eigen- und auf Fremdkapitalseite – die Triebfeder für die weitere Konsolidierung. Solange es zu viele ähnliche Unternehmen mit begrenzter Marktkapitalisierung bzw. Liquidität der Aktie gebe, gebe es auch Potenzial für weitere Zusammenschlüsse. “Kein Investor braucht fünf oder sechs ähnliche Unternehmen”, glaubt Remke. Als potenzielle Übernahmekandidaten geht sein Fingerzeig auf LEG, TAG und Westgrund.Doch auch jenseits des Universums der börsennotierten Wohnkonzerne besteht noch reichlich Konsolidierungspotenzial, gehören hierzulande doch gerade einmal 3 % der über 23 Millionen Wohnungen den börsennotierten Konzernen. Bei etwa 16 % stehen private Gesellschaften auf der Vermieterseite. Mit 61 % zählt das Gros zum kommunalen Besitz. Erst gestern verleibte sich Berlins größte kommunale Wohnungsgesellschaft Degewo ein Portfolio mit 2 259 Wohnungen ein.Solange die Refinanzierungsbedingungen günstig bleiben, dürfte der weiteren Marktkonsolidierung also nichts im Wege stehen, zumal die Geschäftsmodelle der börsennotierten Firmen allesamt auf externes Wachstum ausgelegt sind. Dass der hiesige Portfolioinvestmentmarkt auf Hochtouren läuft, belegen auch die Zahlen der Immobilienberatung Savills. Demnach hat sich das Transaktionsvolumen am deutschen Wohnportfoliomarkt ausgehend von 3 Mrd. Euro im Jahr 2009 auf 15 Mrd. Euro 2013 verdreifacht.Wie stark die Branche vom Zinsgefüge abhängt, zeigte sich allerdings im Frühsommer 2013, als erste Spekulationen über ein bevorstehendes Ende der Anleihekäufe durch die US-Notenbank Fed die Runde machten. Erst die Botschaft von EZB-Präsident Mario Draghi – niedrige Zinsen auf absehbare Zeit – brachte wieder Ruhe in den Markt.