Noch Luft im Reifen
Klar, die Zugehörigkeit eines Emittenten zum Dax wird nach zwei Merkmalen entschieden: Orderbuchumsatz und Streubesitz-Marktkapitalisierung. Wahrgenommen wird der Leitindex der Börse allerdings als Oberhaus der Unternehmen. Nun lässt sich abseits der Kriterien philosophieren, wer in der Top-Etage sein müsste, damit “Made in Germany” abgebildet wird: Bosch, Bertelsmann und Boehringer Ingelheim oder Oetker, Trumpf und ZF Friedrichshafen? Doch die sind allesamt in familien- beziehungsweise Stiftungshand und bleiben – vielleicht mit Ausnahme des Medienriesen – der Börse abhold.Ein Konzern gehört dazu: Die 1871 gegründete “Continental-Caoutchouc- und Gutta-Percha Compagnie”, kurz Continental. Der weltweit drittgrößte Autozulieferer hat beste Chancen, in Kürze in den Dax 30 zurückzukehren. Immerhin waren die Hannoveraner dort 1988 Gründungsmitglied und rückten schon mal auf, bevor sie wegen zu geringer Marktkapitalisierung nach der Übernahme durch Schaeffler herausflogen.Mit dem jüngsten Zwischenbericht und der an den Tag gelegten Zuversicht hat der Weltkonzern aus Niedersachsen mit einer Marktkapitalisierung von 16 Mrd. Euro Investoren noch stärker für sich eingenommen. Conti hat sich in der Krise bislang gut geschlagen und wird auch künftig von überlegenem Wachstum im Autogeschäft sowie geringeren Rohstoffkosten bei Reifen profitieren. Die Pneus sind vom Verkaufskandidaten zur profitablen “Cash-cow” mutiert. Der Konzern mit einem angepeilten Umsatz von 33 Mrd. Euro hat den Vorsprung auf Wettbewerber in den Erträgen ausgebaut. Der Spagat zwischen Dividende, Investitionen und Refinanzierung glückt. Conti windet sich mit Hilfe des Kapitalmarkts aus dem Schuldenturm.Die Aktie notiert mit 82 Euro auf dem höchsten Stand seit Juni 2008. Analysten heben ihre Kursziele an – bis 100 Euro. Da ist noch viel Luft im Reifen. Das freut nicht zuletzt Schaefflers, die vor vier Jahren auf Pump 75 Euro geboten hatten – und sich damit übernahmen. Der große Risikofaktor ist die Familie, die direkt und indirekt gut 60 % hält. Ohne diese “Black Box”, deren Schulden immer weiter hochlaufen, wäre Conti längst im Investment Grade. Derzeit haben sich alle Beteiligten an den Staus quo gewöhnt – und die Interessen von Schaefflers und Conti-Streubesitz erscheinen kongruent: mehr Gewinn, steigende Dividende. Eine weitere Kursrally wäre drin, wenn der Aktienüberhang Schaefflers gelöst ist. Doch bis die Familie ein Ankerinvestor wird, wie es die Quandts bei BMW sind, fließt noch viel Wasser die Aurach hinab.