Non-Fungible Token erobern die Sportwelt
Von Alex Wehnert, Frankfurt
Michael Jordan scheint in der Luft zu stehen. Sein Gegenspieler von den Detroit Pistons reißt die Arme zum Block hoch, doch der legendäre Shooting Guard der Chicago Bulls springt, den Mund zum Jubelschrei aufgerissen, unaufhaltsam in Richtung Basketball-Korb. Diesen Moment hat der US-Fotograf Walter Iooss am 4. März 1987 mit seiner Kamera festgehalten und somit eines der bekanntesten Bilder aus der Geschichte der amerikanischen Basketball-Liga NBA geschaffen – mehr als drei Jahrzehnte später sorgte er damit am Kryptomarkt für Aufsehen. Denn Iooss versteigerte das Foto im April 2021 in Form eines Non-Fungible Token (NFT).
Dabei handelt es sich um kryptografische Wertmarken, mit denen sich Eigentumsrechte an virtuellen Gütern beurkunden und handelbar machen lassen. NFTs sind im Gegensatz zu Kryptowährungen wie Bitcoin nicht replizierbar, jeder der Token stellt ein Unikat dar. Bisher werden sie hauptsächlich eingesetzt, um digitale Kunstwerke abzubilden – doch auch in der Sportwelt gewinnen die Wertmarken zunehmend an Popularität.
Transaktionsvolumen wächst
So waren die knapp 56000 Dollar, für die der NFT auf das Jordan-Foto bei der Auktion über den Marktplatz Makersplace den Besitzer wechselte, noch eine vergleichsweise geringe Summe. Auf der Plattform Opensea werden die nicht-kommerziellen Rechte an einem Bild, das Basketball-Star LeBron James beim Dunkversuch zeigt, für 10000 Ether angeboten – das entspricht derzeit über 30 Mill. Dollar. Die Beratungsgesellschaft Deloitte geht davon aus, dass Non-Fungible Token auf Sportmedien im laufenden Jahr ein Transaktionsvolumen von über 2 Mrd. Dollar generieren werden. Damit würde sich der im Vorjahr erreichte Wert glatt verdoppeln.
„Im Jahr 2022 dürften Verkäufe limitierter Editionen von Video-Clips oder Sammelkarten der gebräuchlichste und lukrativste Anwendungsfall von NFTs in der Sportindustrie sein“, heißt es in einer Analyse von Deloitte. Zwar möge es unlogisch erscheinen, dass einige Investoren viel Geld für Rechte an Videos oder Bildern ausgäben, die Milliarden Menschen weltweit kostenlos ansehen könnten. Das gleiche gelte aber für physische Sammlerstücke.
„Die Knappheit an sich treibt den inhärenten Wert“, kommentieren die Deloitte-Berater die Entwicklung des NFT-Markts. Der Preis eines Token hänge von der Prominenz des abgebildeten Athleten, der Bedeutung des festgehaltenen Ereignisses, etwaigen Zusatzinhalten wie Kommentaren des Sportlers zur jeweiligen Szene sowie der Gesamtnachfrage ab. Letztere habe bisher nicht unter der Tatsache gelitten, dass die Sport-NFTs nur selten die kommerziellen Rechte am digitalen Basiswert beinhalten. Die Nachfrage werde wohl vor allem durch die Möglichkeit angetrieben, limitierte digitale Wertmarken als Statussymbole einzusetzen.
Für Sportligen, Teams und Athleten eröffneten NFTs zusätzliche Einnahmemöglichkeiten. Denn die Token könnten so aufgesetzt werden, dass die jeweilige Plattform bei Versteigerungen eine Kommission auf den Auktionspreis erhalte. Die Plattform wiederum könne dazu verpflichtet werden, einen Anteil dieser Kommission an den Rechteinhaber am Basiswert zurückzuführen. Die US-Basketballliga NBA hat sich als Vorreiterin bei Sport-NFTs positioniert. Bis 2023 sollten auch die wichtigsten europäischen Fußballligen mit einer Vielzahl Token-bezogener Produkte nachlegen. Auch andere Profiligen aus Deutschland versuchen auf den Trend aufzuspringen.
Das französische Start-up Sorare hat den beliebtesten Mannschaftssport der Welt bereits als Anwendungsgebiet für digitale Wertmarken erschlossen. Für sein Fantasy-Football-Spiel, bei dem digitale Spielerabbildungen in NFT-Form erworben und eingesetzt werden können, hat das Unternehmen die Bundesliga, die spanische Liga und einzelne Clubs als Partner gewonnen. Auch die Sorare-Karten erzielen hohe Preise: Ein Exemplar, das Manchester-United-Star Cristiano Ronaldo zeigt, wechselte im vergangenen Frühjahr für 290000 Dollar den Besitzer.
Partizipation über Ether
Angesichts der Summen, die einige Fußball- und Basketball-NFTs einspielen, sind sie zum Spekulationsobjekt geworden. Auf die Wertentwicklung einzelner Token zu setzen, ist aber hochriskant, da sich die Nachfrage noch volatiler entwickelt als am schwankungsanfälligen Markt für physische Sammelobjekte. Es finden sich indes auch Möglichkeiten, breiter aufgestellt am NFT-Trend zu partizipieren. Denn Plattformen wie Opensea basieren auf dem Ethereum-Netzwerk, über das der Großteil der Verkäufe abgewickelt wird. Vom steigenden Transaktionsvolumen profitiert deshalb auch die zugehörige Kryptowährung Ether. Der Cyberdevise bescheinigen Analysten auch wegen anderer Blockchain-Trends gute Aussichten, selbst wenn die Nachfrage nach NFTs von Michael Jordan & Co. einbrechen sollte.