IM BLICKFELD

Norddeutsche Hafenkooperation im Verzug

Von Carsten Steevens, Hamburg Börsen-Zeitung, 26.8.2020 Ende 2019 beauftragte der in Bremen ansässige Containerterminalbetreiber Eurogate die Unternehmensberatung McKinsey, ihn bei der Analyse von Maßnahmen zur Steigerung von Produktivität und...

Norddeutsche Hafenkooperation im Verzug

Von Carsten Steevens, HamburgEnde 2019 beauftragte der in Bremen ansässige Containerterminalbetreiber Eurogate die Unternehmensberatung McKinsey, ihn bei der Analyse von Maßnahmen zur Steigerung von Produktivität und Effizienz zu unterstützen. Nicht erst seitdem die Auswirkungen der Covid-19-Pandemie die Lage noch verschärfen, spüren die deutschen Seehäfen und ihre Hauptakteure den zunehmenden Wettbewerb vor allem mit Rotterdam und Antwerpen in der sogenannten “Nordrange”. Seit Jahren verlieren Hamburg und Bremerhaven – sichtbar an der Entwicklung der Containerumschlagsmengen – Ladung an Häfen im europäischen Ausland (vgl. Grafik). Doch erst jetzt, mitten in der Coronakrise, scheint eine Kräftebündelung zwischen den norddeutschen Hafenstandorten in greifbare Nähe zu rücken. Marktmacht der ReederEurogate, die zu gleichen Teilen dem börsennotierten Hamburger Logistikkonzern Eurokai und dem in Bremen ansässigen Hafen und Logistikunternehmen BLG Logistics mit der börsennotierten Komplementärin Bremer Lagerhaus-Gesellschaft gehört, könnte mit dem Hamburger Hafenlogistikkonzern HHLA im deutschen Containergeschäft zusammenkommen. Ende Mai wurden Gespräche über eine Kooperation mit der im SDax gelisteten HHLA bekannt, an der die Stadt Hamburg mit rund 68 % beteiligt ist. Eine enge Zusammenarbeit ist dringend geboten. Denn die beiden Unternehmen, die in Deutschland drei Containerterminals in Hamburg (HHLA) bzw. Terminals in Hamburg, Bremerhaven und Wilhelmshaven (Eurogate) betreiben, sehen sich einer Marktmacht der Containerreedereien in Verhandlungen um Mengen und Preise gegenüber, die mit der jüngsten Konsolidierungswelle in der Reederwelt zwischen 2014 und 2018 noch zugenommen hat. Daran wird sich nichts ändern. Die Liniengesellschaften, die wichtigsten Kunden der Terminalbetreiber, stehen bei reduzierten Transportmengen unter steigendem Wettbewerbsdruck und haben nicht zuletzt infolge der Coronakrise selbst zusätzliche Kostensenkungen im Visier.Hinzu kommt der noch nicht abgeschlossene Trend zu immer größeren Schiffen, der für die Terminalbetreiber nicht nur zunehmende Belastungen bei der Abfertigung in den Häfen sowie steigende Investitionen zur Folge hat. Für Restriktionen wird auch in Zukunft sorgen, dass solche “Ultra Large Container Vessels” mit Ladekapazitäten von inzwischen mehr als 24 000 Standardcontainern (TEU) nicht ohne Rücksicht auf die Gezeiten Häfen wie Hamburg anlaufen können – trotz hoher Investitionen in die Infrastruktur wie für die noch nicht vollendete Anpassung der Elbfahrrinne. Zugleich zeigen Rechtsstreitverfahren, die sich wie im Fall der erneuten Elbvertiefung über fast zwei Jahrzehnte hinziehen und die Entscheidungen blockieren, bereits seit langem an, wie sinnvoll eine umfassende norddeutsche Hafenkooperation wäre. Das wäre sie im Übrigen auch aus Aspekten des Umwelt- und Naturschutzes.Angebote der Nachbarn für eine Zusammenarbeit hat Hamburg in der Vergangenheit wiederholt ausgeschlagen. Darin äußerte sich neben der besonderen Bedeutung des Hafens für die Stadt als international bedeutsame Logistikdrehscheibe immer auch eine in weiten Teilen gemeinsame Sichtweise von Senat und Hafenwirtschaft. Doch zwischen der Regierung des Stadtstaats und der Vertretung der Hafenunternehmen, die hohe Hafenkosten beklagt und der Hafenverwaltung Missmanagement vorwirft, knirscht es gegenwärtig gewaltig.Die Ablehnung von Gesprächen über eine norddeutsche Hafenkooperation ist in Niedersachsen und Bremen schon vor Jahren als Hamburger Hafenkirchturmpolitik kritisiert worden. Zu Recht. Dass sich die Konkurrenz weiter westlich von Bremerhaven und Wilhelmshaven und zunehmend im Mittelmeerraum befindet, sagt nun auch der Hamburger Senat. Eine Kehrtwende. Die HHLA-Vorstandsvorsitzende Angela Titzrath mahnt, es wäre wirtschaftlich nicht verantwortlich, “wenn wir uns im eigenen Land im Wettbewerb verkämpfen würden”. Weil der Containerumschlag verglichen mit Rotterdam und Antwerpen zu langsam und zu personalintensiv sei, hat sich der im ersten Halbjahr operativ in die Verlustzone gerutschte Konkurrent Eurogate im deutschen Containergeschäft inzwischen bereits ein mehrjähriges Sparprogramm vorgenommen. Interessen der LänderMit einer Zusammenarbeit hätten die beiden Terminalbetreiber die Chance, ihre Produktivität zu steigern und in Verhandlungen mit den Reedern wettbewerbsfähiger aufzutreten. Ob die Sondierungen zu einer Einigung führen werden, ist jedoch keineswegs sicher. Erforderlich sind Antworten auf zahlreiche Fragen, die die Interessen von HHLA und Eurogate gleichermaßen berücksichtigen. Und zustimmen müssen dem komplexen Projekt neben Kartellwächtern politische Entscheidungsträger im Bund und in den Bundesländern. Dass Hamburg in vergangenen Jahren der Weitblick in der Hafenpolitik fehlte, erhöht nun den Druck, in den anstehenden Gesprächen nicht zu scheitern. Die Öffnung für eine norddeutsche Hafenkooperation aber ist richtig.