Nucera-CFO Arno Pfannschmidt über das IPO
IM INTERVIEW: ARNO PFANNSCHMIDT
"Jetzt sind wir endlich am Ziel"
ESG als Erfolgsfaktor – Cornerstone-Investoren kommt beim Börsengang von Thyssenkrupp Nucera bedeutsame Rolle zu
Im Januar 2022 hat Thyssenkrupp Nucera erstmals einen Kapitalmarkttag veranstaltet, um sich Investoren als Börsenkandidat zu präsentieren. Am Ende sollte es anderthalb Jahre dauern, bis die Erstnotierung erfolgte. Finanzchef Arno Pfannschmidt erläutert im Interview, was zum IPO-Erfolg beigetragen hat.
Herr Dr. Pfannschmidt, wie fühlt es sich an, nach langem Warten und Bangen endlich ein börsennotiertes Unternehmen zu sein?
Ich bin total begeistert. Wir haben gerade den ersten Kurs bekommen, haben die Glocke geläutet und haben natürlich unser ganzes Team an Bord. Es war eine lange Reise über viele Monate, jetzt sind wir endlich am Ziel.
Wie hat sich das Marktumfeld in der Vermarktungsphase dargestellt? Worauf haben die Investoren besonders geachtet?
Unser Markt ist in den letzten Monaten noch einmal stärker geworden. Wir haben unsere Strategie nochmals angepasst und Kapazitätserweiterungen vorgezogen, weil die Nachfrage unheimlich groß ist. Das konnten wir den Investoren vermitteln, belegt mit den Auftragseingängen, die sich per Ende März auf 1 Mrd. Euro beliefen. Seither haben wir weitere Aufträge gewonnen. Das hat den Börsengang erleichtert. Aber es ist richtig, dass der Mangel an IPOs auch eine Rolle spielte. Wir mussten die Investoren davon überzeugen, dass jetzt der richtige Zeitpunkt ist.
Zugleich hört man, dass die Investoren sehr vorsichtig agieren. Haben Sie das auch gespürt?
Vorsichtig in dem Sinne, dass sie das Geschäftsmodell verstehen wollen. Hier haben wir zahlreiche Investoren getroffen und hatten die Gelegenheit, unsere Stärken vorzustellen. Unser Produkt, die alkalische Wasserelektrolyse, ist das Produkt im Markt mit dem höchsten Reifegrad. Zudem konnten wir mit unserer Historie, über 50 Jahre Elektrolyse im Anlagenbau für Chlor-Alkali, punkten. Aber es ist richtig, dass die Investoren vorsichtig sind. Keiner investiert Geld, wenn er nicht eine gute Aussicht auf einen vernünftigen Return hat.
Arno PfannschmidtESG war ein ganz wichtiger Erfolgsfaktor.
Nucera gilt als Eisbrecher für den deutschen IPO-Markt. Verraten Sie uns, was den Erfolg ausgemacht hat? War es die ESG-Thematik?
ESG war ein ganz wichtiger Erfolgsfaktor. Wir haben ein Produkt, das geeignet ist, die Dekarbonisierung der Industrie zu gewährleisten. Das ist nicht nur wegen ESG interessant, sondern auch wegen der enormen Wachstumsaussichten.
Wie wichtig war die Entscheidung, einen Teil der neuen Aktien – letztlich sind es knapp 40% – vor dem Börsengang bei zwei Fonds fest zu platzieren?
Die Cornerstone-Aktionäre spielen sicherlich eine wichtige Rolle. Es ist ein wichtiges Signal für andere Investoren, wenn es Investoren gibt, die sich verpflichtet haben, Aktien in größerem Umfang zu zeichnen. Das erleichtert den anderen Investoren, ihre Entscheidung zugunsten von uns zu treffen. Ich denke, das führte zu einer Stabilisierung der Nachfrage und war für uns sehr hilfreich.
Hatten Sie die feste Platzierung von Anfang an in Ihrem IPO-Plan vorgesehen?
Ja, es war von Anfang an einer der Grundgedanken, wenn möglich Cornerstone-Investoren an Bord zu holen.
Arno PfannschmidtThyssenkrupp und De Nora sind vor und nach dem Börsengang unsere Hauptaktionäre.
Was verstehen Sie unter Cornerstone-Investoren im Gegensatz zu Ihren Ankeraktionären Thyssenkrupp und Industrie De Nora?
Thyssenkrupp und De Nora sind vor
und nach dem Börsengang unsere
Hauptaktionäre. Sie wollen weiterhin unsere Partner bleiben und werden weiterhin über 50% beziehungsweise 25% halten. Das sind stabile Aktionäre. Das Interesse von Cornerstone-Aktionären geht ebenfalls in diese Richtung, denn auch sie wollen langfristig investiert
bleiben.
Hat der saudi-arabische Staatsfonds auch strategische Interessen?
Das können wir nicht ausschließen. Saudi-Arabien hat eine klare Wasserstoff-Strategie. Nach unserer Kenntnis will man im Bereich grüner Wasserstoff gezielt investieren. Wir sind mit einem Projekt bereits in Saudi-Arabien aktiv. In der Megacity Neom bauen wir die größte Wasserstoff-Anlage über 2 Gigawatt. Insofern gibt es Berührungspunkte. Am Ende kann ich darüber aber nur spekulieren.
Vor dem Börsengang kursierten für Nucera deutlich höhere Bewertungen am Markt. Zum Ausgabepreis bringt es Nucera auf eine Marktbewertung von 2,5 Mrd. Euro. Sind Sie damit zufrieden?
Wir als Thyssenkrupp Nucera haben von Anfang an gesagt, dass wir mit der Ausgabe neuer Aktien 500 bis 600 Mill. Euro erlösen wollen. Das haben wir erreicht. Es gab darüber natürlich auch eine Diskussion mit den Altaktionären, die haben den Kurs mitgetragen. Von daher sind wir zufrieden.
Dennoch werden die Altaktionäre stärker verwässert, weil das Unternehmen mehr Aktien ausgeben musste, um auf einen Emissionserlös von 500 bis 600 Mill. Euro zu kommen. Was heißt das nach vorne geblickt? Sind künftige Kapitalerhöhungen ausgeschlossen oder geht Thyssenkrupp dann in die Minderheit?
Darüber kann ich nicht spekulieren. Was ich sagen kann, ist, dass wir zur Realisierung unseres Business Plans keine weitere Kapitalerhöhung benötigen. Die Frage stellt sich also nicht.
Andersherum gefragt, wie lange reichen Ihnen die via Kapitalerhöhung eingesammelten Investitionsmittel?
Das ist eine Frage, die uns auch die Investoren gestellt haben. Wir haben für das Geschäftsjahr 2025/26 den Breakeven im Free Cashflow vorgesehen. Bis dahin reichen uns kalkulatorisch die Finanzmittel. Danach können wir uns aus dem eigenen Cashflow finanzieren.
Das Interview führte Annette Becker.