Öffentliche Übernahmen werden attraktiver

Gesunkene Bewertungen und hohe Mittelzuflüsse lassen Private Equity wieder stärker auf die Börse schauen

Öffentliche Übernahmen werden attraktiver

Von Walther Becker, Frankfurt Private Equity schielt wieder stärker auf Public Equity. Und zwar nicht nur, um Portfoliounternehmen an die Börse zu bringen, sondern vor allem auch auf den Kapitalmarkt als Dealquelle. Mit Osram Licht und Scout24 werden zwei Fälle heiß diskutiert. “Nächstes Jahr dürfte es einen stärkeren Fokus auf öffentliche Übernahmen geben”, nachdem die Aktienkurse stark zurückgegangen sind, prognostiziert Christian Kames, Leiter des Investment Banking von J.P. Morgan im deutschsprachigen Raum. Ein Blick in die Kurstabelle zeigt, dass 47 % der SDax-Unternehmen binnen zwölf Monaten mindestens 30 % verloren; in MDax sind es 35 % und in TecDax und Dax 36 %. Störfeuer vom Hedgefonds “Das heißt, dass die absoluten Werte und die Bewertungsmultiplikatoren auf ein zunehmend attraktives Niveau gesunken sind”, sagt Kames. Im Dax kommen Schätzungen zufolge 2019 nur mehr 27 % der Emittenten auf ein Multiple von über 10. Gemeint ist das Verhältnis von Enterprise Value (Börsenwert plus Nettofinanzposition) zum für 2019 geschätzten operativen Ergebnis (Ebitda). In MDax und SDax sind es 40 %, die über 10-mal handeln.Vorbei aber sind die Zeiten, als Blackstone-Chef Stephen Schwarzman 2007 davon träumte, einen Konzern in der Größenordnung von 50 Mrd. Dollar anzugehen – eine Dimension, in die damals BASF oder VW passten. Und andere eine Continental-Akquisition durchspielten. Immerhin wird das “Dry Powder” von Finanzinvestoren global von Preqin derzeit auf 1,8 Bill. Dollar taxiert.Einige Marktteilnehmer gingen davon aus, dass der Fall Stada – 2016 eingeleitet, 2018 mit Delisting abschlossen – Finanzinvestoren davon abhalte, am öffentlichen Markt zu fischen. Die Übernahme wurde von dem in M&A-Situationen regelmäßig am “Backend” preistreibend tätigen Hedgefonds Elliott stark verteuert. Finanzinvestoren gehen davon aus, dass sich Expansion oder Umbau von Unternehmen abseits der Börse besser bewerkstelligen lässt.”Wir lassen uns nicht abschrecken: Öffentliche Übernahmen sind ein Teil unseres Marktes. Allerdings sind solche Übernahmen in Deutschland etwas schwieriger als in anderen Regionen”, sagt Jörg Rockenhäuser, der Deutschland-Chef von Permira, im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. Die Beteiligungsgesellschaft war, verbündet mit Advent, im Rennen um den Pharmakonzern, unterlag aber Bain und Cinven. Permira war früher an ProSiebenSat.1 und Hugo Boss beteiligt und hatte einst Debitel von der Börse genommen.Die Deals unterscheiden sich, je nachdem ob die Zielgesellschaft verkaufswillige Großaktionäre hat oder das Kapital komplett im Streubesitz liegt. “Klar ist, dass man sich in Public-to-Privates keine handwerklichen Fehler erlauben darf und dass die Spielregeln ungemütlicher werden durch die aus den USA kommenden Hedgefonds”, weiß Rockenhäuser. Diese Transaktionen haben in den USA einen weit größeren Anteil am Dealflow als hierzulande. Denn hier werden die als Schutz der Kleinaktionäre gedachten Regeln von Großinvestoren wie Elliott genutzt. Große Deals drin”Mit dem von Investoren zugesagten Eigenkapital und der immer noch vergleichsweise günstigen Fremdfinanzierung können Beteiligungsgesellschaften heute große Deals stemmen”, weiß Banker Kames. Er ist sich sicher, dass es 2019 die ein oder andere öffentliche Übernahme unter Führung von Finanzinvestoren geben werde. 2018 hat Morgan Stanley Infrastructure den Waggondienstleister VTG mit einer Bewertung von 5 Mrd. Dollar (Schätzung von J.P. Morgan) zu 71 % übernommen. Der Fonds hielt schon länger 29 % und kaufte Klaus Michel Kühne weitere 20 % ab. Für ein Investment sorgte der US-Finanzinvestor Apollo mit der Mehrheit am Immobilienunternehmen Demire. Für weitere solche Deals muss bis 2012 zurückgeblickt werden als WMF von KKR, Douglas von Advent und die Kinokette Cinemaxx von Doughty Hanson vom Markt genommen wurden.”Die Korrektur an den Märkten dürfte Transaktionen befeuern”, meint Christoph Bechtel, Co-Chef des Investment Banking im deutschsprachigen Raum der Bank of America Merrill Lynch: “Für Aktivisten ist das Umfeld weiterhin dienlich und wir könnten weitere Kampagnen sehen. Zudem erwarten wir, dass sowohl Strategen als auch Finanzinvestoren die niedrigeren Bewertungen vermehrt für Public-to-Private-Transaktionen nutzen könnten.” Scout24 im Fokus Mehrere Private-Equity-Häuser sollen an Scout24 interessiert sein – unter anderem Silver Lake Partners. Diese hatte im Mai den britischen Internetimmobilienmarktplatz Zoopla für 2,2 Mrd. Pfund übernommen. Die erst im Herbst 2015 von Hellman & Friedman und Blackstone an die Börse gebrachte Scout24 wäre einer der größten deutschen Private-Equity-Deals in Deutschland. Die Transaktion könnte Stada mit 5,4 Mrd. Euro noch übertreffen. Scout24 hat eine Marktkapitalisierung von 4,5 Mrd. Euro und Nettofinanzschulden von 800 Mill. Euro. Ein Bieter müsste zudem eine saftige Prämie offerieren. Das Kapital der MDax-Gesellschaft liegt ganz im Streubesitz. Auch nach dem Erwerb des defizitären Portals Finanzcheck, das mit dem achtfachen Umsatz bewertet wird, hat Scout24 M&A-Appetit. Hier könnte sich die Feuerkraft von Private Equity nützlich erweisen. Zu den möglichen Interessenten an Osram wird neben Bain auch Carlyle gezählt. Die Beteiligungsgesellschaft soll ebenfalls eine 4 Mrd. Euro schwere Übernahme erwägen. Übernahmespekulationen trieben den Kurs bereits vor drei Wochen, als Bain ins Spiel kam. Der Münchner Konzern, der einen Großteil seines Geschäfts mit der stotternden Autoindustrie macht, hat dieses Jahr zwei Gewinnwarnungen geschickt und steckt im Umbau.