Ohne Wenn und Aber
Von Andreas Hippin, LondonDavid Cameron hat die Entscheidung darüber, wie die Flughafenkapazitäten der britischen Hauptstadt vergrößert werden sollen, aus gutem Grund seiner Nachfolgerin überlassen. Die von ihm eingesetzte Flughafenkommission hatte sich im Juli vergangenen Jahres für den Bau einer dritten Landebahn in Heathrow ausgesprochen. Cameron und sein Schatzkanzler George Osborne sollen dafür gewesen sein, obwohl sich der ehemalige Premierminister 2009 “ohne Wenn und Aber” dagegen ausgesprochen hatte. Die Eigentümer des völlig überlasteten Flughafens im Westen von London sind bereit, die 16 Mrd. Pfund aufzubringen, die der Bau voraussichtlich kosten wird.Auch die großen Fluggesellschaften befürworten den dritten Runway. Die Betreiber kürten bereits Grimshaw Architects zum Sieger eines Wettbewerbs, der zeigen sollte, wie die Erweiterung nachhaltig und kostengünstig gestaltet werden könnte – etwas vorschnell vielleicht, denn der Widerstand in der konservativen Partei gegen einen weiteren Ausbau von Heathrow ist groß.Der neue Verkehrsminister Chris Grayling, dessen Wahlkreis näher bei Gatwick liegt, gilt als Befürworter des Projekts. Er will schnell zu einer Entscheidung kommen. Aber gleich mehrere Kabinettskollegen sind dagegen: Außenminister Boris Johnson hatte bereits während seiner Amtszeit als Londoner Bürgermeister lautstark opponiert. Sein Wahlkreis Uxbridge wäre unmittelbar davon betroffen. Johnson hatte bereits angekündigt, sich bei Baubeginn vor die Bulldozer zu werfen. “Mit so etwas wäre man vielleicht in den 1950er-Jahren in China durchgekommen”, sagte Johnson. Osbornes Nachfolger Philip Hammond sagte im vergangenen Jahr, die Rolle Londons als Drehkreuz des weltweiten Luftverkehrs könne auch ohne eine dritte Landebahn aufrechterhalten werden. Auch sein Wahlkreis, Runnymede & Weybridge, befindet sich in der Nähe von Heathrow. Seine Alternative: einen zweiten Runway in Gatwick. Die beiden Flughäfen könnten zudem durch eine Hochgeschwindigkeitsbahnverbindung zu einem “virtuellen Hub” verbunden werden. Auch der neue Londoner Bürgermeister Sadiq Khan setzt auf Gatwick und hofft, dass die Entscheidung darüber nicht noch weiter hinausgezögert wird.Die neue Bildungsministerin Justine Greening ist ebenfalls gegen einen Ausbau von Heathrow. Sie wurde im Wahlkreis Ealing, Acton & Shepherd’s Bush, der sich in unmittelbarer Nachbarschaft des Flughafens befindet, ins Parlament gewählt. “Der Versuch, Heathrow zu erweitern, ist wie der Versuch, aus einem Reihenhaus ein Anwesen mit acht Schlafzimmern zu machen”, wird sie vom “Telegraph” zitiert. Für ein weltweites Drehkreuz befinde sich Heathrow schlichtweg am falschen Ort.Und nun gelangten auch noch frühere Äußerungen von Premierministerin Theresa May an die Öffentlichkeit. Als sie vor der Wahl Camerons im Jahr 2010 noch in dessen Schattenkabinett saß, hatte sie auf die Belastungen der Anwohner durch zusätzliche Flüge, größeren Lärm und mehr Verschmutzung aufmerksam gemacht. Das Land brauche einen besseren Flughafen, keinen größeren Flughafen. Maidenhead, ihr Wahlkreis, liegt nicht weit von Heathrow entfernt.Der Flughafen gehört einem von der spanischen Ferrovial geführten Konsortium, dem unter anderem Investoren aus China, Katar und Singapur angehören. Nun wird sich zeigen, ob die Heathrow-Lobby May dafür gewinnen kann, eine Kehrtwende nach dem Motto “Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern” zu vollziehen, wie sie Cameron in dieser Sache unterstellt wurde. Die Chancen stehen nicht gut. May dürfte nach all den parteiinternen Brexit-Streitereien kein Interesse daran haben, ein neues Fass aufzumachen. ——–Der Widerstand gegen eine dritte Landebahn in Heathrow wächst – vor allem in der Regierung.——-