Onlinehandel erwartet kräftiges Minus
Onlinehandel vor zweitem Schrumpfjahr
Fast 14 Prozent weniger Umsatz in den ersten sechs Monaten – Druck, Lager zu räumen
hek Frankfurt
Der Onlinehandel in Deutschland ist im ersten Halbjahr eingebrochen. Wie der Bundesverband E-Commerce und Versandhandel (BEVH) mitteilt, schrumpften die Warenverkäufe im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 13,7%. Die Branche hat wenig Hoffnung, dass sich die Geschäftslage in den kommenden Monaten bessert. Daher korrigiert der BEVH seinen Jahresausblick drastisch. Statt des zu Jahresbeginn prognostizierten Wachstums um 4,8% stimmt der Verband nun auf Umsatzrückgänge von mehr als 5% im laufenden Jahr ein.
Bei den Angaben handelt es sich um nominale, also nicht um preisbereinigte Werte. Bei Herausrechnung von Preiserhöhungen wären die Einbußen noch höher. Die Umsatzverluste gehen auf mehrere Faktoren zurück. Zum einen hatten die Schließung stationäre Geschäfte und die Kontaktbeschränkungen während der Corona-Pandemie einen fulminanten Boom beschert. Nun kommt die Gegenbewegung - der Onlinehandel kann das stark erhöhte Umsatzniveau nicht halten. Zum anderen schlägt die aktuell schwierige Wirtschaftslage durch.
"Zum anfänglichen Konsumschock mit Ausbruch des Ukraine-Kriegs ist eine ganze Reihe negativer Wirtschaftsdaten hinzugekommen, die den Negativtrend im Handel verstetigen", sagt Martin Groß-Albenhausen, stellvertretender BEVH-Hauptgeschäftsführer. Deutschland befinde sich, wie viele andere Länder, in der Rezession. Scheinbar hohe Lohnzuwächse würden durch die kalte Progression oft wieder kassiert. Die Menschen rechneten mit sinkenden Reallöhnen und finanziellen Sonderbelastungen.
Schon im vergangenen Jahr war der deutsche Onlinehandel rückläufig. Der nominale Bruttowarenumsatz im E-Commerce fiel mit 90,4 Mrd. Euro um 8,8% niedriger aus als 2021. Mit digitalen Dienstleistungen, also insbesondere Urlaubsbuchungen und Konzerttickets, wurden 11,25 Mrd. Euro umgesetzt. Die Branchenerlöse erreichten damit 101,7 (2021: 107,1) Mrd. Euro.
"Rückgänge kaum aufzuholen"
Im zweiten Quartal 2023 schrumpften die Erlöse aus Warenverkäufen um 12,2% auf 19,2 Mrd. Euro, wie der BEVH weiter mitteilt. Der Abwartstrend gehe durch alle Branchen. Am stärksten verloren hätten die Bereiche Unterhaltung (-14,7%), Einrichtung (-14,3%) und Bekleidung (-14,1%). Mit Blick auf einzelne Branchen stehen laut Verbandsangaben der Handel mit Schmuck und Uhren (-17,4%), Computer/Zubehör/Spiele (-16,9%) sowie Haushaltswaren und -geräte (-16,1%) besonders unter Druck.
Die Erholung bei den digitalen Dienstleistungen habe nachgelassen. Im zweiten Quartal lag die Zunahme noch bei 8,5% auf 3,6 Mrd. Euro. Zuvor seien deutlich zweistellige Zuwächse verzeichnet worden - Folge der Aufholeffekte nach den Einbrüchen während der Corona-Pandemie.
"In wesentlichen Warengruppen wächst der Druck, die Lager zu leeren", konstatiert Groß-Albenhausen im Ausblick. Hinzu komme ein Rabatteffekt. "Selbst bei einer derzeit nicht absehbaren Verbesserung der Konsumstimmung im zweiten Halbjahr wären die bisherigen Rückgänge kaum aufzuholen", klagt der BEVH-Vertreter. Die Konsumenten verharrten im Sparmodus.
Die Quartalsdaten des Branchenverbands dämpfen die Erwartungen an die Quartalsberichte der börsennotierten E-Commerce-Unternehmen. Das Branchenschwergewicht Zalando hat seine frühere Wachstumsdynamik eingebüßt. Der Modehändler rechnet nur mit maximal 4% Umsatzanstieg. Das untere Ende der Erlösprognose liegt mit minus 1% im negativen Bereich. Die Zalando-Aktie hat im Frühjahr deutlich Terrain preisgegeben und sich nun im Bereich um 25 Euro stabilisiert. Die Großbank HSBC hat sich skeptischer zur Erholung des Bruttowarenvolumens (der über die Plattform abgewickelte Umsatz einschließlich Drittgeschäft) im nächsten Jahr geäußert, ihre Kaufempfehlung gestrichen und das Kursziel von 45 auf 26 Euro gesenkt.