Optimismus kommt vor dem Fall

Gewinnwarnungen erklimmen Rekordhoch - Investoren preisen Revisionen inzwischen stärker ein

Optimismus kommt vor dem Fall

Mit zu optimistischen Prognosen haben börsennotierte Unternehmen in Deutschland im ersten Halbjahr häufig danebengelegen. Die Zahl der Gewinn- und Umsatzwarnungen stieg einer Auswertung des Beratungsunternehmens EY zufolge im Vergleich zur Vorjahreszeit um 38 % auf ein Rekordhoch.wb Frankfurt – Die schwächelnde Konjunktur und die internationalen Handelskonflikte machen immer mehr Unternehmen zu schaffen: Sie müssen ihre eigenen Umsatz- oder Gewinnprognosen kappen. Ob BASF oder Continental, Daimler, Deutsche Bank, Infineon oder Lufthansa: Im ersten Halbjahr gaben die 308 im Prime Standard gelisteten Unternehmen 54 Gewinn- oder Umsatzwarnungen heraus – ein Anstieg von 38 % gegenüber der Vorjahreszeit und damit der bisherige Höchststand. Das sind Ergebnisse einer Studie der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft EY, die veröffentlichungspflichtige Korrekturen seit 2011 untersucht.Der Blick in den Rückspiegel lässt für die Zukunft wenig Gutes erwarten: Auf eine 2018 schon schwache erste Halbzeit folgte eine schlimmere zweite mit 102 Gewinnwarnungen – ein mehrjähriger Höchstwert.Erstmals seit dem ersten Halbjahr 2014 lag damit die Zahl der Unternehmen, die ihre eigenen Ziele verfehlten, höher als die Zahl derer, die sich besser als angekündigt entwickeln. Insgesamt 51 sogenannte Gewinnerwartungen, also positive Revisionen, wurden veröffentlicht – etwas mehr als im Vorjahr mit 43, aber nur halb so viele wie im ersten Halbjahr 2017. Gewöhnungseffekt Der Finanzmarkt nimmt Prognosesenkungen gelassener auf als noch im vorigen Jahr. Im Schnitt sanken die Kurse am Tag der Warnung um 5 % – im Vorjahr lag der Verlust noch bei 8 %. Allerdings fielen die Korrekturen mit minus 33 % auch weniger heftig aus als im Vorjahr, als die Gewinnprognosen im Schnitt um 41 % gedrückt wurden. Wenn hingegen Unternehmen ein Übertreffen ihrer Ansagen ankündigten, führte das im Schnitt zu einem Kursanstieg um nur 2 %, was allerdings auch mit einer deutlich geringeren Anhebung des Gewinnziels um 21 % korrespondiert.In Dax, MDax und SDax kletterte die Zahl negativer Korrekturen auf Rekordniveau. Im Dax und MDax legten die Warnungen jeweils von fünf auf sieben zu, im SDax stieg die Zahl sogar von fünf auf zwölf. Im übrigen Prime Standard wurden 28 Warnungen gezählt nach 24 in den ersten sechs Monaten 2018. Während im Dax nur ein Emittent – die Deutsche Börse – die eigenen Ziele übertroffen hat, gab es in den übrigen Segmenten ähnlich viele negative wie positive Prognosekorrekturen. Insgesamt haben damit 29 % der Unternehmen die eigene Ansage nach oben oder nach unten revidiert – im Vorjahr waren es 23 %.”Der Gegenwind für die deutschen Unternehmen nimmt zu. Zahlreiche Unternehmen mussten schon zu Beginn des Geschäftsjahres feststellen, dass ihre ohnehin nicht übermäßig optimistischen Prognosen doch nicht erreichbar sind”, beobachtet Martin Steinbach, Partner und Leiter IPO and Listing Services von EY. Es gebe allerdings noch keinen generellen Negativtrend über alle Branchen hinweg, betont Marc Förstemann, EY-Partner in der Restrukturierungsberatung: “Zwar leiden viele große Industriekonzerne zunehmend unter schwächelnden Auslandsmärkten und einer nachlassenden Investitionsbereitschaft. Auf der anderen Seite gibt es nach wie vor etliche Unternehmen, die sich besser entwickeln als erwartet.” Er nennt kleinere Pharma- oder Technologie-Unternehmen sowie Immobilien.Die meisten Warnungen kamen wenig verwunderlich aus der Autobranche: Fünf der zwölf börsennotierten Autokonzerne bzw. -zulieferer mussten zurückrudern. Dicht dahinter folgen Technologie mit einer Gewinnwarnungsquote von 30 und der Handel mit 25 %. Es fällt auf, dass Großkonzerne den Gegenwind deutlich stärker zu spüren bekommen als kleinere Unternehmen.