Oracle steht die orange Bluse nicht
sp New York – “Die Computerindustrie ist die einzige Branche, die stärker von Moden getrieben wird als Damenbekleidung”, erklärte Larry Ellison, Gründer und Chairman des Software-Konzerns Oracle, vor zehn Jahren in einer legendären Replik auf die Frage eines Analysten zum Geschäft in der Cloud. “Was zur Hölle ist Cloud Computing?”, gab der Chef des SAP-Rivalen damals mit Blick auf einen bis heute anhaltenden Trend innerhalb der Softwarebranche zurück. “Wenn Orange das neue Pink ist, machen wir eben orange Blusen”, schloss Ellison die Ausführungen zu seinem Modeverständnis und den weiteren Aussichten für das Geschäft mit dem neuen Vertriebsmodell.Heute ist Ellison wie die meisten seiner Kollegen innerhalb der Branche ein großer Fan der Bereitstellung von IT-Infrastruktur, Datenbanken und Applikationen als Service aus dem Internet. Doch die orange Bluse, um das vor zehn Jahren gewählte Bild für das Geschäft mit Cloud Computing aufzugreifen, passt irgendwie noch nicht zu Oracles anderen Klamotten. Das jedenfalls legen die Zahlen zum ersten Quartal im gebrochenen Geschäftsjahr nahe, mit denen Oracle am Montag nach US-Börsenschluss die durchschnittlichen Erwartungen von Analysten verfehlte. Im nachbörslichen Handel ging es zeitweise um mehr als 6 % nach unten. Am Dienstag notierte die Aktie im frühen Handel gut 1 % im Minus. Seit Jahresbeginn hat Oracle ihren Wert um knapp 3 % gesteigert, während Technologieaktien aus dem S & P 500 im gleichen Zeitraum fast ein Fünftel zugelegt haben.Zum Jahresauftakt schaffte Oracle ein Umsatzplus von gerade 1 % auf 9,2 Mrd. Dollar und blieb damit unter den durchschnittlichen Erwartungen der von Factset befragten Analysten. Das größte Segment, in dem der Umsatz mit Cloud Services sowie Wartungserlöse aus dem Lizenzgeschäft zusammengefasst werden, legte 3 % auf 6,6 Mrd. Dollar zu und blieb ebenfalls hinter den Analystenschätzungen.Was genau davon auf die Cloud entfällt, weist Oracle seit dem Schlussquartal des abgelaufenen Geschäftsjahres nicht mehr gesondert aus. Die vor drei Monaten überraschend vorgenommenen Änderungen im Berichtswesen schränken die Sicht der Investoren ein, die deshalb nicht mehr genau erkennen können, ob Oracle Orange gut zu Gesicht steht. Das sorgte bereits im Juni für Irritationen sowie für einen kräftigen Kursrutsch (vgl. BZ vom 21. Juni). Die mangelnde Transparenz könnte auch ein Grund dafür sein, dass Investoren die Zahlen zum ersten Quartal auf den zweiten Blick offenbar wieder anders einschätzten.Anhaltspunkte dafür, dass es in der Cloud nicht läuft wie gewünscht, lassen sich aber auch außerhalb des Finanzberichts finden. So hat sich der langjährige Entwicklungschef, Thomas Kurian, Anfang September in eine längere Auszeit verabschiedet, die einem Abschied auf Raten gleichkommt. Der President of Product Development, der seit 22 Jahren an Bord ist und direkt an Chairman Ellison berichtet hat, ist laut Insidern mit dem Firmengründer in der Frage zusammengerasselt, ob Oracle ihre Datenbanken und Softwareapplikationen künftig besser mit Infrastrukturangeboten von Rivalen wie Amazon oder Microsoft abstimmen soll. Mangel an passenden HosenDie beiden Konkurrenten geben in der Cloud den Ton an, weshalb Oracle nach Einschätzung von Kurian gut beraten wäre, das Zusammenspiel der eigenen Software mit ihrer Infrastruktur zu optimieren. Ellison allerdings hat wiederholt getönt, dass die Infrastruktur von Oracle technisch besser sei, und will sich offenbar nicht die Blöße geben, die eigenen Produkte an der Konkurrenz auszurichten. Doch wer mehr orange Blusen verkaufen will, muss sicherstellen, dass sie zu möglichst vielen verschiedenen Hosen passen.