Otto öffnet Paketdienst Hermes für Investor
Der Wettbewerb im europäischen Paketzustellermarkt nimmt zu, der Margendruck ebenfalls. Im Juni trennten sich die Deutsche Post und der Handelskonzern Otto von führenden Managern im Paketgeschäft. Jetzt soll sich die Otto-Tochter Hermes Europe für einen strategischen Partner öffnen.Von Carsten Steevens, HamburgRund 46 Jahre nach Gründung des Lieferdienstes will der familieneigene Hamburger Handels- und Dienstleistungskonzern Otto den Paketzusteller Hermes in Teilen für eine Allianz mit einem strategischen Investor öffnen. Nach Informationen der Börsen-Zeitung stehen die europäischen Aktivitäten in der Paketzustellung in den größten E-Commerce-Märkten Deutschland, Frankreich und Großbritannien, der 2010 gegründete E-Commerce-Service-Dienstleister Hermes Nextec, das 2014 entstandene Berliner Same-Day-Delivery-Start-up-Unternehmen Liefery sowie der internationale Versandlogistiker Borderguru für eine Beteiligung demnächst im Schaufenster. Als Partner könnten vor allem große, international agierende Händler oder Logistikunternehmen in Frage kommen, heißt es. Bei der Suche lässt sich die Otto Group vom Bankhaus Rothschild begleiten.Ein Sprecher des Otto-Konzerns lehnte eine Stellungnahme ab. Im Mai 2017 hatte Vorstandschef Alexander Birken nicht nur angekündigt, den Umsatz bis 2022 um mehr als ein Drittel auf 17 Mrd. Euro steigern und gezielt in Konzerngesellschaften mit besonders guten Wachstums- und Ergebnisperspektiven investieren zu wollen, sondern auch in Aussicht gestellt, stärker als bislang Beteiligungen an wachstumsstarken Konzernunternehmen zuzulassen. Im Oktober vergangenen Jahres wurde bekannt, dass der Konzern für sein schnell expandierendes Mode-Start-up-Unternehmen About You nach Investoren sucht. Im Juli verkündete Otto den Einstieg von Heartland, einer Beteiligungsgesellschaft des dänischen Modekonzerns Bestseller, im Rahmen einer Kapitalerhöhung von rund 300 Mill. Dollar (vgl. BZ vom 20. Juli). Vermeldet wurde ein Anteil von 29 %. Otto hält noch eine Anteilsmehrheit an About You. Geführt wird das Start-up-Unternehmen, das nach der jüngsten Finanzierungsrunde mit rund 1 Mrd. Euro bewertet wird, aber künftig als Beteiligungsgesellschaft. Mehrheitsanteil im AngebotBei den europäischen Distributionsgeschäften von Hermes, die jetzt für eine externe Beteiligung geöffnet werden sollen, wollen die Hamburger dem Vernehmen nach auf Dauer einen relevanten Teil behalten, um bei strategischen Entscheidungen weiterhin mitreden zu können. Die Abgabe eines Mehrheitsanteils an den Hermes-Geschäften kann man sich bei Otto aber offenbar vorstellen, auch wenn dies zunächst nicht für realistisch gehalten wird. Als strategischer Partner könnten große internationale Händler wie die britische Asos, Zalando oder Adressen in China und den USA in Frage kommen, aber auch Logistikfirmen. Eine Präferenz soll es bei Otto nicht geben. Allerdings müsste der Partner für eine langfristige Zusammenarbeit zur Unternehmenskultur von Hermes passen, heißt es.In Marktkreisen werden dem zur französischen Le Groupe La Poste gehörenden Kurier-Express-Paket-/KEP-Dienstleister DPD gute Chancen eingeräumt. Eine Partnerschaft mit dem Paketdienst Deutsche Post DHL wird hingegen für kaum möglich gehalten. Das ginge kartellrechtlich nicht durch, so eine Einschätzung bei Marktteilnehmern. Die DHL kommt im deutschen Paketmarkt auf einen Marktanteil von fast 50 %. Aus ähnlichen Gründen werden auch einer Allianz mit dem US-Versandhändler und Logistikdienstleister Amazon, der in Großbritannien zu den führenden drei Paketzustellern an Privathaushalte gehört, keine Aussichten eingeräumt. Dabei dürfte zudem eine Rolle spielen, dass man bei Otto die Bedeutung von Amazon in Grenzen halten will. Für den eigenen Paketdienstleister Hermes macht die Otto Group mit ihren Konzerngesellschaften in Deutschland etwa rund ein Drittel des Volumens aus, der Anteil von Amazon liegt wie der von DHL bei knapp 20 %.Zur Disposition steht für die geplante Partnerschaft bei der Paketzustellung im Bereich der letzten Meile ein Hermes-Geschäft, dessen Umsatz einschließlich der konzerninternen Erlöse auf rund 2,5 Mrd. Euro geschätzt wird. Die Hermes-Gruppe kam 2017 auf einen um 12 % auf 3,1 Mrd. Euro gesteigerten Umsatz. Transportiert wurde in Europa die Rekordmenge von 766 Millionen Sendungen, eine Steigerung um 15 % verglichen mit 2016. In den größten europäischen KEP-Märkten konnte Hermes die Position als Nummer 2 festigen. Für Deutschland stellte der Bundesverband Paket & Expresslogistik (BIEK) einen Anstieg der Transportmenge im vorigen Jahr um insgesamt 6,1 % und ein Umsatzwachstum um 4,9 % fest. Haupttreiber für das Wachstum war das Endkundengeschäft. “Nicht aus der Not heraus”Die Öffnung von Hermes Europe für eine strategische Allianz betreibt man bei Otto dem Vernehmen nach vor allem, um die Wachstumsaussichten in Anbetracht weiterhin stark wachsender E-Commerce-Märkte zu verbessern und Skalenvorteile in einem verschärften Wettbewerbs zu nutzen. Die Hamburger planten den Schritt “nicht aus der Not heraus”, heißt es. Sollte sich kein strategischer Partner finden lassen, sei Hermes aus eigener Kraft in der Lage, weiter profitabel zu wachsen. In den kommenden drei Jahre plant die Otto-Tochter derzeit mit Investitionen von über 500 Mill. Euro.Dass das operative Ergebnis 2017 mit 7 Mill. Euro negativ ausfiel, lag den Kreisen zufolge an belastenden Sondereffekten, etwa im Zuge der Mehrheitsbeteiligung an der Start-up-Firma Liefery und dem Verkauf des Fulfilment-Geschäfts in Frankreich. Operativ sei Hermes Europe profitabel. Doch leidet die Branche der Zusteller unter erheblichem Margendruck. Das Preisniveau ist nicht auskömmlich. Hermes plant 2018 daher wieder mit Preiserhöhungen.