Pannenflieger 737 Max verschärft Krise bei Boeing
Boeing taumelt in neue Krise
Dramatischer Zwischenfall auf Alaska-Airlines-Flug bestärkt Kritik an strukturellen Qualitätsproblemen bei dem Flugzeugbauer
Für Boeing setzen sich die Probleme um die Krisenmaschine 737 Max nach einem Vorfall auf einem Flug von Alaska Airlines fort. Kritiker monieren strukturelle Qualitätsmängel bei dem Flugzeugbauer, US-Behörden eröffnen Ermittlungen. Auch betroffene Fluggesellschaften stehen nun vor Herausforderungen.
Ein Zwischenfall auf einem Flug von Alaska Airlines stürzt Boeing in die nächste Krise. Am Freitag brach in rund 4.900 Metern Höhe ein Kabinenteil aus einer Maschine vom Typ 737 Max 9, die sich mit 177 Passagieren auf dem Weg von Portland, Oregon, nach Ontario in Kalifornien befand. Der Flieger musste notlanden, verletzt wurde niemand.
Die US-Luftfahrtaufsicht FAA ordnete eine Untersuchung von 171 Maschinen des Typs 737 Max 9 mit der gleichen Konfiguration wie der Pannenflieger an. Die Inspektionen dauern vier bis acht Stunden, danach können die Flugzeuge in den Einsatz zurückkehren. Boeing teilte mit, der Konzern stimme der Entscheidung der FAA zu und unterstützte diese vollumfänglich. „Sicherheit ist unsere höchste Priorität und wir bedauern die Auswirkungen, die dieses Ereignis auf unsere Kunden und ihre Passagiere hatte“, heißt es in einer Stellungnahme.
Herausgebrochenes Teil sichergestellt
Zudem eröffnete die US-Verkehrssicherheitsbehörde NTSB eine Untersuchung, die sich zunächst eng auf den Zwischenfall konzentrieren soll. Eine Ausweitung auf weitere 737-Max-Varianten schloss die NTSB-Vorsitzende Jennifer Homendy allerdings nicht aus. Das herausgebrochene Kabinenteil stellte die Behörde im Hinterhof eines Lehrers aus Portland sicher.
Neben den Fluggesellschaften, die direkt unter die Zuständigkeit der US-Behörden fallen, kündigten Airlines wie die panamaische Copa an, ihre 737 Max 9 bis zum Abschluss notwendiger Untersuchungen am Boden zu lassen. Auch Indonesien erteilte ein temporäres Flugverbot für Maschinen des Typs. In der Europäischen Union sind laut der Flugsicherheitsbehörde EASA keine Maschinen betroffen.
Umfangreiche Stornierungen
Zwar schätzen die Analysten von Jefferies die Kosten der FAA-Inspektion sowie von Ausfallentschädigungen an Fluggesellschaften mit zusammen weniger als 20 Mill. Dollar als gering ein. Doch Luftverkehrsexperten fürchten infolge des Zwischenfalls ein Chaos an Flughäfen. Alaska Airlines musste laut dem Datendienst Flight Aware am Sonntag 21% der angesetzten Flüge absagen. United Airlines, der größte Abnehmer von Boeing 737 Max 9 unter den US-Carriern, stornierte rund 180 Passagen. Allein in den Vereinigten Staaten sind im Januar laut Cirium Aviation Analytics nahezu 20.000 Flüge mit Maschinen des Typs angesetzt.
Die Aktie der Alaska Air Group gab im frühen New Yorker Handel um mehr als 4% nach. Boeing brachen zeitweise um über 8% ein. Der Vorfall auf dem Alaska-Flug bestärkt Kritiker, die strukturelle Probleme bei der Qualitätssicherung des Flugzeugbauers bemängeln.
Das kleinere Modell 737 Max 8 war nach zwei Abstürzen 2018 und 2019 weltweit für 20 Monate aus dem Verkehr gezogen worden, Auslieferungen des 787 Dreamliner lagen zwischen 2021 und 2022 aufgrund von Qualitätsbedenken auf Eis. Im Dezember forderte Boeing Fluggesellschaften auf, rund 1.300 neuere 737-Max-Modelle auf eine lockere Schraube im Rudersteuersystem zu überprüfen. Zudem musste der Konzern seine Auslieferungsprognosen für 2023 im Oktober aufgrund von Problemen mit dem Zulieferer Spirit Aerosystems nach unten korrigieren. Dieser war auch für Bau und Installation des auf dem Alaska-Flug herausgebrochenen Kabinenteils zuständig. Die Aktie des Zulieferers brach im frühen New Yorker Handel um 12% ein.
Für Boeing und CEO David Calhoun bedeutet der jüngste Zwischenfall einen herben Rückschlag. Denn die Probleme bei der Qualitätssicherung erschweren es ohnehin, die Produktion des einstigen Verkaufsschlagers 737 Max wieder hochzufahren. Airbus enteilt zunehmend: Die Analysten von Barclays schätzen, dass der europäische Konkurrent allein seit Ende des dritten Quartals 241 Jets ausgeliefert hat, Boeing hingegen nur 155.