Patentstreit verhagelt Nokia die Bilanz
Patentstreit verhagelt Nokia die Bilanz
Das hochmargige Lizenzgeschäft ist schockanfällig – Streit mit Oppo zieht sich – Kerngeschäft lahmt
Nokia baut das profitable Geschäft mit ihrem riesigen Patentportfolio seit Jahren konsequent aus. Allerdings sind Rechtsstreitigkeiten an der Tagesordnung, so dass die Sparte trotz langjähriger Lizenzvereinbarungen nicht zum ersten Mal für eine Gewinnwarnung verantwortlich ist.
Von Heidi Rohde, Frankfurt
Anhaltende Verhandlungen über die Lizensierung von Patenten, die 2023 nicht zum Abschluss gebracht werden konnten, haben Nokia die Bilanz verhagelt. Infolge nun fehlender Einnahmen in der Sparte Technologies verfehlt der finnische Telekomausrüster die Zielsetzungen beim Umsatz, der bereinigten operativen Marge und beim Free Cashflow. Bisher lag die Umsatzzielspanne bei 23,2 bis 24,6 Mrd. Euro, wobei Nokia im Oktober nach einem schwachen dritten Quartal bereits erklärt hatte, dabei eher am unteren Ende zu landen. Für die bereinigte operative Rendite wurde damals ein Wert in der Mitte der Range von 11,5% bis 13% angepeilt. Im vierten Quartal ging Nokia bisher von einer „normalen saisonalen Verbesserung“ gegenüber dem Vorquartal aus.
Wo und mit wem es in den Lizenzverhandlungen hakt, teilte der Konzern nicht mit, sondern ließ nur wissen, dass ein entsprechender Abschluss sich positiv auf das neue Geschäftsjahr auswirken werde, wobei noch einige „Zusatzgebühren“ vereinnahmt werden könnten. Beobachter gehen davon aus, dass es sich bei den Patentstreitigkeiten um einen seit längerem bestehenden Zwist mit Oppo handelt. Nokia fährt dabei offenbar eine harte Linie. Man habe entschieden, „vorrangig den Wert des Patentportfolios zu schützen“. Ein schneller Abschluss der Verhandlungen sei demgegenüber nachrangig.
Kurzer Schreckmoment
Die Investoren zollten dieser Strategie nach einem kurzen Schreckmoment offensichtlich Beifall. Die Nokia-Aktie verlor im frühen Handel am Dienstag bis zu 1,8%, drehte dann jedoch ins Plus und legte bis zu 2% zu. Die Technologieikone, die mit dem Siegeszug des iPhones als weltgrößter Handy-Hersteller entthront und schließlich zu Aufgabe des Handy-Geschäfts genötigt worden war, hat im Laufe der Jahre rund 140 Mrd. Euro in Forschung und Entwicklung für Mobilfunktechnologie gesteckt und verfügt gegenwärtig über rund 20.000 Patente, davon 5.500, die für den neuesten Standard 5G essenziell sind.
Die große Wachablösung im Mobilfunkmarkt, die zunächst durch das iPhone von Apple und andere Smartphones auf Basis der Google-Systemsoftware Android ausgelöst wurde und außer Nokia auch ehemalige Giganten wie Blackberry oder Motorola aus dem Markt gedrängt hat, führt immer wieder zu Patentstreitigkeiten zwischen den neuen Smartphoneherstellern, allen voran Samsung und Apple, und den Altanbietern, die alle über ein üppiges Rechteportfolio verfügen und begonnen haben, dieses aktiv zu monetarisieren. So hat Nokia im Juli – ebenfalls nach zähen Verhandlungen – einen neuen mehrjährigen Vertrag mit Apple geschlossen.
Einnahmen und Marge rückläufig
Nokia Technologies hatte nach neun Monaten Einnahmen von 834 Mill. Euro verzeichnet, ein Rückgang um 9% gegenüber Vorjahr. Der Rohertrag lag indes bei 100%, die operative Marge stellte sich auf 67,7% nach 70,3% im Vorjahr. Der Konzern geht davon aus, dass die Sparte nach Klärung der laufenden Streitigkeiten und dem Abschluss neuer Verträge zu einer jährlichen Run Rate von 1,4 bis 1,5 Mrd. Euro zurückkehrt.
Damit ist die Patent-Division aus Sicht von Nokia im Kern deutlich robuster und durch wiederkehrende Erlöse geprägt, im Gegensatz zu dem volatilen Kerngeschäft mit Netztechnik. Dessen zunehmend ausgeprägte Schwäche hatte den Konzern bereits zu einem umfassenden Sparprogramm veranlasst, dem Tausende von Stellen zum Opfer fallen sollen. Das vierte Quartal sei „herausfordernd“ geblieben, angesichts einer breiten Kaufzurückhaltung bei den Kunden in der Telekommunikationsbranche und außerdem beeinflusst durch eine „kürzlich kommunizierte Kundenentscheidung“, so Nokia weiter. Der Hinweis bezieht sich auf den 14 Mrd. Dollar schweren Auftrag von AT&T für ein Open-RAN-Netz, bei dem Nokia gegenüber Ericsson den Kürzeren gezogen hatte.
Generell hat aber der lukrative US-Markt den Höhepunkt des 5G-Investitionszyklus bereits überschritten. Die fehlende Nachfrage der dortigen Netzbetreiber kann durch andere Weltregionen nur bedingt ausgeglichen werden. Dies zumal China als zweitgrößter Markt der Welt für die Branche von den heimischen Anbietern ZTE und vor allem Huawei dominiert wird. Huawei berichtet aktuell über einen Umsatzanstieg von fast 10% im vergangenen Jahr und gibt sich weiter zuversichtlich. Rotating Chairman Ken Hu erklärte, Huawei habe das Jahr mit Erlösen von 700 Mrd. Yuan abgeschlossen. Das nach US-Sanktionen schwer ins Trudeln geratene Smartphone-Geschäft beginne sich zu erholen. Bei 5G macht der Konzern Fortschritte.