Übernahmevehikel

Per Spac-Fusion an die US-Börse

Mehrere deutsche Wachstumsfirmen streben an, auf dem Weg der Übernahme durch einen US-Spac (Special Purpose Acquisition Company) in den USA an die Börse zu gehen. Das erwartet die Kanzlei Hengeler Mueller. Für ihre europäischen Akquisitionsziele schreiben US-Spacs meist einen Unternehmenssitz in den Niederlanden oder Luxemburg vor – aus steuerlichen Gründen.

Per Spac-Fusion an die US-Börse

cru Frankfurt

In den USA haben im vergangenen Jahr rund 250 neue Spacs (Special Purpose Acquisition Companies) in einem beispiellosen Hype 80 Mrd. Dollar bei den Börsengängen der Blankoscheck-Übernahmevehikel eingesammelt. Jetzt sind sie auf der Suche nach geeigneten Akquisitionszielen und werden immer öfter auch in Europa fündig.

In Deutschland gab es bisher nur ein Beispiel: Das Tübinger Biotech-Unternehmen Immatics, eine Ausgründung der Universität Tübingen für Krebsimmuntherapien, kam im Juli 2020 per Fusion mit einem US-Spac an die US-Börse Nasdaq – mit Zweitlisting in Stuttgart. In Europa war die jüngste Übernahme eines US-Spacs der Kauf des niederländischen Ladestationenanbieters EV-Box, einer Tochter des Energiekonzerns Engie, durch TPG Pace.

Exodus bahnt sich an

Mehrere deutsche Wachstumsfirmen, die den „Einhorn“-Status mit einer Milliardenbewertung anstreben, könnten bald denselben Weg gehen. In Finanzkreisen ist von vier solcher Unternehmen die Rede: „Wir sehen am Markt einige Unternehmen aus Deutschland, die einen Gang an die Börse über einen Spac aus den USA erwägen“, sagte Alexander Rang, Kapitalmarktrechtler und Partner im Frankfurter Büro der Kanzlei Hengeler Mueller, der Börsen-Zeitung. „Hier könnte es 2021 einige Transaktionen geben.“

Verlust für den Finanzplatz

Damit gehen dem Finanzplatz Frankfurt, der bei Börsengängen ohnehin schon hinter Börsen wie London, Amsterdam, Oslo oder Warschau hinterherhinkt, weitere potenzielle IPOs verloren. „Oft handelt es sich um Firmen aus hochinnovativen Branchen, die von höheren Bewertungen in den USA profitieren wollen, um so das notwendige Wachstum zu finanzieren“, sagt Hengeler-Mueller-Anwalt Rang. „Der Börsengang über einen US-Spac wird aus Sicht des Unternehmens als Transaktion ähnlich einem M&A-Deal verhandelt. Das minimiert das Marktrisiko und ist vor allem in einem volatilen Marktumfeld von Vorteil.“

Jens Maurer, Co-Head Investment Banking von Morgan Stanley in Deutschland, bezeichnet die US-Börsenmäntel als „eine Transaktionsstruktur, die in den USA fest etabliert ist und auch in Europa und Deutschland 2021 Fuß fassen könnte“.

Wenn deutsche Firmen sich für den Weg an die US-Börse über eine Fusion mit einem Spac entscheiden, kann das auch den Wegzug der Firmen bedeuten – aus steuerlichen Gründen: „Ein US-Spac gibt in der Regel selbst vor, in welcher Rechtsordnung, zum Beispiel in den Niederlanden oder in Luxemburg, die Gesellschaft ihren Sitz haben sollte, die der Spac letztlich übernehmen wird – dies ist aber ohne Weiteres auch für deutsche Unternehmen gestaltbar“, erklärt Anwalt Rang. „In vielen Fällen handelt es sich um Unternehmen, die sich in ihrer Entwicklungsphase auf dem Sprung zu einem profitablen Unternehmen befinden, aber erhebliches Kapital für die Weiterentwicklung benötigen und hierfür eine höhere Bewertung am Kapitalmarkt anstreben. Oft kommen sie aus sehr dynamischen Feldern wie Mobilität, Batterietechnologie oder dem IT-Bereich“, sagt Rang.

Auch abgesehen von Spac-Fusionen samt Börsennotierung wandern deutsche Firmen für ein Listing in die USA ab, nachdem Biotech-Unternehmen aus Deutschland schon lange die US-Börsen für ihre Notierung bevorzugen. Gerade erst ist der Münchener Online-Luxusmodehändler Mytheresa in New York an die Börse gegangen. Und heute wird der Preis für das IPO des Berliner Spezialchemiekonzerns Atotech an der Nyse festgesetzt – eines der ersten klassischen Industrieunternehmen aus Deutschland, die für eine Notierung abwandern.

Deutsche Spacs geplant

Dabei wären auch deutsche Spacs an der Frankfurter Börse möglich. Dem Schweizer Wagniskapitalgeber Lakestar werden solche Pläne nachgesagt. „Es gibt keinen Grund, warum neue Spacs nicht auch in Deutschland gut funktionieren sollten“, sagt Thomas Thurner, der bei Morgan Stanley die Abteilung Equity Capital Markets (ECM) in Deutschland verantwortet. „Der regionale Markt ist für Innovation offen und Investoren begrüßen alternative Anlageformen. Ein paar konkrete Projekte sind bereits in Vorbereitung, aber ein besonders großes Augenmerk muss auf die Qualität des Sponsors, die richtige Struktur und den Sektor-Fokus gelegt werden. Besonders der Tech- und Gesundheitssektor bieten sich hierbei an.“