Piloten ausgebremst
Von Lisa Schmelzer, FrankfurtDas hessische Landesarbeitsgericht hat die Piloten der Lufthansa gezwungen, ihren Streik zu beenden. Der Streik sei rechtswidrig, urteilten die Richter. Über das formelle Streikziel hinaus ginge es den Piloten auch um Mitbestimmung bei dem Wings-Konzept, also den Billigflugplänen des Konzerns. Dies sei kein tariflich regelbares Ziel der Gewerkschaft. Die Lufthansa-Piloten mussten nach dem Urteil ihren Streik sofort abbrechen. Der Flugbetrieb dürfte aber erst heute wieder normal laufen. Die Lufthansa wird in der Auseinandersetzung von Allen & Overy vertreten, die Gewerkschaft Vereinigung Cockpit (VC) setzt auf den rechtlichen Beistand von Strunden & Partner.Wie es in der Auseinandersetzung zwischen Unternehmen und Flugzeugführern nun weitergehen soll, stand am Mittwoch noch in den Sternen. Das Machtgefüge dürfte sich durch das Gerichtsurteil zugunsten der Lufthansa-Führung verschoben haben, das alleine löst den Konflikt aber noch nicht. Konzern-Personalvorstand Bettina Volkens sagte, Ziel sei es nach wie vor, gemeinsam mit der VC eine Lösung für alle offenen Tarifverträge durch Verhandlungen zu finden. Die VC werde das Urteil analysieren und “dann sehen, welche Konsequenzen wir daraus für den Fortgang des Arbeitskampfes ziehen”, erklärte Gewerkschaftssprecher Markus Wahl. Der Streik wurde mit sofortiger Wirkung abgesagt, “trotzdem muss Lufthansa einsehen, dass man auf diese Art nicht die Probleme mit dem Personal löst”.Allerdings dürfte es nach der Eskalation der Auseinandersetzung in den vergangenen Tagen schwierig sein, sich wieder an einen Tisch zu setzen. Noch Ende vergangener Woche hatte die Konzernführung den Piloten neue Verhandlungen angeboten, dabei wurden auch Gespräche zum Billigflugkonzept in Aussicht gestellt. Doch damit ist Schluss, seit die VC ihren Streikaufruf für diese Woche lanciert hat. Mit der Tarifkommission soll nur noch über Tarifverträge und nicht mehr über Eurowings gesprochen werden. Konflikt um EurowingsDamit ist eine Einigung in weite Ferne gerückt, denn im Kern der Auseinandersetzung geht es nicht um offene Tarifverträge oder die Übergangsversorgung, sondern um die Billigflugpläne der Lufthansa. Diese will die VC stoppen oder zumindest abändern, weil bei der Tochter Eurowings nicht die im Konzerntarifvertrag festgelegten Arbeitsbedingungen gelten. Piloten-Arbeitsplätze mit Billiglöhnen würden ins europäische Ausland exportiert und so dem deutschen Tarifrecht entzogen, lauten unter anderem die Vorwürfe. Ohne andere Arbeitsbedingungen – und somit geringeren Personalkosten – bei dem Ableger sind aber die gesamten Pläne Makulatur, denn mit Eurowings will Lufthansa vor allem den Billigfliegern Ryanair und Easyjet Konkurrenz machen, die mit noch günstigeren Produktionskosten in den Wettbewerb ziehen.Die Lufthansa hat nun de facto die Wahl zwischen zwei Handlungsoptionen. Sie kann den Arbeitskampf aussitzen und darauf hoffen, dass der Rückhalt der Gewerkschaft bei den Piloten nach und nach schwindet, so dass die VC am Ende zu einer Einigung gezwungen wäre. Das gestrige Urteil dürfte die Position der Gewerkschaft deutlich geschwächt haben. Die bisher 13 Streiks haben allerdings schon einen gravierenden wirtschaftlichen Schaden angerichtet, zuletzt war von einer Ergebnisbelastung von bisher 332 Mill. Euro 2014 und 2015 die Rede. Die Arbeitsniederlegungen am Dienstag und Mittwoch dürften den Konzern weitere 35 Mill. Euro kosten, schätzen Analysten. Allerdings rechnet Lufthansa dennoch für das laufende Geschäftsjahr mit einem bereinigten Gewinn von mehr als 1,5 Mrd. Euro. Noch ist unklar, ob mit dem gestrigen Urteilsspruch nun weitere Streiks vom Tisch sind oder aber die Piloten einfach nur bei ihrer Begründung für kommende Arbeitsniederlegungen deutlicher auf die offenen Tarifverträge abzielen müssen.Zweite mögliche Handlungsoption für die Lufthansa ist es, den Betriebsfrieden zu dem Preis wieder herzustellen, dass die Eurowings-Pläne eingedampft oder aufgegeben werden. Der Preis wäre aber hoch, denn damit würde im Europageschäft den Low-Cost-Carriern das Feld überlassen, denen mit den bisherigen Lufthansa-Arbeitsbedingungen nicht Paroli geboten werden kann. Jahrelang hat Lufthansa genau das getan: Das Europageschäft war im Vergleich zu Ryanair und Co. nicht wettbewerbsfähig, es wurden hohe Verluste eingeflogen. Dies tat weh, konnte aber verkraftet werden, weil im Langstreckengeschäft hohe Ergebnisse erzielt wurden. Doch seit die Fluglinien aus den Golfstaaten sich in diesem Segment breitmachen, steht Lufthansa auch dort verstärkt unter Druck. Vor allem im Asienverkehr hat die deutsche Fluglinie schon einige Verbindungen aufgegeben bzw. fliegt Verluste ein. Unterm Strich schrumpft das ursprüngliche Lufthansa-Geschäft daher, so dass die Eurowings-Pläne auch dazu dienen, das Unternehmen auf Wachstumskurs zu halten. Diese Vorhaben aufzugeben oder zusammenzustreichen würde daher bedeuten, dass die Lufthansa mittelfristig deutlich kleiner sein dürfte als heute. Dann würde das Unternehmen vermutlich auch um betriebsbedingte Kündigungen bei den Flugzeugbesatzungen nicht mehr herumkommen.Indes hat das Management noch eine weitere Handlungsmöglichkeit, über die aber bisher nur hinter vorgehaltener Hand gesprochen wird. Das neue Tarifeinheitsgesetz würde es Lufthansa erlauben, mit der Gewerkschaft Ufo, die bisher nur die Flugbegleiter vertritt, auch die Arbeitsbedingungen für Piloten zu verhandeln. Ufo hat für diesen Fall bereits vorgesorgt und zusammen mit den Arbeitnehmervertretungen des Bodenpersonals die IG Luftverkehr gegründet. Die Vereinigung Cockpit ist sich der Gefahr bewusst. Als erste Spartengewerkschaft hat sie Anfang Juli gegen das Tarifeinheitsgesetz Verfassungsbeschwerde eingelegt. ——–Wie es in der Auseinandersetzung zwischen Lufthansa und Piloten weitergehen soll, steht noch in den Sternen.——-