Politische Mauern spalten M&A-Welt

Außenwirtschaftsgesetze in den USA, in China und Europa regionalisieren Fusionen und Übernahmen

Politische Mauern spalten M&A-Welt

Neue Hürden für ausländische Direktinvestitionen, um der heimischen Industrie Wettbewerbsvorteile zu verschaffen, sind in Mode. Die M&A-Welt spaltet sich zusehends in drei große Wirtschaftsblöcke. Die Politisierung auch des Kartellrechts sorgt dafür, dass Abschlüsse von Deals immer länger dauern. cru/wb Frankfurt – In Deutschland nennt man es Außenwirtschaftsgesetz, in China ist es das Handelsministerium Mofcom und in den USA das berühmt-berüchtigte Committee on Foreign Investment in the US (CFIUS): Überall auf der Welt sind die Regeln für ausländische Direktinvestitionen und die Kontrolle durch die Regierungen verschärft worden. “Das nationale Interesse wird dabei immer breiter ausgelegt”, beobachtet Christoph Seibt, M&A-Partner der Kanzlei Freshfields Bruckhaus Deringer. Nach seiner Zählung gibt es inzwischen 108 Länder mit Investitionsschutzabkommen. Insofern gehe die Deglobalisierung über das US-China-Schisma oder “Zwei-Welten-Szenarien” hinaus.Diese Hürden sorgen dafür, dass Fusionen von Unternehmen aus den drei Wirtschaftsblöcken seltener werden und der Genehmigungsprozess länger dauert. “Die M&A-Welt wird zusehends deglobalisiert”, beobachtet auch Holger Knittel, Leiter der Fusionsberatung der Investmentbank Citi im deutschsprachigen Raum. Die immer stärker verlangten Local-Content-Erfordernisse etwa in Brasilien, Indien und China belasteten gerade exportorientierte Konzerne, die teilweise Produkte und Technologien nicht mehr einheitlich anbieten könnten. “Dies regionalisiert M&A”, registriert Seibt. Unternehmen versuchten verstärkt Investitionsschutz über Umwege etwa in den Niederlanden oder Singapur zu erreichen. Makropolitik verhindert Deals “Die Makropolitik belastet vor allem die ganz großen Deals”, sagt Knittel. Insofern gehen dieses Jahr die M&A-Aktivitäten bisher deutlich zurück. Dabei sei das “Brot-und-Butter-Geschäft”, also Deals mit Volu- mina unter 3 Mrd. Euro, relativ stabil. Von den bislang in Deutschland angekündigten Deals über 138,9 Mrd. Euro entfielen 105 (i. V. 90,4) Mrd. Euro auf diese kleineren und mittleren Transaktionen (siehe Grafik). Hinzu komme die “Politisierung des Kartellrechts”. Dies gehe so weit, dass Japan schon eine “Null-Prozent-Aufgreifschwelle” eingezogen habe, berichtet Seibt. In Deutschland hatte die verhinderte Übernahme des Aachener Chipmaschinenbauers Aixtron und der durch die Bundesregierung torpedierte Einstieg des chinesischen staatlichen Stromnetzbetreibers bei 50 Hertz für Furore gesorgt. “Noch öfter ist es der Fall, dass es gar kein Verbot einer Investition gibt”, berichtet Seibt. Stattdessen würden äußerst umfassende Mitigation Agreements der Unternehmen abgegeben. Das sei jedoch schwierig, weil die Vorstände oft gar nicht wüssten, auf wessen Interessen sie eingehen müssten und wer bei einer geplanten Übernahme alles quer- schießen könnte. In den USA würden inzwischen bei einem Drittel aller Fälle solche Vereinbarungen getroffen. “Man schnürt Pakete, ohne genau zu wissen, was erwartet wird”, sagt Knittel. Intransparente US-BehördenAls Beispiel nennt Knittel von der Citi die US-Behörde CFIUS: “Dahinter stehen mehr als 20 verschiedene Behörden. Da können auch mal im Einzelfall die Interessen des Marinebeschaffungsamts entscheidend sein, von denen man gar nichts wusste.” Die Behörde sei für Außenstehende eine Blackbox. Man wisse am Ende nicht, wie eine Entscheidung zustande gekommen sei. “Deshalb kann man daraus auch nicht für das nächste Mal lernen, wie man es besser macht”, sagt der Banker. Etwas optimistischer gibt sich in dieser Hinsicht Anwalt Seibt: “Es wird noch mal fünf Jahre dauern, dann spielt sich das ein. Es hat auch 20 Jahre gedauert, um das EU-Kartellrecht in der heutigen Form zu etablieren.”Auch die schlagzeilenträchtigen Fälle wie Bayer und die direkt nach der Monsanto-Übernahme massenweise aufgetretenen Klagen, der M&A-Dauerbrenner T-Mobile US/Sprint oder die Quasi-Eingliederung von Linde in den US-Konzern sorgen nicht gerade dafür, dass die Begeisterung und die Bereitschaft für Fusionen und Übernahmen in den USA wächst. Diese Erfahrungen sorgten dafür, dass die Megadeals rarer werden, und Unternehmen suchten einen Ausweg teilweise darin, dass sie mehrere kleine Übernahmen angingen statt eine große – was aber die Integration erschwere. Oder sie separierten womöglich strittige Aktivitäten der Zielgesellschaft eine längere Zeit, um die gesamte Transaktion in trockene Tücher zu bringen, beobachtet Seibt. Doch an dem großen amerikanischen Markt mit den Technologien dort kommen Unternehmen, die expandieren wollen, nun einmal nicht vorbei, weiß Knittel. Doch er beobachtet bei Vorständen und Aufsichtsräten inzwischen schon eine “größere Zurückhaltung”, wenn strategische Zukäufe in den USA zum Thema werden. In der Warteschleife Im Endeffekt wachsen für Übernahmen die Transaktionsunsicherheit und vor allem die Dauer, bis ein Deal zu Ende gebracht werden kann. Aus früher sechs bis neun Monaten seien inzwischen anderthalb bis zwei Jahre geworden. Vor allem die Zeitspanne zwischen Ankündigung (Signing) und Abschluss (Closing) ziehe sich immer länger hin. Dies führe dazu, dass Unternehmen, die zusammengehen wollen, weiter am Markt als Konkurrenten aufzutreten haben, und gebe Wettbewerbern Zeit, etwa bei Kunden oder Investoren gegen den Deal zu schießen.Und es führe dazu, dass die Teams wesentlich größer und die Arbeiten viel intensiver geworden seien, sagt Paul Küderli, Partner von McKinsey. Es würden dann auch die Integrationsschritte festgelegt, um beim Plazet den Schalter sofort umlegen zu können. Es komme heute darauf an, Regulierung und mögliche kartellrechtliche Auflagen frühzeitig in die Analyse einzubeziehen, sagt der Strategieberater. Die Vorstände gerieten damit aber in ein Dilemma, erkennt Seibt. Sie dürften aus taktischen Gründen nicht Plan B offenlegen, sondern hätten ihr Vorhaben unbeirrt zu verfolgen, auch wenn Aufsichtsrat, Führungskräfte und Belegschaft enttäuscht würden.Der neue Trend zum Protektionismus bei ausländischen Direktinvestitionen, um intellektuelles Eigentum zu schützen oder der heimischen Industrie Wettbewerbsvorteile zu verschaffen, hat jetzt schon Folgen: Tatsache ist, dass sich der M&A-Markt regionalisiert. Das Volumen der Transaktionen, die innerhalb von China oder innerhalb von Europa oder innerhalb der USA laufen, wächst, der Umfang der Deals, die die Grenzen der Kontinente überschreiten, schrumpft dagegen. Dennoch ist 2019 mit einem Deal-Volumen von 1,3 Bill. Dollar noch immer das viertbeste M&A-Jahr aller Zeiten. Der Grund: Billiges Geld, aktivistische Investoren und der Trend zum Abschied von der Börse sowie der Einkauf von digitaler Expertise regen Fusionen und Übernahmen an.Auch ESG – environmental, social and corporate governance – habe einen “M&A-Impact”, sagt Anwalt Seibt. Zudem werden den Erwartungen zufolge im nächsten Jahr Restrukturierungen auch für Übernahmen und Fusionen an Bedeutung gewinnen. Spin-offs und andere Devestments seien weitere Treiber des M&A-Marktes, ergänzt Küderli von McKinsey.Angesichts der Deglobalisierung wachse aber auch nicht die Bereitschaft, “europäische Champions” zu schaffen, wie es Siemens in der Bahntechnik mit Alstom versucht hatte. “Das ist in Deutschland nicht positiv besetzt”, sagt Knittel, und dafür gebe es keinen politischen Willen.