Porsche und Volkswagen: Durch bessere Governance im Dax bleiben
Gastbeitrag
Porsche und Volkswagen: Durch bessere Governance im Dax bleiben
Von Christian Strenger
Eine gewichtige und von Investoren anhaltend bemängelte Ursache der Bewertungsmalaise ist die schlechte Corporate Governance der familiendominierten Gesellschaften. Dies zeigt sich unter anderem in der Rekordzahl der zugegebenen Abweichungen von den guten Standards der „Soll-Empfehlungen“ des deutschen Governance-Kodex und bei Vergleichsanalysen der Governancequalität der Dax-40-Unternehmen.
Die Governance-Schwächen werden neben der mit kaum lösbaren Interessenkonflikten verbundenen doppelten CEO-Rolle von Oliver Blume vor allem in der ungenügenden bzw. fehlenden Unabhängigkeit des Aufsichtsrats gesehen. Die Selbsteinschätzungen der VW- und Porsche-Aufsichtsräte in ihren Jahresberichten entsprechen bestenfalls teilweise den Vorgaben anerkannter Experten (wie den soeben von der Deutschen Vereinigung für Finanzanalyse vorgestellten Unabhängigkeitskriterien oder den Vorgaben der Stimmrechtsberater ISS und Glass Lewis).
Dies gilt insbesondere für den Vorsitz des Prüfungsausschusses, der für die Qualität der Aufsichtsratsarbeit eine zentrale Rolle einnimmt. Seine eindeutige Unabhängigkeit ist essenziell zur interessenkonfliktfreien Bewältigung der anspruchsvollen Überwachungs- und Kontrollaufgaben wie Risikomanagement, Compliance, Wirtschaftsprüferselektion etc. Sie ist daher auch die wichtigste Governance-Komponente für eine Einbeziehung in den Dax-40-Index. Die die Dax-Indizes betreibende Stoxx-Gesellschaft (Tochter Deutsche Börse) hat sich von der Einhaltung dieses Kriteriums bei ihrer vierteljährlichen Überprüfung zu überzeugen.
Ermessen nicht überdehnen
Im Gegensatz zu den meist zahlenmäßig definierten übrigen Kriterien kann dessen Erfüllung aber nicht allein davon abhängig sein, dass die gemäß §161 Aktiengesetz abzugebende Entsprechenserklärung der Gesellschaft keine entsprechende Abweichung von der Soll-Empfehlung des Kodex aufweist. Sprechen nämlich wesentliche, der Person zuzurechnende Faktoren gegen deren Unabhängigkeit, ist dies bei der Analyse der Erfüllung dieses Indexkriteriums zu berücksichtigen. Eine allein von der Einschätzung durch den eigenen Aufsichtsrat getragene Nichtabweichung kann also bei erheblichen gegenteiligen Indizien nicht genügen. Dieser muss sich anhand der Kodexvorgaben C.6 bis C.10 und des für das Unternehmen bestehenden Umfelds von der tatsächlichen Unabhängigkeit von der Gesellschaft, vom Vorstand und von kontrollierenden Aktionären überzeugen. Der Aufsichtsrat darf das ihm zustehende Ermessen in der Beurteilung der Unabhängigkeit bei deutlich gegenteiligen Faktoren nicht überdehnen. Die Einschätzung ist eine unternehmerische Entscheidung, die der Aufsichtsrat mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Kaufmanns zu treffen hat. Hierbei sind neben den Kodexvorgaben gemäß §134a AktG auch die kapitalmarktrelevanten weiteren Indizien berücksichtigen.
Falsche Einschätzung
Konkret besteht diese durch die gesamte Faktenlage getragene falsche Einschätzung der Unabhängigkeit durch den Aufsichtsrat bei der seit kurzem im Dax 40 vertretenen Porsche AG und seit Juli 2022 bei der Volkswagen AG. Die relevanten Fakten sind:
Porsche AG: Der Vorsitzende des Prüfungsausschusses, Christian Dahlheim, ist CEO der für die Ertragslage des VW-Konzerns wesentlichen 100-Prozent-Tochter Volkswagen Financial Services AG und damit auch mittelbar direkter Vertreter der mit 75% der Stammaktien die Porsche AG kontrollierenden Volkswagen AG. Zwischen der Volkswagen AG und der Volkswagen Financial Services AG besteht ein in 2015 angepasster Gewinnabführungs- und Beherrschungsvertrag. Weiterhin ist der CFO der Volkswagen AG, Arno Antlitz, Aufsichtsratsvorsitzender der Volkswagen Financial Services AG.
Da nach den Soll-Empfehlungen C.6 und C.9 des Deutschen Corporate Governance Kodex (DCGK) eine Unabhängigkeit zu verneinen ist, wenn ein Aufsichtsrat in einer persönlichen oder geschäftlichen Beziehung zum kontrollierenden Aktionär steht, ist eine Unabhängigkeit von Dahlheim auszuschließen. Diese Einschätzung ergibt sich auch durch die Unabhängigkeitskriterien des DFVA-Fachausschusses vom Juli 2024, dem auch Vertreter der vier größten deutschen Fondsgesellschaften angehören. Sie wird bestätigt durch die Guidelines des führenden Proxy Service Advisors ISS, der jede Führungsposition bei einem bedeutenden Aktionär der Gesellschaft als Abhängigkeitsnachweis aufführt.
Volkswagen AG: Der durch Ergänzungsantrag zur HV 2022 mit den meisten Nein-Stimmen neu in den Aufsichtsrat gewählte Herr Al-Mahmoud ist als CEO der Qatar Investment Authority (QIA) seit Juli 2022 Vorsitzender des Prüfungsausschusses der Volkswagen AG, an der Qatar über die ihr zu 100% gehörende QIA durch Stamm- und Vorzugsaktien mit 17% der HV-relevanten Stimmen beteiligt ist.
Qatar war bereits 2009 wesentlich an der Rettung der damaligen Porsche AG beteiligt, die durch nicht mehr von ihr finanzierbare Derivatgeschäfte zur Übernahme der Volkswagen AG insolvenzreif war. Die damals wesentlich durch Qatar ermöglichte finanzielle Konsolidierung unter Führung der Volkswagen AG führte auch zu dem jetzt bestehenden 17-prozentigenn Stimmenanteil, der mit zwei von zehn Sitzen in der Anteilseignerbank verbunden ist.
Weiterhin sind für eine kontrollierende Einschätzung der QIA relevant: Die Verbindung mit den beiden Großaktionären, den Familien Piëch und Porsche sowie Niedersachsen, zeigen gleichlautende HV-Abstimmungsergebnisse in den letzten fünf Jahren. Auch sind weitere bedeutende Geschäftsbeziehungen insbesondere mit den Familienaktionären gegeben: So war Qatar bei der im September 2022 erfolgten und trotz unsicherer Börsensituation sehr erfolgreichen Aktienplatzierung der Porsche AG mit einem Fünftel der größte Investor der dem Publikum angebotenen Vorzugsaktien.
Die gegen eine Qualifizierung von Herrn Al-Mahmoud und Herrn Dahlheim als unabhängige Vorsitzende des Prüfungsausschusses sprechenden Umstände sind eindeutig. Sie sollten bei der nächsten Überprüfung der Erfüllung der Kriterien für eine Dax-Indexzugehörigkeit dazu führen, dass die das Indexgeschäft betreibende Stoxx-Gesellschaft sowohl die Porsche AG als auch die Volkswagen AG darauf hinweist, dass die Einschätzung ihrer Aufsichtsräte nicht den Unabhängigkeitskriterien des Deutschen Corporate Governance Kodex und wesentlicher Kapitalmarktteilnehmer entspricht. Zur Vermeidung eines Ausschlusses aus dem Dax-40-Index hätten also beide Gesellschaften unbestreitbar unabhängige Aufsichtsratsmitglieder zu bestellen.
Die intensiv angezeigte Neubesetzung durch kompetente, unabhängige Vorsitzende des Prüfungsausschusses würde auch zu der überfälligen Verbesserung der Corporate-Governance-Verhältnisse des Porsche/Volkswagen-Konzerns führen. Durch den Wegfall eines Teils des jetzt so hohen Governance-Malus würde ein wichtiges Zeichen mit positiver Kursrelevanz gesetzt.
Die damit verbundene bessere Bewertung sollte sich auch in günstigeren Konditionen für künftige Kapitalerhöhungen niederschlagen. Und das müsste doch auch den Familien gefallen!
Professor und Direktor des Corporate Governance Instituts der Frankfurt School of Finance and Management