GastbeitragCorporate Governance

Porsche und Volkswagen: Durch bessere Governance im Dax bleiben

Mit der Besetzung von Aufsichtsrat und Prüfungsausschuss entsprechen Volkswagen und Porsche nicht den Unabhängigkeitsvorgaben von Governance-Kodex und Investoren.

Porsche und Volkswagen: Durch bessere Governance im Dax bleiben

Gastbeitrag

Porsche und Volkswagen: Durch bessere Governance im Dax bleiben

Von Christian Strenger

Eine gewichtige und von Investoren anhaltend bemängelte Ursache der Bewertungsmalaise ist die schlechte Corporate Governance der familiendominierten Gesellschaften. Dies zeigt sich unter anderem in der Rekordzahl der zugegebenen Abweichungen von den guten Standards der  ‚Soll-Empfehlungen‘  des deutschen Governance-Kodex und bei Vergleichsanalysen der Governancequalität der Dax40-Unternehmen.

Die Governance-Schwächen werden neben der mit kaum lösbaren Interessenkonflikten verbundenen doppelten CEO-Rolle von Herrn Blume vor allem  in der ungenügenden bzw. fehlenden Unabhängigkeit des Aufsichtsrats gesehen. Die Selbst-Einschätzungen der VW- und Porsche-Aufsichtsräte in ihren Jahresberichten  entsprechen bestenfalls teilweise den Vorgaben anerkannter Experten ( wie den soeben von der Deutschen Vereinigung für Finanzanalyse vorgestellten Unabhängigkeitskriterien oder den Vorgaben der Stimmrechtsberater ISS und Glass Lewis).

Dies gilt insbesondere für den Vorsitz des Prüfungsausschusses, der für die Qualität der Aufsichtsratsarbeit eine zentrale Rolle einnimmt. Seine eindeutige Unabhängigkeit ist essentiell zur interessenkonfliktfreien Bewältigung der anspruchsvollen Überwachungs-und Kontroll-Aufgaben wie Risikomanagement, Compliance, Wirtschaftsprüferselektion etc. Sie ist daher auch die wichtigste Governance-Komponente für eine Einbeziehung in den Dax40-Index. Die die Dax-Indices betreibende Stoxx-Gesellschaft (Tochter Deutsche Börse) hat sich von der Einhaltung  dieses Kriteriums bei ihrer vierteljährlichen Überprüfung zu überzeugen.

Ermessen nicht überdehnen

Im Gegensatz zu den meist zahlenmäßig definierten übrigen Kriterien kann dessen Erfüllung aber nicht allein davon abhängig sein, dass die gemäß § 161 Aktiengesetz abzugebende Entsprechenserklärung der Gesellschaft keine entsprechende Abweichung von der Soll-Empfehlung des Kodex aufweist. Sprechen nämlich wesentliche, der Person zuzurechnende Faktoren gegen deren Unabhängigkeit, ist dies bei der Analyse der Erfüllung dieses Indexkriteriums zu berücksichtigen. Eine allein von der Einschätzung durch den eigenen Aufsichtsrat getragene Nichtabweichung kann also bei erheblichen gegenteiligen Indizien nicht genügen. Dieser muss sich anhand der Kodexvorgaben C.6 bis C.10 und des für das Unternehmen bestehenden Umfelds von der  tatsächlichen Unabhängigkeit von der Gesellschaft, vom Vorstand und von kontrollierenden Aktionären überzeugen. Der Aufsichtsrat darf das ihm zustehende Ermessen  in der Beurteilung der Unabhängigkeit  bei deutlich gegenteiligen Faktoren nicht überdehnen. Die Einschätzung  ist eine unternehmerische Entscheidung, die der Aufsichtsrat mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Kaufmanns zu treffen hat .Hierbei sind neben den Kodexvorgaben  gemäß § 134a AktG auch  die kapitalmarktrelevanten weiteren Indizien berücksichtigen.

Falsche Einschätzung

Konkret besteht diese durch die gesamte Faktenlage getragene falsche Einschätzung  der Unabhängigkeit  durch den Aufsichtsrat bei der seit kurzem  im Dax 40 vertretenen Porsche AG und seit Juli 2022 bei der Volkswagen AG. Die relevanten Fakten sind:

Porsche AG:  Der Vorsitzende des Prüfungsausschusses, Christian Dahlheim, ist CEO der für die Ertragslage des VW-Konzerns wesentlichen 100-Prozent-Tochter Volkswagen Financial Services AG und damit auch mittelbar direkter Vertreter der mit 75% der Stammaktien die Porsche AG kontrollierenden Volkswagen AG. Zwischen der Volkswagen AG und der Volkswagen Financial Services AG besteht ein in 2015 angepasster Gewinnabführungs- und Beherrschungsvertrag. Weiterhin ist der CFO der Volkswagen AG, Arno Antlitz,   Aufsichtsratsvorsitzender der Volkswagen Financial Services AG.

Da nach den  Soll-Empfehlungen C.6 und C.9 des Deutschen Corporate Governance Kodex (DCGK) eine Unabhängigkeit zu verneinen ist, wenn ein Aufsichtsrat in einer persönlichen oder geschäftlichen Beziehung zum kontrollierenden Aktionär steht, ist eine Unabhängigkeit von Herrn Dahlheim auszuschließen. Diese Einschätzung ergibt sich auch durch die Unabhängigkeitskriterien des DFVA Fachausschusses vom Juli 2024, dem auch Vertreter der vier größten deutschen Fondsgesellschaften angehören. Sie wird bestätigt durch die ‚Guidelines’ des führenden Proxy Service Advisors  ISS , der jede Führungsposition bei einem bedeutenden Aktionär der Gesellschaft als Abhängigkeitsnachweis aufführt.

Volkswagen AG: Der  durch Ergänzungsantrag zur HV 2022 mit den meisten Nein-Stimmen neu in den Aufsichtsrat gewählte Herr Al-Mahmoud ist als CEO der Quatar Investment Authority (QIA) seit Juli 2022 Vorsitzender des Prüfungsausschusses der Volkswagen AG,an der Quatar über die ihr zu 100% gehörende QIA durch Stamm- und Vorzugsaktien mit 17% der HV-relevanten Stimmen beteiligt ist.

Quatar war bereits 2009 wesentlich an der Rettung der damaligen Porsche AG beteiligt, die durch nicht mehr von ihr finanzierbare Derivatgeschäfte zur Übernahme der Volkswagen AG insolvenzreif war. Die damals wesentlich durch Quatar ermöglichte finanzielle Konsolidierung unter Führung der Volkswagen AG führte auch zu dem jetzt bestehenden 17-prozentigenn Stimmenanteil, der mit zwei von zehn Sitzen in der Anteilseignerbank verbunden ist.

Weiterhin sind für eine kontrollierende Einschätzung der QIA relevant: Die Verbindung mit den beiden Großaktionären, den Familien Piëch und Porsche sowie Niedersachsen, zeigen gleichlautende HV- Abstimmungsergebnisse in den letzten fünf Jahren. Auch sind weitere bedeutende Geschäftsbeziehungen insbesondere mit den Familienaktionären gegeben: So war Quatar bei der im September 2022 erfolgten und trotz unsicherer Börsensituation sehr erfolgreichen Aktien-Platzierung der Porsche AG mit einem Fünftel der größte Investor der dem Publikum angebotenen  Vorzugsaktien.

Die gegen eine Qualifizierung von Herrn Al-Mahmoud und Herrn Dahlheim als unabhängige Vorsitzenden des Prüfungsausschusses sprechenden Umstände sind eindeutig. Sie sollten bei der nächsten Überprüfung der Erfüllung der Kriterien für eine Dax-Indexzugehörigkeit dazu führen, dass die das Indexgeschäft betreibende Stoxx-Gesellschaft sowohl die Porsche AG als auch die Volkswagen AG darauf hinweist, dass die Einschätzung ihrer Aufsichtsräte nicht den Unabhängigkeitskriterien des Deutschen Corporate Governance Kodex und wesentlicher Kapitalmarktteilnehmer entspricht. Zur Vermeidung eines Ausschlusses aus dem Dax40- Index hätten also beide Gesellschaften unbestreitbar unabhängige Aufsichtsratsmitglieder zu bestellen.

Die intensiv angezeigte Neubesetzung durch kompetente unabhängige Vorsitzende des Prüfungsausschusses würde auch zu der überfälligen Verbesserung  der Corporate Governance-Verhältnisse des Porsche/ Volkswagen-Konzerns führen. Durch den Wegfall eines Teils des jetzt  so hohen Governance-Malus würde ein wichtiges Zeichen mit positiver Kursrelevanz gesetzt.

Die damit verbundene bessere Bewertung sollte sich auch in günstigeren Konditionen für künftige Kapitalerhöhungen niederschlagen. Und das müsste doch auch den Familien gefallen!

Professor und Direktor des Corporate Governance Instituts der Frankfurt School of Finance and Management

Prof. Christian Strenger ist Direktor des Corporate Governance Instituts der Frankfurt School of Finance and Management.

Christian Strenger

Direktor des Corporate Governance Instituts der Frankfurt School of Finance and Management