Praktiker-Gutscheine verlieren ihre Gültigkeit

Insolvenzverwalter streicht Verbraucherrechte - Auch Gewährleistung fällt weg - Verkauf läuft wieder

Praktiker-Gutscheine verlieren ihre Gültigkeit

md Frankfurt – Die Kunden von Praktiker bleiben auf ihren Gutscheinen sitzen. Sie dürfen vom Personal nicht mehr eingelöst werden. Außerdem fällt die Gewährleistung für in den Baumärkten erworbene Produkte weg. Dies ordnete einer der beiden vorläufigen Insolvenzverwalter, Christopher Seagon, an.Das Personal in den knapp 170 Filialen der überschuldeten und zahlungsunfähigen Baumarktkette wurde von Seagon, der für acht operativ tätige Konzerntöchter zuständig ist, angewiesen, ab sofort keine Gutscheine mehr einzulösen. Der vorab gezahlte Betrag wird der Insolvenzmasse zugeschlagen. Die betroffenen Kunden müssen sich nun an Seagon wenden und schriftlich den Gutscheinwert bei ihm einfordern.Lohnenswert ist dieser Aufwand aus Sicht von Verbraucherschützern nur, wenn der Gutscheinbetrag hoch ist. Denn die Wahrscheinlichkeit ist gering, am Ende des Verfahrens tatsächlich noch Geld zu bekommen. Schließlich müssen sich die Gutscheininhaber hinter anderen Gläubigern von Praktiker anstellen, etwa Banken, Sozialversicherungsträger, Lieferanten und dem Finanzamt. Betroffen sind auch Kunden, die z. B. ein Badezimmer oder eine Küche per Vorauskasse bezahlt haben, aber noch keine Ware bekamen.Darüber hinaus fällt offenbar die Gewährleistung für gekaufte Produkte weg. Zwar haben Kunden theoretisch einen Anspruch auf Ersatzleistungen oder Reparaturen bei fehlerhafter Ware. Der Insolvenzverwalter kann das aber ablehnen – und genau das passiert bei Praktiker. Nach Informationen dieser Zeitung wird der Kaufpreis bei defekten Geräten weder erstattet, noch gibt es eine Gutschrift, ein Ersatzgerät oder Reparaturleistungen. Stattdessen sollten sich die Kunden direkt an den Hersteller wenden, insbesondere wenn dieser eine freiwillige Garantie auf seine Ware gegeben hat.Wenn das Insolvenzverfahren eröffnet ist und der Gewährleistungsanspruch noch nicht geltend gemacht wurde, können Kunden diesen nur noch zur Insolvenztabelle anmelden. Die Wahrscheinlichkeit einer kostenlosen Reparatur oder eines Ersatzes durch gleichwertige Ware ist dann aber gering.Umgekehrt müssen Kunden Rechnungen von Praktiker auf jeden Fall bezahlen, wenn sie zuvor die entsprechende Ware erhalten haben. Gleiches gilt für Ratenzahlungen. Denn die Insolvenz ist kein außerordentlicher Kündigungsgrund. Eventuell gibt der vorläufige Insolvenzverwalter eine neue Kontoverbindung an, an die die Kunden das Geld überweisen müssen. Diese Daten sollten zur Sicherheit überprüft werden, denn Betrüger, die sich als Verwalter ausgeben, nutzen solche Situationen gerne aus. Aus Verärgerung wegbleibenDurch seine harte Linie gegenüber den Kunden versucht Seagon möglichst viel Geld zu sammeln, um eine Perspektive für Praktiker zu erhalten. Das allerdings ist ein zweischneidiges Schwert, denn zum einen hätten Gutscheinkunden möglicherweise für mehr Geld eingekauft, als auf ihrem Bon steht, zum anderen dürften diese Kunden fortan Praktiker (und vielleicht auch die Tochter Max Bahr) aus Verärgerung komplett meiden.Der gewohnte Einkauf scheint derweil in allen Praktiker-Filialen wieder möglich zu sein. Sämtliche Waren seien verfügbar, heißt es. Seagon verhandele derweil mit Lieferanten und Warenkreditversicherern über Nachschub. In einigen Märkten durften am vergangenen Donnerstag nach Bekanntwerden des Antrags auf Einleitung eines vorläufigen Insolvenzverfahrens einige Waren nicht mehr verkauft werden.Seagon arbeitet für die Kanzlei Wellensiek. Ebenfalls als vorläufiger Insolvenzverwalter, aber für die Praktiker AG, wurde Udo Gröner bestellt. Der Rechtsanwalt von der Kanzlei Heimes & Müller betreut die Holding, die zwar von Hamburg aus geführt wird, ihren Sitz aber immer noch im saarländischen Kirkel hat. Eine Hierarchie zwischen den beiden Verwaltern gebe es nicht.Das Gehalt der 8 600 betroffenen Praktiker-Mitarbeiter bezahlt von Juli bis einschließlich September eine Bank, die sich das Geld von der Bundesagentur für Arbeit zurückholt. Dazu treten die Mitarbeiter ihre Forderungen gegenüber der Agentur ab.