GRENZEN DES WACHSTUMS

Preisanstiege und Versorgungslücken

Teile einer von Rohstoffen abhängigen Welt setzen auf Entglobalisierung

Preisanstiege und Versorgungslücken

Von Martin Dunzendorfer, FrankfurtDas Ende oder zumindest die Eindämmung der Globalisierung zu verlangen, ist nicht schwer. In der Theorie mag das für einige Branchen sogar möglich sein, den Praxistest dürfte kaum eine bestehen. Für mindestens eine Industrie ist die Begrenzung auf den eigenen Markt schlicht undenkbar: Rohstoffe. Bodenschätze können nur dort gefördert werden, wo sie entstanden und vorhanden sind – also etwa Öl in Saudi-Arabien und Venezuela, Eisenerz in China und Australien, Erdgas in Russland und Iran. Daran kann keine wirtschaftspolitische Maßnahme etwas ändern.Es ist aberwitzig, dass eine wachsende Gruppe von Menschen und Ländern eine Entglobalisierung fordert und sie zum Teil sogar umzusetzen versucht, obgleich die Funktionsfähigkeit und der Wohlstand dieser industrialisierten Welt noch nie so abhängig vom grenzüberschreitenden Handel mit Rohstoffen war. Effizienz ade Wer Protektionismus und Entglobalisierung das Wort redet, kann jeden Gedanken an Effizienz über Bord werfen. Sinnvolle Ressourcenallokation und eine hohe Produktivität, die allen zugutekommt, existieren dann nicht mehr. Mit Slogans wie “America first” oder “We want our country back” kann man zwar – wie sich gezeigt hat – Wahlen gewinnen, kommt es aber zur Abschirmung der Wirtschaft eines Landes vor der Konkurrenz aus dem Ausland, etwa durch Schutzzölle oder Einfuhrbeschränkungen, zeigen sich schnell die Nachteile.So beginnen die Handelskonflikte, die US-Präsident Donald Trump vor allem mit der Europäischen Union und noch stärker mit China losgetreten hat, auf Amerika zurückschlagen. Zwar ist Chinas sprichwörtlicher Rohstoffhunger aufgrund des nach wie vor starken Wachstums nicht gestillt, doch der Streit mit den USA um Importzölle zeigt Wirkung: Peking wird, was Rohstoffimporte angeht, wählerischer und substituiert vor allem Einfuhren aus Amerika. Von Januar bis November 2017 stieg etwa der Import von Sojabohnen um rund 16 %; in der gleichen Zeit des abgelaufenen Jahres gingen die Einfuhren nach Angaben von Bloomberg und Saxo Bank um etwa 4 % zurück (siehe Grafik). Getroffen hat das vor allem den zweitgrößten Exporteur von Sojabohnen und der ist – Überraschung! – die USA. Deren Marktanteil fällt nach einer Prognose des – der Beschönigung unverdächtigen – US-Landwirtschaftsministeriums vom Erntejahr 2017/18 auf 2018/19 um zwei Prozentpunkte auf 36 %.Eine den globalen Wohlstand belastende Folge des wachsenden Protektionismus und der Handelskonflikte sind steigende Preise. Doch Einkäufer befürchten nicht nur, dass Rohstoffe teurer werden, sondern auch, dass sie künftig nicht mehr die benötigten Mengen für ihr Unternehmen beschaffen können. Das ergab eine Studie der auf Supply-Chain-Management spezialisierten Unternehmensberatung Inverto. Handelskriege befürchtet Demnach erwarten neun von zehn Befragten, dass sich die Auseinandersetzungen zu echten Handelskriegen ausweiten. Allerdings gehen sie davon aus, dass nicht die ganze Welt gleichermaßen betroffen sein wird, sondern nur bestimmte Materialien oder aber einzelne Länder. Doch auch angesichts begrenzter Konflikte rechnen vier Fünftel der Befragten mit Preissteigerungen für Rohstoffe; über die Hälfte befürchtet sogar Versorgungsengpässe. Einkäufer für Eisen und Stahl, Aluminium sowie Kupfer nehmen laut Inverto die Risiken am stärksten wahr.Branchenübergreifend sehen die Studienteilnehmer den Kontaktaufbau zu neuen Lieferanten in alternativen Beschaffungsmärkten (60 %), die Prüfung alternativer Rohstoffe (49 %) oder die Absicherung der Bezugspreise durch langfristige Verträge (42 %) als die besten Lösungen, um sich gegen Preisanstiege abzusichern. Tatsächlich genutzt werden diese Mittel aber in weitaus geringerem Umfang: So suchen lediglich 44 % neue Lieferanten. Im Fall der Sojabohnen-Exporte gibt es sie allerdings: Während die USA laut der Prognose Anteile am Weltmarkt einbüßen, steigt die Quote Argentiniens von 1,4 auf 5,1 %. Dass nur 35 % der von Inverto Befragten über Verträge mit langer Laufzeit verhandeln, mag an den geringen Erfolgsaussichten liegen, denn da auch Lieferanten mit steigenden Preisen rechnen, haben sich bei zwei Dritteln der Studienteilnehmer die Laufzeiten von Preisgarantien sogar verringert.Und dann ist da noch die Sorge um die Versorgungssicherheit: In der jüngsten der alle zwei Jahre durchgeführten Inverto-Befragung äußerten 60 % der Einkäufer die Sorge, die benötigten Rohstoffe nicht beschaffen zu können; 2016 waren es nur 18 %! Es kommen wohl schwierige Jahre auf uns zu.