Primestone-Manager: "Brenntag bleibt hinter den Konkurrenten zurück"
Im Interview: Franck Falezan
“Brenntag verliert immer mehr Marktanteile”
Hedgefonds-Manager drängt CEO des Chemiehandelsriesen zu verbindlicher Aufspaltungsentscheidung
Als Großaktionär beim weltweit größten Chemiehändler Brenntag aus Duisburg drängt der aktivistische britische Investor Primestone auf eine Abspaltung der Spezialitätensparte. So will Managing Partner Franck Falezan den Verlust von Marktanteilen des 11,6 Mrd. Euro schweren Unternehmens an Konkurrenten wie IMCD eindämmen, deren Aktienkurs sich besser entwickelt. Nach Ansicht des Hedgefonds-Managers ist die Sparte aus der Perspektive der Kunden ein “Opfer” der Zugehörigkeit zu Brenntag.
Herr Falezan, Sie sind mit 2% an Brenntag beteiligt. Sind Sie mit der Kursentwicklung zufrieden?
Wir sind ein langfristiger Aktionär, deshalb schauen wir auf die langfristige Performance und konzentrieren uns auf das, was langfristig und nachhaltig Shareholder Value schaffen kann. Wenn wir mit Blick auf die letzten drei, fünf und acht Jahre in den Rückspiegel schauen, ist Brenntag hinter seinen Hauptwettbewerbern zurückgeblieben. Brenntag ist ein großartiges Unternehmen, das aber immer mehr Marktanteile verliert. Infolgedessen hat sich die Brenntag-Aktie schlechter entwickelt als ihre börsennotierten Konkurrenten IMCD und Azelis. Der Unterschied ist frappierend: 100 Euro, die 2015 in Brenntag investiert wurden, sind heute 186 Euro wert, während 100 Euro, die in IMCD investiert wurden, heute 563 Euro wert sind, also dreimal so viel.
Warum waren Sie gegen die Übernahme des US-Konkurrenten Univar?
Das unaufgeforderte und vom Aufsichtsrat abgesegnete Angebot von Brenntag war leichtsinnig. Es ist in der Branche allgemein bekannt, dass die richtige M&A-Strategie darin besteht, kleine Deals zu tätigen, da große Deals zu erheblichen Synergieverlusten führen. Jeder in der Branche war schockiert. Hätten wir und andere Aktionäre nicht eingegriffen, wäre das Unternehmen in echte Schwierigkeiten geraten und hätte nur seine Konkurrenten glücklich gemacht: Man hätte so viel Volumen von Kunden und Lieferanten verloren, dass jegliche Kostensynergien zunichte gemacht worden wären. Es ist bezeichnend, dass der Marktwert von Brenntag in den wenigen Wochen nach der Annäherung an Univar rund 2 Mrd. Euro an Börsenwert verlor und sich wieder erholte, sobald Brenntag sich von Univar distanzierte.
Warum fordern Sie die Abspaltung der Spezialitätensparte?
Brenntag Specialties ist weltweit führend in der Spezialdistribution, verliert aber immer weiter Marktanteile gegenüber den spezialisierten Konkurrenten, nicht nur gegenüber IMCD und Azelis, die börsennotiert sind, sondern auch gegenüber Caldic, Barentz und Safic-Alcan. Auf der Grundlage unserer Befragungen und mehr als 100 Interviews mit Kunden, Lieferanten, Mitarbeitern und Wettbewerbern ist die Situation sehr eindeutig: Brenntag Specialties ist paradoxerweise ein „Opfer“ der Zugehörigkeit zu Brenntag und der Stärke von Brenntag in der Commodity-Chemiedistribution. Fachverkäufer, Kunden, Lieferanten und Akquisitionsziele ziehen es vor, sich mit reinen Spezialdistributoren zu assoziieren.
Das macht es dem Management sehr schwer, Brenntag Specialties weiterzuentwickeln?
Ja, weil sie als Teil eines Commodity-Distributeurs gesehen werden. Wie Herr Kohlpaintner einräumt, handelt es sich um unterschiedliche Geschäftsbereiche. Beide sind gut. Sie passen nur nicht zusammen. Sie helfen sich nicht gegenseitig. Um es klar zu sagen, wir fordern nicht die Abspaltung „morgen“, sondern wir fordern, dass sich das Management dazu verpflichtet, sie vorbereitet und sie binnen 18 bis 24 Monaten durchführt.
Engine Capital hat sich mit 1% an Brenntag beteiligt, ein Aktienrückkaufprogramm angeregt und fordert die Aufnahme eines Vertreters in den Aufsichtsrat. Stimmen Sie mit Engine Capital überein?
Wir sind zu demselben Schluss gekommen. Der Aufsichtsrat muss gestärkt werden, damit er fundierte Entscheidungen treffen und das Management effizient überwachen, fordern und unterstützen kann. Das ist heute nicht der Fall. Wir bedauern, dass sich der Aufsichtsrat geweigert hat, Geschäftsangelegenheiten mit den Aktionären zu erörtern, sich mit dem von uns zur Verfügung gestellten Analysen zu befassen und alternative Sichtweisen und Herausforderungen zu berücksichtigen. Sie verhalten sich, als hätten sie sich aus Angst vor einem Dialog in ihrem Elfenbeinturm eingeschlossen, um ihre bequemen Positionen und Privilegien zu bewahren. Das ist wirklich bedauerlich. Und nach Jahren unzureichender Leistungen muss sich das ändern. Hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang, dass die Jahreshauptversammlung 2023 die einzige Gelegenheit für die Aktionäre ist, Einfluss zu nehmen: Im kommenden Jahr wird kein Sitz im Verwaltungsrat frei, so dass die Aktionäre vor 2025/26 kein Mitspracherecht mehr haben werden, wenn sie die Gelegenheit im Juni verpassen.
CEO Christian Kohlpaintner spricht nur noch wenig von der Abspaltung. Wie kommt das bei Investoren an?
Eigentlich spricht er sehr oft über die operative Trennung. Er hat erkannt, dass Spezialitäten und Essentials unterschiedliche Geschäftsbereiche sind und ist seit drei Jahren dabei, sie zu trennen. Viele Investoren und Analysten dachten, dass er die Abspaltung innerhalb von ein oder zwei Jahren abschließen und dies auf dem jüngsten Investorentag im November 2022 ankündigen würde. Das kann natürlich immer noch geschehen, aber seit dem Univar-Abenteuer sind die Anleger mit Blick auf die Strategie des Unternehmens verwirrt, und die Kommunikation war sehr vage und defensiv. Das Unternehmen ist ziemlich gut darin geworden, den Menschen das zu sagen, was sie hören wollen, ohne sich zu irgendetwas zu verpflichten. Niemand weiß, was sie vorhaben, und wir sind uns nicht einmal sicher, ob sie es selbst wissen. Es ist nicht einfach, Leute zu unterstützen, die nicht sagen, was sie zu tun gedenken. Dies gilt vor allem, wenn sie nicht erfolgreich waren und zwischen drei und dreizehn Jahren am Steuer sitzen, wie es bei den Aufsichtsratsmitgliedern der Fall ist.
Kohlpaintners Vertrag läuft noch bis Ende 2025. Was muss sich ändern, damit sein Vertrag verlängert wird?
Das ist eine Frage für den Aufsichtsrat. Als langfristig orientierter Aktionär achten wir darauf, ob Aufsichtsrat und Vorstand durch fundierte Entscheidungen und effizienten Einsatz der Unternehmensressourcen nachhaltig Werte schaffen. Wir möchten, dass Herr Kohlpaintner erfolgreich ist. Es liegt in seinen Händen und in den Händen des Aufsichtsrates. Wenn sie an den alten Rezepten festhalten, wird Brenntag weiterhin zu kämpfen haben. Wenn sie sich ändern, die harten Fakten betrachten und analysieren, haben Brenntag Essentials und Brenntag Specialties die Chance, zu gedeihen und endlich die Leistung zu erbringen, die einem Weltmarktführer angemessen ist.
Das Interview führte Christoph Ruhkamp
Das Interview führte Christoph Ruhkamp.
Primestone-Managing-Partner Franck Falezan drängt Brenntag zur Aufspaltung.