Private-Equity-Fonds peilen große Deals in Europa an

Kapitalzusagen von 1,5 Bill. Dollar - Unilever-Tee-Sparte, Brauerei Molson Coors und Philips-Haushaltsgeräte stehen wohl zum Verkauf

Private-Equity-Fonds peilen große Deals in Europa an

cru Frankfurt – Die USA sind nicht mehr das Zentrum des Private-Equity-Universums. Finanzinvestoren kündigten in der ersten Hälfte des Jahres 143 Mrd. Dollar an Transaktionen außerhalb der USA an, was fast 60 % des weltweiten Gesamtvolumens entspricht, so die von Bloomberg zusammengestellten Daten. Das ist der höchste Anteil seit 2001.Und zum ersten Mal seit 2003 gehörten keine US-Ziele zu den fünf größten Deals. In Deutschland kauften Private-Equity-Investoren bei den drei größten Deals Thyssenkrupp Elevator, Wella und Deutsche Glasfaser. Da die USA mit einer Pandemie zu kämpfen haben, die immer noch Tausende von Menschen täglich infiziert, brauchen Private-Equity-Firmen dort länger, um Geschäfte zu machen, da die Beteiligten nicht persönlich zusammenkommen können und die Unternehmen von Lockdowns betroffen sind.Unterdessen geht ein relativer Gewinner aus der Krise hervor: Etwa die Hälfte der diesjährigen Nicht-US-Aktivitäten fand in Europa statt. Damit zeichnet sich ein langfristiger Trend zu größeren Transaktionen außerhalb der USA ab, da die übrigen Märkte reifen. Es scheint auch, dass Covid-19 die USA stärker trifft, was sich auf die Möglichkeiten auswirkt, trotz der großen, noch nicht ausgegebenen Kapitalzusagen der Investoren, die den Private-Equity-Fonds zur Verfügung stehen, Deals abzuschließen. Laut Datenanbieter Preqin startete Private Equity ins Jahr 2020 mit mehr Barmitteln als je zuvor, und das sogenannte Dry Powder stieg bis zum 30. Juni auf fast 1,5 Bill. Dollar, da sich die Deals verlangsamten.Auch die Kapitalbeschaffung ging im zweiten Quartal zurück, da die Investoren aufgrund von Lockdowns zu Hause bleiben mussten. Die Verschiebung in der ersten Jahreshälfte zeigt den zunehmend globalen Charakter von Private Equity, auch wenn der Löwenanteil der Transaktionen nach wie vor auf die USA entfällt. Die europäischen Aktivitäten wurden durch den größten angekündigten Deal der Branche in diesem Jahr angekurbelt – den Kauf der Aufzugssparte von Thyssenkrupp mit Sitz in Düsseldorf im Wert von 17,2 Mrd. Euro durch ein Konsortium unter der Führung von Advent und Cinven. Blackstone bei Philips dabeiDa die europäischen Volkswirtschaften aus der Flaute herauskommen, suchen die Entscheidungsträger der Private-Equity-Fonds nach weiteren Unternehmen, die in der zweiten Jahreshälfte Geschäftseinheiten zum Verkauf anbieten. Beispielsweise sollen Blackstone, CVC und KKR an der Philips-Haushaltsgerätesparte im Wert von 4 Mrd. Dollar interessiert sein. Außerdem steht die Tee-Einheit von Unilever zum Verkauf – mit Advent, Bain und Blackstone unter den potenziellen Käufern.Beim Verkauf der 9 Mrd. Dollar schweren Ebay-Kleinanzeigensparte kam jedoch jüngst anstatt der interessierten Finanzinvestoren der norwegische Konkurrent Adevinta zum Zug. Unterdessen erwägt die Brauerei Molson Coors Beverage den Verkauf von Unternehmensteilen in Europa im Wert von etwa 3 Mrd. Euro in einem potenziellen Deal, der das Interesse von Private Equity anziehen soll. Zu den Private-Equity-Firmen, die bereit sind, Geld in Europa einzusetzen, gehört auch der britische Finanzinvestor CVC, der eine 21,3 Mrd. Euro umfassende Kapitalbeschaffung für seinen achten Flaggschifffonds, seinen bisher größten, abgeschlossen hat.Das Kalkül: Europa hat den Virus früher erlebt und kommt jetzt früher aus der Krise heraus. Die beginnende wirtschaftliche Erholung verschafft Finanzinvestoren mehr Informationen über künftige Einnahmen der Unternehmen und stärkt das Vertrauen. Fachleute erwarten deshalb mehr große Deals in Europa. Eine Bain-Studie zeigte im Februar, dass die Erträge von Private-Equity-Fonds aus Europa weiter die öffentlichen Märkte übertreffen. Im Vergleich dazu hatten sich die Renditen von Investments in börsennotierte und nichtbörsennotierte Unternehmen in den USA einander angenähert.Trotz der Pandemie sind New Yorks Übernahmegiganten gut beschäftigt. Am bisher zweitgrößten Deal in diesem Jahr war ein Konsortium aus Global Infrastructure Partners und Brookfield beteiligt, das 10,1 Mrd. Dollar für eine Beteiligung an Pipelines in Abu Dhabi zahlte. Blackstones Kauf eines Portfolios britischer Studentenunterkünfte gehörte ebenfalls zu den Top-5-Deals. Deal-Volumen halbiertKlar ist, dass das Deal-Volumen in diesem Jahr auf breiter Front gelitten hat. Der Wert aller Fusionen und Übernahmen fiel in der ersten Hälfte des Jahres um 50 % gegenüber dem Vorjahr auf den niedrigsten Stand seit 2012. In den USA wurden laut Analysehaus Willis Towers Watson in der ersten Hälfte nur 137 M&A-Deals einschließlich Private Equity abgeschlossen, gegenüber 188 ein Jahr zuvor. In Europa hingegen war ein Anstieg zu verzeichnen: Es gab 80 Transaktionen gegenüber 68 im gleichen Vorjahreszeitraum.